Chemnitz

Rechtsextremisten greifen Menschen auf offener Straße an

Nach einem tödlichen Streit demonstrieren in Chemnitz am Sonntag über 800 Menschen. Im Internet haben Rechtsextremisten zur Demonstration aufgerufen. Die Stadt beendet aus Sicherheitsbedenken vorzeitig das Stadtfest.

27
08
2018
Chemnitz
Chemnitz © Facebook, bearbeitet by iQ.

In Chemnitz sind nach einem tödlichen Streit am Sonntag spontan Hunderte Menschen durch die Innenstadt gezogen. Wie die „Bild“ berichtete, sind unter den Demonstranten „gewaltbereite Rechtsextremisten“ gewesen, die gegen Ausländerkriminalität protestierten und Sprüche wie „Wir sind das Volk“ skandierten. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtete von Rangeleien. Videos in sozialen Medien zeigten Übergriffe auf Migranten. Die Stadt beendete aus Sicherheitsbedenken vorzeitig ihr Stadtfest.

AFD ruft im Internet auf die Straße

Hintergrund ist der Tod eines 35-jährigen Deutschen nach einem verhängnisvollen Streit zwischen Menschen mehrerer Nationalitäten in der Nacht zum Sonntag nach dem Chemnitzer Stadtfest. „Wenn ich sehe, was sich in den Stunden am Sonntag hier entwickelt hat, dann bin ich entsetzt“, sagte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) dem MDR. „Dass es möglich ist, dass sich Leute verabreden, ansammeln und damit ein Stadtfest zum Abbruch bringen, durch die Stadt rennen und Menschen bedrohen – das ist schlimm.“ Zunächst hatten die Veranstalter Pietätsgründe für den Abbruch des Fests angegeben.

Laut der Polizei hatte es am Sonntag mehrere Aufrufe im Internet gegeben, sich in der Innenstadt einzufinden. Den Angaben nach hatten sich daraufhin zunächst gegen 15.00 Uhr rund 100 Menschen versammelt. Dies sei störungsfrei verlaufen. Diese Versammlung ging auf einen Aufruf der Alternative für Deutschland (AfD) zurück. Dem folgte eine weitere Versammlung um 16.30 Uhr. Zu dieser Versammlung hatte laut Medienberichten die rechte Ultra-Fußballvereinigung Kaotic Chemnitz aufgerufen. Bei der zweiten Versammlung nahmen laut Polizei rund 800 Personen teil.

„Die Personengruppe reagierte nicht auf die Ansprache durch die Polizei und zeigte keine Kooperationsbereitschaft“, teilten die Beamten mit. Die Gruppierung habe sich plötzlich in Bewegung gesetzt. Die Polizei sei zunächst nur mit geringen Kräften vor Ort gewesen, hieß es weiter. Weitere Einsatzkräfte kamen zu diesem Zeitpunkt aus Dresden und Leipzig. Die Ansammlungen hatten sich am Abend nach und nach aufgelöst. Es werden laut Polizei vier Anzeigen bearbeitet, darunter zwei wegen Körperverletzung, eine wegen Bedrohung sowie eine wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Hintergrund ist ein verhängnisvoller Streit in der Nacht zum Sonntag in Chemnitz mit einem Toten. Zwei weitere Männer im Alter von 33 und 38 Jahren wurden verletzt, zum Teil schwer, wie die Polizei Chemnitz mitteilte. Alle drei sind laut den Ermittlern Deutsche. Bei dem Streit sollen Messer zum Einsatz gekommen sein.

Grund für die Auseinandersetzung noch unklar

Die Polizei hat zwei 22 und 23 Jahre alte Männer vorläufig festgenommen, die sich vom Tatort entfernt hätten. Zu deren Nationalität wollten die Beamten zunächst keine Aussage machen, da noch geprüft werde, ob und wie diese in die Auseinandersetzung involviert gewesen seien. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln wegen Totschlags. An dem Streit mit nach ersten Ermittlungen maximal zehn Personen sind laut Polizei Männer mehrerer Nationalitäten beteiligt gewesen.

Der Grund für die Auseinandersetzung ist nach ersten Informationen unklar. Ihr soll ein verbaler Streit vorausgegangen sein. Mehrere Personen waren danach vom Tatort geflohen. Informationen, die kursierten, nach denen dem Streit eine Belästigung von Frauen vorausgegangen sein soll, bestätigten sich nach ersten Ermittlungen der Polizei nicht. Die Polizei rief auf Twitter dazu auf, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen.

Das 35-jährige Opfer starb im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Die beiden anderen verletzten Männer wurden ebenfalls ins Krankenhaus gebracht. Am Sonntag wurden Zeugen vernommen, wie eine Sprecherin weiter sagte. Aus ermittlungstaktischen Gründen wollte die Polizei zunächst keine weiteren Angaben machen. (dpa/iq)

Leserkommentare

Charley sagt:
Ja, da tobt der Mob. Das zeigen auch eindrücklich die Videos auf youtube von dieser "spontanen Demo". Das erinnert sehr an SA-Truppen, die Juden in den 30er Jahren durch die Straßen jagten. Primitiv und völlig verabscheuungswürdig. Die beiden Verhafteten waren übrigens ein Syrer und ein Iraker. Auffällig dabei ist, wie völlig überfordert die Polizei mit der Situation war. Da muss die exekutive Kraft souverän wirken können. Dass die Polizei in diesen Situationen personell und von der Ausrüstung her auf verlorenem Posten steht, ist der eigentliche Skandal. Der einzelne Polizist muss immer sinnbefreiter arbeiten, während Politiker und "Vorgesetzte" sich mit moralischen und schulmeisterlichen Kommentaren eitel ins Licht setzen.
27.08.18
21:56
Ute Fabel sagt:
Rechtspopulismus und deutschnationaler Rechtsextremismus einerseits sowie islamischer Fundamentalismus und islamistischer Terrorismus andererseits stellen derzeit die größten Gefahren für die Freiheit dar.
28.08.18
10:53
Johannes Disch sagt:
Davon abgesehen, dass besonders das Bundesland Sachsen ein gravierendes Rassismus-und Neonazi-Problem hat, zeigen diese Vorfälle, dass inzwischen viele "Biodeutsche" gravierende Integrationsdefizite aufweisen.
28.08.18
11:17
grege sagt:
Extremismus der Mitte ist kein Klischee, der leider auch in anderen Communities verbreitet ist. Mit Leisetreiterei oder Verleugnen des einen Extremismus kann der andere Extremismus nicht wirksam bekämpft werden.
30.08.18
22:36