Muslime in Athen:

„Christen gehen in die Kirche, wir in den Keller“

Athen ist die einzige EU-Hauptstadt ohne offizielle Moschee. Ende des Jahres soll ein Gotteshaus eröffnet werden – bis dahin treffen sich die Muslime zum Beten in Kellern, Garagen und Lagerräumen.

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2017
Athen © flickr/CC 2.0/Andy Montgomery

Eine schummrige Seitengasse im Stadtzentrum, vergitterte Fenster, Mülltonnen. Hinter einer Stahltür führt eine geflieste Treppe hinab ins Untergeschoss. Dort verbirgt sich einer der geschätzten 100 privat organisierten Gebetsräume für Muslime in Athen. Die Versammlungsräume finden sich in Kellern, Garagen und Lagerhallen, der kahle Beton ist notdürftig dekoriert, Neonröhren dienen als Beleuchtung. Seit Jahren ist in Athen eine Moschee geplant. Nun wurde sie gebaut, doch der Eröffnungstermin steht in den Sternen.

„Dass es in Athen eine Moschee gibt, werde ich erst glauben, wenn ich dort gebetet habe“, sagt Naim Elghandour. Der 62-Jährige stammt aus Ägypten, lebt seit über 40 Jahren in Griechenland und ist längst griechischer Staatsbürger. Gemeinsam mit seiner griechischen Frau Anna Stamou kämpft er als Vorsitzender der „Muslimischen Vereinigung Griechenlands“ nicht nur für den Bau einer Moschee, sondern vor allem für die Akzeptanz von Muslimen in dem zu mehr als 90 Prozent christlich-orthodoxen Land.

Die Orthodoxie ist in der griechischen Verfassung als vorherrschende Religion festgeschrieben – genauso aber auch die freie und ungehinderte Ausübung aller anderen Religionen. Dass viele Griechen der neuen Moschee im Athener Stadtteil Votanikos dennoch äußerst kritisch gegenüber stehen, zeigt ein kurzer Besuch am Gelände: Der Neubau versteckt sich hinter meterhohen, mit Stacheldraht verkleideten Wellblechwänden. An der martialischen Absperrung prangen Grafitti: christliche Symbole, Aufschriften wie „Nein zur Moschee“ oder auch „Griechenland ist das Land der Heiligen, Märtyrer und Helden“.

Vor allem die rechtsradikale griechische Partei „Chrysi Avgi“ (Goldene Morgenröte) macht den Bau der Moschee immer wieder zum Thema und hat vor der Baustelle auch schon Demonstrationen organisiert. Vier Mal musste das Projekt ausgeschrieben werden, bevor sich ein Bauunternehmer fand. Aber auch einige Griechen sind kritisch. „Die wollen uns unterwandern“ oder „Ich möchte mal sehen, ob sie uns in arabischen Ländern eine orthodoxe Kirche bauen lassen“, heißt es oft quer durch alle Gesellschaftsschichten, wenn das Thema zur Sprache kommt.

Dennoch genehmigte das griechische Parlament bereits im Jahr 2006 den Bau einer Moschee für die geschätzten 200 000 Muslime, die in der Region Attika in und rund um die Hauptstadt leben. Dass das neue Gebäude nur Platz für 350 Gläubige bietet, quittiert Naim Elghandour mit einem Schulterzucken. „Sie verspotten uns“, sagt er über seine griechischen Landsleute. „Sie gehen zum Beten in die Kirche, ich in den Keller.“

Die Missstimmung führt auch dazu, dass sich der Eröffnungstermin für die so gut wie fertig gestellte Moschee immer wieder verzögert. Statt April 2017 berichten griechische Medien nun von einer Eröffnung im Dezember dieses Jahres. Zankapfel ist vor allem die Besetzung eines Komitees, das den künftig für die Moschee zuständigen Imam ernennen soll. „Wir haben angeboten, uns zusammenzusetzen. Wir hätten schon längst einen Imam organisiert, der vor seinem Amtsantritt auch Zeit gehabt hätte, Griechisch zu lernen“, schildert Elghandour seine Sicht der Dinge. Doch auf das Angebot seiner Vereinigung sei nicht eingegangen worden.

An hohen Feiertagen organisieren Elghandour, seine Frau und andere Aktivisten große Veranstaltungshallen, in denen die Menschen zusammentreffen, beten und feiern können. Alternativ müsse die Familie bis nach Istanbul reisen, sagt Anna Stamou. „Ich möchte, dass meine Kinder diese Feiertage angemessen erleben – und nicht durch die Garage in einen kleinen Gebetsraum schleichen müssen“, begründet sie den Aufwand.

Dass es kein Zustand ist, wenn religiöse Menschen im Keller beten müssen, sieht grundsätzlich auch die amtierende Linkspartei Syriza so. Doch politische Analysten schätzen, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras auf einen Schlag Zehntausende Wahlstimmen verlieren könnte, wenn er sich mit der Kirche überwirft.

Dabei haben sich die griechischen Kirchenoberhäupter mittlerweile mit dem neuen Gotteshaus abgefunden – zumal es in einer versteckten Gegend der Hauptstadt angesiedelt ist. Ursprüngliche Pläne, die Moschee auf der Strecke vom Flughafen zur Innenstadt zu bauen, waren nämlich auf starke Gegenwehr gestoßen. Schließlich hätten Athen-Besucher dann als einen der ersten maßgeblichen Eindrücke eine Moschee gesehen.

Auch ein Minarett wird der Neubau nicht erhalten, doch damit haben sich die Muslime abgefunden. Schwerer wiegt für sie ein anderer Sachverhalt: Sie haben in Athen und der Region Attika keinen Friedhof. Wer seine Angehörigen begraben will, muss den Verstorbenen in die nordostgriechische Region Thrakien bringen. Dort gibt es für die muslimischen Minderheiten in den Städten Xanthi und Komotini Moscheen und auch Friedhöfe. Nicht nur geografisch ist man davon in Athen noch weit entfernt. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Gisa sagt:
Was ist mit den Christen in Saudi Arabien? Ach ja, die wurde ja bereits vor langer Zeit vertrieben. Jetzt gibt es nur noch die christlichen Gastarbeiter, denen aber eine Kirche nicht zugestanden wird. Muslime dürfen gerne mit dem Jammern aufhören. Solange sie den anderen nicht die gleichen Rechte gewähren, die sie für sich fordern, muss man ihnen auch nichts geben. Die haben bei uns sowieso schon viel mehr Rechte, als wir bei ihnen. Es ist schlimm, wenn Täter ständig behaupten, dass sie Opfer sind.
08.08.17
12:17
Ute Fabel sagt:
Viele Menschen mit türkischen Migrationshintergrund sind überzeugte Kemalisten. Auf die säkulären und laizistische Errungenschaften sind viele türkischstämmige Mitbürger besonders stolz. Islamverbände können keinen Universaltvertretungsanspruch für alle Türken in Anspruch nehmen. Wichtig ist daher, dass auch kemalistische Vereine gefördert werden, deren Aktivisten sichtbar werden und als Ansprechpartner für Politiker in Integrationsfragen herangezogen werden
08.08.17
13:06
Manuel sagt:
Und in den meisten islamischen Ländern werden Christen entweder verfolgt oder bis auf's Blut diskriminiert, also weniger Wehleidigkeit.
09.08.17
18:16
Charley sagt:
Diese Selbstbemitleidung von Muslimen hier auf islamiq ist nicht auszuhalten! Ständig wird von Religionsfreiheit geredet und tief beleidigt diese eingefordert... für sich hier in Deutschland. Wie einseitig und egoistisch (!!!!) diese Auffassung dieses Grundrechts des Menschseins ist, wird überdeutlich durch das SCHWEIGEN zu den eklatanten Missständen in der Türkei (und anderswo): Die Türkei hat im Südosten des Landes mehr als 50 Kirchen und Klöster sowie deren Liegenschaften und Friedhofsgrundstücke beschlagnahmt. In der Region leben seit fast 2000 Jahren aramäische Christen, die auch noch die Sprache Jesu sprechen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Aramäer in Deutschland (Heidelberg) wurden sie der türkischen Religionsbehörde Diyanet übertragen. Ihr Vorsitzender, Daniyel Demir, sprach gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea von einem beispiellosen Vorgang. Die Entwicklung im Kernland des Christentums sei dramatisch. Eine solche Enteignungswelle habe es noch nicht gegeben. Nun könne die Behörde aramäisches Kulturerbe aus den frühen Jahrhunderten „an Dritte veräußern, in Museen verwandeln oder auch zu Moscheen umwidmen“. Es sei zudem unklar, ob die Christen künftig eine Genehmigung beantragen müssen, wenn sie in ihren Kirchen Gottesdienst feiern wollen.......... Ich hör mit hier nix mehr an von wegen Religionsfreiheit, wenn diese nicht für
09.08.17
21:01
Charley sagt:
.... alle Menschen, auch die anderer Religion... überall, auch in der Türkei gefordert wird. So hat das "Religionsfreiheit-Fordern" der Muslime hier immer den Beigeschmack, dass man nur die Dummheit der Europäer, so etwas zu erlauben, klug für seine eigenen Interessen ausnutzt. Religionsfreiheit ist ein Grundrecht des modernen Menschen... und als solches eingefordert, muss (!) islamiq für das Nichtgewähren dieser Freiheit für alle massiv und entschieden die Türkei kritisieren. Sonst hat islamiq 1.) die Religionsfreiheit noch gar nicht begriffen und 2.) nur in egoistischer Weise benutzt!
09.08.17
21:03
Charley sagt:
..........Zum Opfer der aktuellen Enteignungen wurde auch das berühmteste Kloster der Türkei, Mor Gabriel aus dem Jahr 397, nahe der Stadt Midyat. Die Abtei ist eine der weltweit ältesten und eine der wenigen, die seit mehr als 1600 Jahren aktiv genutzt werden. Die Kloster-Stiftung wurde selbst während der Enteignungen von Minderheitenbesitz nach Gründung der Republik Türkei 1923 gesetzlich geschützt. Kaum eine Stiftung religiöser Minderheiten in der Türkei verfügt über so umfangreiche staatliche Schutzurkunden. Das alles soll nun offenbar nicht mehr gelten. ..... Dass die Türkei damit sich einreiht in den Kulturbarbarismus der Taliban ist vielleicht noch wert beachtet zu werden.
09.08.17
21:07
Charley sagt:
Kulturbarbarei (der Taliban) heißt der Titel richtig, den sich die Türkei nun umgehängt hat.
09.08.17
21:08
Kritika sagt:
Schreiben Sie einen Kommentar...
10.08.17
14:16
Dilaver sagt:
@Charley Nicht auszuhalten ist vielmehr Ihr Türkenhass, den Sie auf alten Geschichten und Halbwahrheiten begründen. Sie gehen entschieden zu weit damit. Deswegen haben Sie kein Recht dazu, in Freiheit zu sein.
10.08.17
15:28
Kritika sagt:
L.S. Um die Geschichte gerecht beurteilen zu können, muss man beide Seiten hören. Also was sagen die Griechen dazu? ZB: → Hat Griechenland etwa schlechte Erfahrung gemacht mit Muslims - wie Deutschland - und wollen sie Muslims deshalb nicht fördern? → Wie steht es um den Einfluss der Türkei auf Muslims und Mocheen in Griechenland? → Können vielleicht die Griechen keine Kopftücher leiden und befürchten, der öffentliche Raum bleibe nicht mehr neutral? Spielt da mit hinein, dass die Türkei ein Teil von Zyprus mit Soldaten völkerrechtswidrig besetzt hält? oder dass die Türkei Anspruch auf Griechische Inseln erhebt und sogar an Bodenschätze in Territorialen Seegebiete von Zyprus, (sogar auf der Türkei abgewandten Seite) beteiligt sein will? «Tout comprendre c'est tout pardonner» sagen die Fransosen und damit haben die Recht. Gruss, Kritika
10.08.17
15:47
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