Interview

„Die AfD agiert gegen den Geist des Grundgesetzes“

„Heute wir, morgen du!“, warnt die Petition, die der Frankfurter Islamwissenschaftler Bekim Agai gestartet hat. Sie mahnt zum gemeinsamen Einsatz für das Grundgesetz und wendet sich „gegen die politische Instrumentalisierung des Islams durch die AfD“. Was er sich davon erhofft und warum die Debatte nicht nur Muslime betrifft, erklärt Agai im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

06
06
2016
Das Bild zur Petition. © https://www.openpetition.de/petition/online/gemeinsam-fuer-das-grundgesetz-und-gegen-die-politische-instrumentalisierung-des-islams-durch-die-af, bearbeitet by IslamiQ.

KNA: Herr Professor Agai, was war der entscheidende Anstoß für die Petition?

Agai: Die Idee ist rund um den AfD-Parteitag entstanden. Es ging nicht nur um das Programm, das dort verabschiedet wurde, sondern auch darum, dass Muslime in Deutschland sich von der AfD eine Debatte aufdrängen lassen.

KNA: Worüber?

Agai: Darüber, was der Islam „wirklich“ ist. Diese Debatte ist mit der AfD indes schwerlich zu führen, weil sie die Lebenswirklichkeiten und Haltungen der in Deutschland lebenden, arbeitenden, steuerzahlenden und sich gesetzkonform verhaltenden Muslime außen vor lässt und ignoriert. Die Partei bezieht sich auf einzelne Stellen aus dem Koran, Geschehnisse in Saudi-Arabien oder Extremisten hierzulande, um Muslime hier unter Generalverdacht zu stellen, die hiermit nichts am Hut haben.

KNA: Was möchten Sie mit der Petition bewirken?

Agai: Für uns als Erstunterzeichnende – und für viele andere – ist Deutschland das Land, in dem wir leben und das wir gestalten möchten. Die Basis dessen ist nicht ein rückwärtsgerichtetes Islamverständnis, wie es uns die AfD unterstellt, sondern das Grundgesetz. Wir möchten zugleich verdeutlichen, dass die AfD nicht nur gegen den Islam agiert, sondern gegen den Geist des Grundgesetzes insgesamt. Der Islam ist ein vorgeschobenes Argument dafür, dass sich eine Gruppe dazu aufschwingt, Grundfreiheiten nach eigenem Empfinden zu vergeben. Damit geht es im Kern nicht um den Islam, es geht um die Idee eines anderen Deutschlands. Darauf wollten wir hinweisen.

KNA: Woran machen Sie das fest?

Agai: Die Äußerungen von AfD-Vize Alexander Gauland über Nationalspieler Jerome Boateng zeigen, in welche Richtung sich die Partei bewegt. Menschen mit Kollektivmerkmalen zu versehen und Ressentiments zu bedienen – dagegen müssen wir uns wenden. Heute betrifft es die Muslime, morgen die Farbigen, und übermorgen können es die Juden oder alleinerziehende Frauen sein.

KNA: Nach dieser Äußerung wurde auch Kritik an den Medien laut, sie würden der AfD zu viel Raum bieten. Wie sehen Sie das?

Agai: Die Medien – in erschreckender Form das Fernsehen – lassen sich Themen aufdrängen. Falsche Thesen werden durch Wiederholungen nicht besser. Wer auf eine Frage nicht antwortet, sondern nur Parolen unterbringt, sollte entlarvt werden.

KNA: Andererseits sitzt die AfD in mehreren Landesparlamenten. Wie kann eine sachliche Debatte gelingen?

Agai: Es ist die Aufgabe von Politik, Zivilgesellschaft und auch Religionsgemeinschaften, diese Debatte zu führen. Wenn wir sie nicht führen, geben wir diesen Haltungen Recht. Viele Muslime sitzen derzeit vor dem Fernseher wie das Kaninchen vor der Schlange: Es wird über sie gesprochen, ohne dass sie sich als Bürger dieses Landes in den Diskussionen wiederfinden; es werden immer wieder unwidersprochen Thesen vertreten, die ihre Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft in Frage stellen.

KNA: Wie meinen Sie das?

Agai: Wenn sich ein Jugendlicher eine TV-Debatte anschaut, in der er seine Lebenswelt, seinen Bezug zu Deutschland nicht wiederfindet, dann ist die Frage, warum er nicht den arabischen oder türkischen Fernsehsender wählen soll. Die AfD ist auf dem besten Weg dahin, diejenigen von Deutschland zu entfremden, für die der Islam, Demokratie und die deutsche Verfassung zusammen gehören – indem sie letztlich die Parolen der Salafisten von der Unvereinbarkeit von demokratischen Werten und dem Islam wiederholt. Und das ist ja offenbar auch das Ziel der ganzen Sache.

KNA: Experten kritisieren, dass generell über den Islam nur ein Halbwissen herrsche. Stimmt das?

Agai: Extreme bauen immer auf Positionen auf, die auch in der Mitte anzutreffen sind. Eine generelle Skepsis und Furcht vor dem Islam sind auch über die AfD hinaus verbreitet. Deshalb ist es uns wichtig, ein Signal in die Mitte zu senden: Leute, wir müssen uns engagieren, sonst nehmen andere das Heft in die Hand. Wir können uns nicht Werte auf die Fahne schreiben – und sie auch im Ausland einfordern -, die wir im Inneren gerade selbst preisgeben.

KNA: Im Gegensatz zu den Kirchen haben die Muslime keine zentrale Organisationsstruktur. Erschwert das die Kommunikation?

Agai: Ob Muslime in Verbänden organisiert sind, ist unabhängig von der Frage, wie es um die Religionsfreiheit in Deutschland bestellt ist. Deshalb haben wir die Petition unabhängig von Organisationsformen gestartet. In Deutschland leben Millionen von Muslimen, die unterschiedliche Lebensentwürfe haben, in unterschiedlichen Berufen arbeiten und sich politisch oder in Vereinen unterschiedlich einbringen. Sie gehen schnell unter in einer Diskussion, die allein auf Organisationsstrukturen blickt.

KNA: Was könnten die Kirchen zu dem Dialog beitragen, den Sie anstoßen wollen?

Agai: Die Kirchen tun bereits sehr viel. Sie wissen, dass man nicht nur teilweise religions- und menschenfeindlich sein kann. Der Schutz der abendländischen Kultur ist ein Vorwand für die AfD und Pegida. Es ist daher wichtig, dass die Kirchen im Dialog mit der Gesellschaft bleiben. Sie sollten weiterhin darauf hinweisen, dass im Abendland die Religionsfreiheit nicht aus einem christlichen Konsens heraus entstanden ist. Sie ist vielmehr in einer Zeit entstanden, in der die interkonfessionellen Unterschiede so groß waren, dass man versuchen musste, einander trotz Unterschieden zu achten. Ein homogenes christliches Abendland mit einer konfliktfreien Geschichte, bis die Muslime kamen, ist eine Fiktion. Zentrale Errungenschaften des Abendlandes sind entstanden, weil man unterschiedlich ist und gleichzeitig diese Gesellschaft gemeinsam gestaltet. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Manuel sagt:
@Andreas: Genau, sprecht jener, bei dem jeder gleich ein böser Islamphobiker ist, wenn man fordert, dass sich auch Moslems unserer Kultur anzupassen haben und ständig Extra-Würste für Moslems fordert, weil ihnen einmal dies, dann wieder das nicht passt.
23.06.16
15:08
Sarah sagt:
Der Islam muss sich nicht rechtfertigen. Wenn er euch nicht passt, was wollt ihr dann machen? Einen Genozid gegenüber alle Muslime? Die Welt ist vergänglich, wir besitzen nichts auf dieser Erde, weder Land, noch Material oder profitiert irgendeiner, wenn er stirbt von seinem Reichtum, Ruhm oder Macht? Wenn ja dann bitte beweisen, dass wäre amüsant! Anstatt immer um den heißen Brei zu reden, sagt doch direkt, dass ihr Muslime hasst, oder habt ihr Angst? Wenn ja, wovor bitte? Keiner wird euch von den Muslimen umbringen wie in den Medien gesagt wird. ihr regt euch alle umsonst über lächerliche Einzelheiten auf. Werdet gebildeter und diskutiert über Dinge, die die Menschheit vorantreibt und nicht Kriege und Streitigkeiten auslöst.
25.06.16
18:56
Horst sagt:
An Sarah: Man könnte z.B. die Muslime in ihre Heimatländer zurückschicken. Notfalls muss man ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkennen. Mit den Beweisen ist das so eine Sache. Eben sowenig lässt sich beweisen, dass Mohamed der Gesandte Gottes war oder dass es Gott überhaupt gibt. Dass es im Koran steht ist nun wirklich kein Beweis.
27.06.16
13:24
Manuel sagt:
@Sarah: Sehr weit in gesellschaftlicher Hinsicht, wirken die islamischen Ländern nicht unbedingt! Ihr Moslems verlangt ja auch ständig, wir müssten eure Kultur respektieren, wieso könnt Ihr nicht endlich unsere Kultur respektieren und euch anpassen.
27.06.16
18:41
Sarah sagt:
@manuel tada da haben wir einen Rassisten :D der Islam hat also ein Land ja? Wo liegt das denn, wenn ein deutscher arischen Stammes zum Islam konvertiert. Wo muss er dann hin? Europa ist kein Land, in der viele freiwillig von Süden her kommen wollen. Die arabische Kultur und ganz viele andere Länder auf dieser Welt sind weit aus reicher als Europa. Nimm dir dazu ein paar Geschichtsbücher. Wobei es wissenschaftlich bewiesen wurde, dass Rassisten inkompetenter sind. Dir ist sowieso nicht zu helfen, bei deiner aggressiven Haltung, behauptest du auch noch dass ihr die Engel seid und die Muslime nicht. Ist echt lächerlich. @manuel. Woher kommt das bloß, vielleicht durch die Kolonialisierung durch die Europäer, die in den Süden gezogen sind, weil sie nicht das hatten oder erträumen könnten, was die restlichen Teile der Welt haben. Zumal die nicht mal freiwillig gereist sind, die hatten nicht mal eine Landkarte. Die Landkarte wurde ihnen von einem Reisenden Araber geschenkt. Bis heute raubt ihr all diese Schätze der Welt, zerstört Umwelt und Natur und unterdrückt Menschen, startet Kriege, ich erwähne hier bewusst den Ort Rammstein. Ihr müsst es einsehen, dass in eurer Bibel, falls ihr überhaupt Christen seid, sehr viel brutales und ungerechtes steht. Vorallem gegenüber Frauen. ihr seid diejenigen, danke auch an Horst, der es bewiesen hat, die Menschen anderer Religionen nicht tolerieren und die moralischen Werte und Gedanken des Kolonialismus sehr schätzen und danach leben.
28.06.16
12:18
Mads sagt:
@Sarah: Als hätte sich der Islam nicht militärisch ausgebreitet. Es ist ja nicht so, dass friedliche Missionare von Mekka aus losgezogen wären, um die Menschen zu überzeugen. Erst kamen die militärischen Eroberungen, dann haben die Menschen in den eroberten Gebieten aus unterschiedlichen Gründen den Islam angenommen. Meist wegen materieller Vorteile. Was die islamischen Länder angeht, so gibt es sie natürlich. Der Islamische Staat ist ein solches, auch wenn er bisher von anderen Staaten nicht anerkannt wurde. Oder die Islamische Republik Iran. Aber auch das Königreich Saudi Arabien hat über allem Recht die Scharia als oberstes Recht. Und die Türkei strebt inzwischen auch wieder dahin, ein Kalifat zu errichten, in dem sie dann, wie in der guten alten Zeit des Osmanischen Reiches, über alle Muslime wacht. Die Araber gieren schon danach, endlich wieder von den Türken unterjocht zu werden.
29.06.16
10:52
Manuel sagt:
@Sarah: Man sehe sich nur die Situation der religiösen Minderheiten in der Islamischen Welt an, dann reden wir weiter, wer da Rassisten sind.
03.07.16
21:03
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