NSU-Aufarbeitung

Barbara John: „Kein Verantwortlicher wurde zur Rechenschaft gezogen“

Barbara John kritisiert, dass weiterhin kein Verantwortlicher für die Mordserie der rechten Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zur Rechenschaft gezogen wurde. Sie verlangt auch eine bessere Umsetzung der Vorschläge des Untersuchungsausschusses im Bundestag zum NSU.

04
11
2014

Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der rechten Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), Barbara John, hat anlässlich des 3. Jahrestages der Enttarnung der Gruppe um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe kritisiert, dass nur unzureichend Konsequenzen aus der Mordserie gezogen worden seien. „Von den Vorschlägen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages wurde kaum etwas umgesetzt“, sagte sie dem Kölner Stadt-Anzeiger (Dienstag-Ausgabe).

„Bei jedem Angriff auf einen Ausländer sollte beispielsweise aktiv nach möglichen rechtsradikalen Verursachern gesucht werden“, sagte John. Dies sei bei der Polizei längst noch nicht angekommen. Außerdem kritisierte John, dass nicht ein Verantwortlicher aus den Sicherheitsbehörden für die Fahndungspannen zur Rechenschaft gezogen worden sei. „Das mag sehr schwer sein. Aber es ist nicht einmal die Idee aufgekommen, überhaupt Rechenschaft zu verlangen.“

Özoğuz: Rassismus konsequenter berücksichtigen

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz (SPD), betonte anlässlich des Jahrestages, dass insbesondere „rassistische, fremdenfeindliche oder andere menschenverachtende Beweggründe und Ziele“ bei der Strafzumessung konsequenter berücksichtigt werden müssten.

„Die Arbeit der Ermittlungsbehörden muss sich weiter grundlegend ändern. Wir brauchen dringend mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in den Behörden, um die Sichtweisen nachhaltig zu erweitern“, sagte Özoğuz. Expertenwissen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft müsse öfter hinzugezogen werden. Die Ermittlungsbehörden müssten zudem Hinweise auf einen rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hintergrund besser dokumentieren und diesen nachgehen.

Weitere Unterstützung für Opferfamilien nötig

Barbara John machte auch auf die weiterhin schwierige Lage der Opferfamilien aufmerksam. „Die Familien der Opfer sind dabei, wieder in die Normalität zurückzufinden. Dabei brauchen sie weitere Unterstützung“, sagte John. Vor allem müssten sie von der Gesellschaft einbezogen werden. Dies sei immer noch nicht der Fall, obwohl die Opferfamilien neben dem Verlust ihrer Familienangehörigen auch mit falschen Verdächtigungen von den Ermittlern und Behörden konfrontiert wurden.

Der NSU wurde heute vor drei Jahren enttarnt. Auch drei Jahre nach der Aufdeckung sind viele Fragen ungeklärt. Die Terrororganisation hat zehn Morde, mindestens zwei Anschläge mit Nagelbomben und 14 Banküberfälle verübt. Mehrere Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in den Bundesländern haben versucht, das Versagen der Behörden aufzuarbeiten. Das Gerichtsverfahren gegen Beate Zschäpe und weitere mutmaßliche Unterstützer des NSU geht unterdessen weiter, wurde wegen einer Erkrankung der Hauptangeklagten heute jedoch ausgesetzt.

Leserkommentare

Andreas sagt:
Wurde überhaupt jemand von den Verantwortlichen irgendwie zur Rechenschaft gezogen für die Ermittlungspannen? Und es geht ja nicht nur um Ermittlungspannen. Der Verfassungsschutz hat doch wohl offensichtlich die Ermittlungen behindert. Das ist unglaublich und schreit nach Konsequenzen. Aber auch die Polizisten, die unfaire Ermittlungsmethoden angewandt haben, um zu Aussagen der Hinterbliebenen zu kommen, müßten zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso Politiker, die damals aktiv in die Ermittlungen eingeriffen und sie so behindert haben. Folgen keine Konsequenzen aus diesen Erfahrungen, ist das nicht gerade vertrauensbildend für unseren Rechtsstaat.
05.11.14
11:12
Mona sagt:
Ich schäme mich furchtbar, dass es zu meinen Lebzeiten so weit gekommen ist, dass Verantwortliche in Behörden und im Umfeld nicht zur Rechenschaft gezogen werden - und es scheint niemanden zu belasten! Wir traten an mit hehren Zielen in der Bundesrepublik nach dem Krieg, in den 70ern und 80ern schien alles gut zu laufen - aber dann Einbrüche bei Steuerrecht, Parteienfinanzierung u. a. Legislative, Exekutive, Judikative sollten sich gegenseitig überwachen - wo ist die Bundesanwaltschaft? Wo liegt der Fehler?
05.11.14
14:07