Islamgesetz

Ein Paradigmenwechsel in der österreichischen Islampolitik

Das neue Islamgesetz in Österreich ist verfassungsrechtlich äußerst fragwürdig. Es ist Ausdruck einer institutionalisierten Islamophobie. Der Politikwissenschaftler und Islamopobieexperte Dr. Farid Hafez gibt einen Überblick.

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02
2015
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Paradoxerweise hat der 11. September 2001 in Österreich anders als in vielen anderen Ländern dazu geführt, dass der Islam auf der politischen Bühne als Partner gehandelt wurde. Auf europäischer Ebene glänzte das ‚Sondermodell Österreich‘ mit der einzigartigen Stellung des seit 1912 anerkannten Islams und der seit 1979 anerkannten Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Als 2003 die erste Europäische „Imamekonferenz“ in der Europäischen Kulturhauptstadt Graz veranstaltet wurde, suchte das Beispiel seinesgleichen.

Spätestens 2005 mit dem Abgang der rechtspopulistischen FPÖ in die Opposition wurde eine Phase der steigenden Islamophobie eingeleitet. Diese islamophobe Haltung manifestierte sich später in handfester Politik. So kam es etwa in den Jahren 2008 und 2009 unter ÖVP-Mehrheit in Vorarlberg und unter Jörg Haider als Landeshauptmann von Kärnten zu einem Moschee- und Minarettbauverbot.

Neue Islampolitik

Als im Jahre 2011 die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) ihre Gremien neu wählte, läutete dies auch einen Paradigmenwechsel in der offiziellen Islampolitik ein. Es wurde mit dem zeitgleich auftretenden Staatssekretariat für Integration im Bundesministerium für Inneres ein öffentlichkeitswirksamer neu erscheinender Integrationsdiskurs geführt. Und hier wurde nun auch eine neue Islampolitik erprobt.

Während Schakfeh der damaligen Innenministerin Maria Fekter noch eine Absage für die Idee erteilte, eine Islamkonferenz nach deutschem Vorbild in Österreich zu führen, willigte der jetzige Präsident der Glaubensgemeinschaft, Fuat Sanac, ein. Am 23. Januar 2012 wurde das Dialogforum Islam nach Deutschen Vorbild gestartet. Damit sollte also ein Rahmen für den Dialog zwischen der nun von Präsident Sanac geführten IGGiÖ und verschiedenen staatlichen Behörden gegeben sein.

Novellierung des Islamgesetzes

Eine der sieben Arbeitsgruppen, die im Dialogforum tagten, war die Gruppe Staat und Islam. Sie diente u.a. der Vorbereitung für die Novellierung des Islamgesetzes. In diesem Sinne wurde im Zwischenbericht des Dialogforums die Empfehlung festgehalten, dass die Novellierung des Islamgesetzes notwendig sei. Das Dialogforum war zwar offiziell von beiden Institutionen – dem Integrationsstaatssekretär und der IGGiÖ – getragen. Es zeigte sich aber ein asymmetrisches Verhältnis in der Leitung. Alle Leitungen wurden vom Staatssekretariat gewählt. Die IGGiÖ schickte nur wenige VertreterInnen zu den Arbeitsgruppen. Dies ist besonders für die hier bedeutende Arbeitsgruppe Staat und Islam der Fall, in der nur ein Vertreter der IGGiÖ saß.

Der Leiter der Arbeitsgruppe, der Wiener Religionsrechtler Richard Potz, war zwar Leiter der Gruppe. An der Autorenschaft wie auch an der letzten Redaktion war er hingegen nicht beteiligt. Schließlich fand die Absicht, das Islamgesetz 1912 zu novellieren, Eingang in das offizielle Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013-2018. Darin heißt es noch, in der Novellierung sei nach den „Grundsätzen der Parität, staatlicher Neutralität, der Selbstverwaltung und Selbstfinanzierung vorzugehen“.

„Maßnahme gegen Terrorismus“

Dem wurde aber in der Realität nicht Folge geleistet. Als am 02. Oktober 2014 zwei Minister den Entwurf für ein neues Islamgesetz präsentierten, wurde dieser Schritt inmitten des Diskurses über den „Islamischen Staat“ als Maßnahme gegen den Terrorismus gepriesen. Die Regierung präsentierte sich als law-and-order-Partei. Die Präsentation kam ohne Akkordierung mit der IGGiÖ. Schließlich wurde offenbar, dass der Entwurf aber dem Präsidenten der IGGiÖ längst bekannt war und die gewählten Gremien der IGGiÖ nicht in die Verhandlungen eingebunden waren, was schlussendlich im Dezember sogar zu Rücktrittsforderungen führte.

Grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass der Ministerialentwurf für ein neues Islamgesetz stark am 2012 novellierten Israelitengesetz (IsrelitenG) angelehnt ist. Verschiedene Stellen – elf von insgesamt 23 Paragraphen – sind identisch übernommen worden. Die unterschiedlichen Stellen sind jedoch die bedeutendsten.

Islamgesetz verfassungsrechtlich fragwürdig

Es sei festgehalten: Der Entwurf ist verfassungsrechtlich fragwürdig, da er die Gleichbehandlung von Religionsgesellschaften missachtet. Erstens ist es eine Tradition in der politischen Kultur Österreichs, dass kein Religionsgesetz gegen eine anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft beschlossen wird. Die Auseinandersetzung mit der IGGiÖ, deren zwei wichtigste Bundesorgane – der Oberste Rat und der Schura-Rat – sich gegen den Entwurf positioniert haben, zeigt, dass die Regierung den Willen der IGGiÖ keine Beachtung geschenkt hat.

Diese beiden fundamentalen Änderungen in der politischen Praxis gegenüber einer anerkannten Religionsgesellschaft stellen einen Paradigmenwechsel dar.So wenig wie es ein Christentumsgesetz gibt, ist verständlich, dass nun ein Islamgesetz die Angelegenheiten nicht nur der IGGiÖ, sondern auch der Islamischen Aleviten behandeln soll. Damit greift der Staat in die inneren Angelegenheiten einer Kirche ein und bricht mit dem Prinzip der weltanschaulich neutralen Säkularität.

„Instutitionalisierte Islamophobie“

Das neue Islamgesetz soll die Kreation weiterer islamischer Religionsgesellschaften ermöglichen, die Ab- und Anerkennung (!) regeln, zementiert einen Generalverdacht gegen Muslime, indem die Einhaltung staatlichen Rechts über religiösem Recht gestellt wird, was die IGGiÖ ohnehin in ihrer Verfassung verankert hat. Es sollen zudem islamische Vereine nach dem Vereinsrecht aufgelöst werden, um in die IGGiÖ als aufgewertete Kultusgemeinden eingegliedert zu werden. Dieser Wunsch zur Stärkung der IGGiÖ als Zentralmacht geht aber auf ihren Präsidenten Sanac zurück. Ein Finanzierungsverbot für laufende Kosten, v.a. Imame, aus dem Ausland wurde eingeführt, was für andere Kirchen nicht der Fall ist. Dieser Auszug aus den Neuerungen im Islamgesetz, welche die Österreichische Verfassung und im Speziellen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kirchen und Religionsgesellschaften missachtet, ist Ausdruck einer institutionalisierten Islamophobie.