Annette Schavan:

„Europa ist ein schwieriger Kontinent für Religionen“

Europa und Religion. In der Geschichte war Europa ein wichtiger Ort für Religionen, doch wird das in Zukunft so bleiben? Das haben Experten bei einer Podiumsdiskussion in Paderborn besprochen.

24
11
2018
EU, Europa, Europäische Union
Die Flagge der Europäischen Union (EU) © Justus Blümer auf flickr, bearbeitet by IslamiQ

Europa ist nach den Worten der ehemaligen deutschen Botschafterin beim Vatikan, Annette Schavan, ein schwieriger Kontinent für Religion und Religionen. In der Mehrheitsmeinung herrsche die Ansicht vor, dass Religionen zwar eine große Geschichte, aber wenig Zukunft hätten, so die CDU-Politikerin am Freitag bei einer Podiumsdiskussion des Bonifatiuswerks in Paderborn. Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen diskutierten zum Thema „Jüdische, muslimische und christliche Wegmarken in Europa: Wie gemeinsam Zukunft gestalten ohne Selbstaufgabe?“.

Rabbiner Walter Rothschild erklärte, Religion und Staat gehörten nicht zusammen. Was die Religionen in Zukunft in Europa ausrichten könnten, hänge von den Religionen, nicht aber vom Staat ab. Die Idee einer „jüdischen-christlichen Zivilisation“ kommt seiner Auffassung nach zu spät: „Es gibt kaum Juden in Europa.“

Die Idee der Solidarität zu Ende denken

Eine „jüdisch-christliche Zivilisation“ sieht auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman A. Mazyek, als problematisch an. Die Muslime seien historisch betrachtet nicht nur „Zaungäste“ in Europa gewesen, sondern etwa in Spanien oder auf Sizilien im Austausch mit Christen gewesen. Gleichheit und Würde der Menschen stehe auch im Koran. Die Idee der Solidarität müsse daher konsequent zu Ende gedacht werden, auch, wenn man damit etwa beim Schutz von Flüchtlingen anecke. Auch Rothschild betonte, man solle nicht nur seinen Nächsten, sondern auch den Übernächsten lieben.

Kriege im Namen einer Religion sind den Worten Mazyeks zufolge immer ein Missbrauch der Religion. So beziehe sich der Koran auf die Thora und das Evangelium. Nach muslimischer Ansicht seien Mose, Jesus und Mohammed mit der gleichen Grundbotschaft auf die Menschen zugekommen. Nur das Gottesbild sei ein anderes.

Dem stimmte auch der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, zu. Jede Religion vertrete zwar einen Wahrheitsanspruch, aber Gott offenbare sich den Menschen auf unterschiedliche Art und Weise. Es sei der gleiche Gott, zu dem gebetet werde.

Europäischen Narzissmus ablegen

Der konfessionslose Philosoph und Schriftsteller Wolfram Eilenberger sagte, dass die Rolle Europas in der Geschichte bislang überproportional groß gewesen sei. Dass diese Zeit als „imaginiertes Zentrum“ sich dem Ende zuneige, schaffe kulturelle Unruhen. Es sei Aufgabe der Religionen, darauf aufmerksam zu machen und den „europäischen Narzissmus“ abzulegen.

Schavan forderte, dass man gläubigen Menschen anmerken müsse, dass sie an einen „Gott, der barmherzig ist“, glaubten. Der Glaube an Solidarität könne Europa voran und weg vom Nationalismus bringen. Derzeit führten 80 Prozent der Weltbevölkerung ihr Leben „glaubensbasiert“. Auch Europa müsse in dieser Gegenwart ankommen. Bischof Hein schloss sich ihr an: „Europa ohne Religion ist ein unvollständiges Europa.“ (KNA, iQ)

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Ein bunter Mix an Statements von selbsternannten Religionsexperten. Jeder sollte selber ein Experte werden für seine eigene Religiosität und sich nicht von irgendwelchen Experten vorgeben lassen, was er gefälligst zu glauben habe und was nicht. Europa soll ein schwieriger Kontinent sein für Religionen? Aber ja doch, wenn man sich die Kriminalgeschichte des Christentums vor Augen führt, ist das doch kein Wunder. Daß natürlich ein muslimischer Zentralratsvorsitzender die Rolle des Islam in Spanien und Sizilien als besonders bedeutungsvoll hervorgehoben haben will, ist nicht anders zu erwarten. Und was nun ein "glaubensbasiertes Leben" konkret sein soll, lässt diese Debatte auch offen. Viele nette Sätze und Worthülsen, fromme Wunschvorstellungen und eloquentes Referieren, das mitunter phrasenhafte Züge annimmt. Europa kein wichtiger Ort für Religionen (mehr)? Soll wohl von Mekka aus die neue Erweckung und religiöse Entflammung kommen? Sollen von dort göttlich verbundene Prediger uns allen erklären, wie die Welt funktioniert? Süßliche Illusionen, die hoffentlich nicht mit dem Schwert exportiert werden sollen.
24.11.18
17:38
Emanuel Schaub sagt:
"Alles Unerforschliche ruhig zu verehren"(ist wohl von Goethe". Das ist meine...Überzeugung ,jenseitiges kann der menschliche geist per se nicht erkennen also lieber auf das geisseste überhaupt (was uns--- hinnieden zur Verfügung steht auf das GEWISSEN das auf dem Natürlichen Zustand eines MENSCHEN basiert. gruss emanuel
26.11.18
15:09