Debatte

Kann man die AfD verbieten?

Die AfD erlebt in Deutschland gerade einen Höhenflug. Die politischen Gegner sind ratlos. Ausgerechnet jetzt debattiert die politische Konkurrenz über ein Verbot.

06
01
2024
Symbolbild: AfD
Symbolbild: AfD © shutterstock, bearbeitet by iQ

Es ist ein heikler Fall. Kann man eine Partei juristisch ausbremsen, die in Umfragen bundesweit ein Fünftel der Wähler anzieht? Eine Partei, die in diesem Jahr in Ostdeutschland auf Wahlerfolge zusteuert und ihre politische Konkurrenz ratlos lässt? Die Debatte über ein Verbot der AfD ist in vollem Gange, begründet mit extremistischen Tendenzen in der Rechtsaußenpartei. Aber auch die Befürworter wissen, dass die rechtlichen Hürden für ein Verbot hoch und die politischen Risiken erheblich sind.

Die 2013 gegründete AfD wird inzwischen in drei Bundesländern vom jeweiligen Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ bewertet. Bundesweit gilt sie als „Verdachtsfall“. Im Verfassungsschutzbericht 2022 wird dies ausführlich begründet. So sei „schätzungsweise ein extremistisches Personenpotenzial von etwa 10 000 Personen innerhalb der AfD anzunehmen“.

Das „ethnisch-kulturell geprägte Volksverständnis“ der AfD stehe im Widerspruch zur Offenheit des Volksbegriffs des Grundgesetzes, heißt es im Bericht. Es würden „rechtsextremistische und verschwörungstheoretische Narrative bedient“ sowie „ausländer- und muslimfeindliche Positionen“. Auch gebe es Anhaltspunkte für antisemitische Positionen, darüber hinaus „Diffamierungen und Verunglimpfungen politischer Gegner sowie des Staates und seiner Repräsentanten“.

Die AfD wehrt sich juristisch gegen die Einstufung als Verdachtsfall und wirft dem Verfassungsschutz vor, die Partei aus politischen Gründen zu diskreditieren. Die AfD werde zur «politisch Verfolgten gemacht», sagte Parteichefin Alice Weidel letztes Jahr dem «Stern». Zur Debatte über ein Verbot will die Partei nichts sagen.

Wer will ein Verbot der AfD?

Befürworter gibt es in fast allen demokratischen Parteien, allerdings nicht durchgängig. In der SPD ist Parteichefin Saskia Esken eher dafür, der Ostbeauftragte Carsten Schneider dagegen. In der CDU plädiert der Sachse Marco Wanderwitz für ein Verbot, der Parteichef Friedrich Merz nicht. Auch Befürworter äußern sich oft vorsichtig abwägend und räumen ein, dass eigentlich politische Argumente gegen die AfD zählen sollten. Doch sagt der Grünen-Politiker Konstantin von Notz auch: „Die AfD ist eine unsere Demokratie zutiefst verachtende Partei.“ Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan nennt die AfD eine „Gefahr für die Demokratie“ und meint: „Die Option eines Parteienverbotes darf nicht voreilig aus der Hand gelegt werden.“

Warum starten die Befürworter nicht einfach ein Verfahren?

Das Grundgesetz setzt hohe Hürden, denn Parteien stehen unter dem Schutz der Verfassung. Verbotsanträge können die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat stellen. Es entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Voraussetzung für ein Verbot ist, dass die Partei „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger“ beabsichtigt, «die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden».

Seit Gründung der Bundesrepublik gab es erst zwei Parteiverbote: 1952 trifft es die Sozialistische Reichspartei (SRP), der Wesensverwandtschaft mit der NSDAP attestiert wurde. 1956 folgt die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), deren Ziel es ist, eine „Diktatur des Proletariats“ zu errichten.

Welche Rolle spielt das jüngste NPD-Verbotsverfahren?

Ein von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beantragtes Verbot der rechtsextremen NPD (heute: Die Heimat) scheiterte hingegen vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Richter stellten 2017 zwar fest, die NPD vertrete „ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept“. Doch fehle es „an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt“. Kurzum: Es reicht nicht, dass eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es muss auch plausibel sein, dass sie sie erreichen kann.

Das NPD-Urteil dient jetzt Gegnern wie Befürwortern eines AfD-Verbots als Argumentationshilfe. Die einen sagen: Es dürfte auch im Fall der AfD schief gehen. Die anderen meinen: Anders als die NPD ist die AfD inzwischen so groß, dass das Kriterium „könnte Ziele durchsetzen“ erfüllt wäre. Wie immer in juristischen Fragen ist der Ausgang offen.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang warnt davor, ein mögliches AfD-Verbotsverfahren politisch zu instrumentalisieren. „Ein Verbotsverfahren darf niemals parteipolitisch motiviert sein, sondern muss vom ersten Verfahrensschritt an von den für ein Verbot erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen getragen sein“, sagt die CDU-Politikerin.

Was sagen die Gegner eines Verbotsverfahrens gegen die AfD?

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hält ein Verbotsverfahren „verfassungsrechtlich für nahezu aussichtslos und politisch problematisch“. Um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, müsse man politische Lösungen anbieten.

Der Düsseldorfer Parteienforscher Thomas Poguntke sieht das genauso. „Ich halte es nicht für den richtigen Weg, dass man eine Partei verbietet“, sagt Poguntke der Deutschen Presse-Agentur. „Ein erheblicher Teil der Wähler der AfD ist nicht rechtsextrem. Die muss man zurückgewinnen auf politischem Wege.“ Dazu müssten Parteien kritisch hinterfragen, ob sie wirklich Politik für die Mehrheit der Wähler machten. Andernfalls müssten sie bessere Lösungen anbieten. „Dadurch ließe sich für die Demokratie mehr erreichen, als durch ein Verbot.“

Aber auch die Politikwissenschaft ist uneins. Man müsse alle Optionen diskutieren, um den Schutz des liberalen Rechtsstaat zu garantieren, sagt der Magdeburger Rechtsextremismusexperte Matthias Quent. Das schließe auch eine Debatte über ein Verbotsverfahren ein. Diese sollte nicht anhand von Umfrageergebnissen oder Wahlterminen geführt werden, sondern anhand konkreter Befunde, sagt Quent. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Minimalist sagt:
Eine interessante und wichtige Debatte zum Thema AfD-Höhenflug stoppen und juristisch ausbremsen. Extremistische Tendenzen sind immer und überall ein Warnsignal. Eine Bewertung als "gesichert rechtsextremistisch" ist keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen. Und bei einem geschätzten extremistischen Personenpotenzial von etwa 10.000 Personen innerhalb dieser Partei sollte man auf jeden Fall sehr wachsam werden. Dasselbe muß allerdings auch bei extremistischen Tendenzen gelten, die sich im islamischen Spektrum unserer Gesellschaft zeigen. Dort gibt es leider auch ein extremistisch ausgerichtetes Personen- und Gefährderpotenzial, das als "gesichert islamextremistisch" bewertet werden kann. Und dieses vertritt zum größten Teil eine Position, die mit einer exzessiven und tiefen Verachtung westlicher Demokratien einhergeht. Mit dem Ziel einer Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Der Schutz des liberalen Rechtsstaats muß daher oberste Priorität haben. Ein islamisch-fundamentalistisch organisiertes Staatswesen mit radikaler Scharia-Justiz und expliziter Machtkonzentration in den Händen einiger Islam-Autoritäten & Polit-Geistlcher ist der Traum mancher Weltveränderer und Aufwiegler. Solche Träume müssen mit Entschiedenheit zum Platzen gebracht werden. Daran führt kein Weg vorbei. Die Welt sei davon frei. Gefährdungen sind keineswegs nur im Parteienspektrum auszumachen. Das darf nicht übersehen oder vertuscht werden.
07.01.24
18:25