Bayern

Wenn die letzte Ruhe zum Problem wird

Eingewickelt in ein Leinentuch, das Gesicht Richtung Mekka: So beerdigen Muslime ihre Toten. In Bayern ist das ein Problem, denn hier herrscht Sargpflicht – ein Gesetz, das islamische Bestatter immer wieder vor eine große Herausforderung stellt.

10
03
2018
Symbolbild: Ein muslimisches Grabfeld
Symbolbild: Ein muslimisches Grabfeld © by Sludge G auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

Salih Güler hat es mittlerweile aufgegeben, sich über die „Obrigkeiten“ in Bayern aufzuregen. „Da entscheiden Personen, die keine Ahnung von der Materie haben, über unsere Köpfe hinweg“, sagt er. „Die wissen gar nicht, welch‘ eine Last es ist, unseren Trauernden diese Regelung der Sargpflicht zu erklären.“ Denn nach islamischem Ritus werden Verstorbene nur in einem Leinentuch eingewickelt beerdigt. Dabei wird der Leichnam so gedreht, dass die rechte Seite des Körpers nach Mekka ausgerichtet ist – mit einem Sarg nur schwer möglich. 

Kapazitäten sind knapp

„Mittlerweile sind wir da erfinderisch geworden, was bedeutet, dass wir den Sarg ein wenig drehen oder den Leichnam darin“, sagt Güler, der seit 2010 ein islamisches Bestattungsunternehmen in München führt. Rund 200 Verstorbene beerdigt er pro Jahr in ganz Bayern, Tendenz steigend. „Manchmal bekomme ich so viele Aufträge auf einmal, dass ich mich am liebsten vierteilen würde.“ Aufgrund der großen Nachfrage werde auch die Kapazität auf den Friedhöfen allmählich knapp. 

Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums gibt es in zahlreichen Gemeinden muslimische Grabfelder auf den Friedhöfen. Allerdings werde keine Statistik zur genauen Anzahl der Gräber sowie der Bestattungen in den vergangenen Jahren geführt. Auch die städtischen Friedhöfe in München erheben dazu laut Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt keine Daten. Dennoch habe es zum Stichtag 23. Mai 2017 genau 1640 Familiengrabstätten, 234 Kinder- sowie 56 Fötengräber auf dem Wald- und dem Westfriedhof sowie dem Neuen Südfriedhof gegeben. 

Muslime wollen in Deutschland beerdigt werden

In etwa der Hälfte aller Fälle wollen die muslimischen Bürger im Freistaat beerdigt werden, der Rest entscheide sich für eine Überführung des Leichnams in die Heimat, sagt Güler. „Viele Muslime sehen mittlerweile ihr Zuhause in Bayern, sind aus krisengebeutelten Ländern wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan vor Jahren hierhergekommen.“ Oft fehle auch der Bezug zur Heimat, weil die Menschen dort keine Angehörigen mehr hätten.“ 

Bürger mit türkischen Wurzeln hingegen ließen ihre Toten überwiegend überführen. „Die ältere Generation hat vor Jahren in eine Art Sterbegeldkasse eingezahlt, die die gesamten Kosten in einem Todesfall übernimmt“, erklärt der Bestatter. Generell sei auch immer die Frage entscheidend, wie die Menschen in Bayern aufgenommen wurden. „Viele haben sich nicht zuhause gefühlt, konnten aber aus verschiedenen Gründen nicht zurück und haben dann gesagt: Wenn ich schon nicht lebendig zurückkehre, dann wenigstens mein Leichnam.“ Dennoch nimmt die Zahl derer, die in Bayern beerdigt werden wollen, laut Güler zu. 

Bayern hält an Sargpflicht fest

Warum der Freistaat aber dennoch so vehement an der Sargpflicht festhält, ist für den 39-Jährigen noch immer ein Rätsel. „In anderen Bundesländern klappt es ja auch.“ Doch der Freistaat bleibt hartnäckig. „In Bayern gibt es eine gewachsene Bestattungskultur – und dazu gehört die christliche Tradition einer Sargpflicht“, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Und diese Tradition soll auch künftig erhalten werden. 

Die Staatsregierung sei dennoch dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach individuellen Bestattungsformen nachgekommen. „Angehörige des muslimischen Glaubens können ihren islamischen Bestattungsriten bereits heute im Freistaat in angemessenem Rahmen nachgehen“, betont Huml. So seien ein zusätzliches Leichentuch neben der Sargpflicht wie auch Ausnahmen der Bestattungsfrist in begründeten Fällen möglich. In Bayern ist die Ruhezeit auf eine bestimmte Zeit begrenzt, im Islam hingegen gilt die ewige Ruhe.

Fortschritt ist trotzdem erkennbar

Zwar ist laut Güler bereits viel erreicht worden, etwa die Einrichtung von rituellen Waschräumen auf den Friedhöfen sowie die Erweiterung der ausgewiesenen Grabfelder. Für den 39-Jährigen reicht das aber nicht: „Es wird immer von Religionsfreiheit gesprochen, aber die existiert für mich nur auf dem Papier.“ Bayern sei auch ein Bundesland, in dem die Muslime in wirtschaftlicher Hinsicht sehr präsent seien, man denke nur an die Geschäfte und Abkommen mit der Türkei. Für den Bestatter gibt es nur einen Grund, warum Bayern so vehement an der Sargpflicht festhält: Geld. „Würde das Gesetz aufgehoben, dürfte es auch bei der Feuerbestattung keine Särge mehr geben – und das bringt natürlich weniger Geld in die Kasse.“

Letzte Ruhe ohne Probleme ermöglichen

Ein weiteres Problem sei die Zeit. Nach islamischen Vorschriften müsse der Leichnam binnen 24 Stunden beerdigt werden. „Da bekommen wir Probleme mit den Öffnungszeiten des Friedhofs, denn wir können nicht rein und die Gräber selbstständig öffnen“, erklärt der 39-Jährige. Besonders an den Wochenenden bestehe keine Möglichkeit einer Bestattung, da Beerdigungen in Deutschland nur unter der Woche stattfinden. „Aber der Tod kennt kein Wochenende.“

Auch bei der Überführung des Leichnams gebe es Probleme, an Wochenenden oder Feiertagen die nötigen Papiere der Ämter zu bekommen. „Manche Großstädte wie München haben dafür einen Notdienst eingerichtet, bei kleineren Gemeinden wird es da schon schwieriger.“ Gülers größter Wunsch ist es, dass Bayern endlich von der Sargpflicht absieht, denn eine Bestattung, egal in welcher Religion, soll ohne Ärger ablaufen, „schließlich geht es hier um die letzte Ruhe eines Menschen.“ (dpa-Katrin Kretzmann, iQ)

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Der Islam in all seinen Varianten will die europäische Kultur auf allen Ebenen immer mehr umkrempeln und verändern. Das ist das eigentliche Problem.
11.03.18
10:59
Mohammad Al-Faruqi sagt:
@ Frederic Voss Über Ihre tendentiell islamfeidliche Unterstellung, dass "Der Islam in all seinen Varianten die europäische Kultur auf allen Ebenen immer mehr umkrempeln und verändern will." kann man nur staunen, verrät sie doch eklatante Wissensmängel hinsichtlich der christlichen Religionsentwicklung- und -geschichte. Wenn Muslime mittels der sargfreien Bestattung ihrer Toten denn überhaupt etwas erreichen wollten, dann ist es vielleicht die Wiederbelebung einer christlich-jüdischen Beerdigungstradition, die laut Bibel bei der Bestattung Jesu vollkommen sargfrei (!) erfolgte. Hierzu der entsprechende Auszug aus der Bibel, Markus Evangelium: "Das Begräbnis Jesu 42 Da es Rüsttag war, der Tag vor dem Sabbat, und es schon Abend wurde, 43 ging Josef von Arimathäa, ein vornehmes Mitglied des Hohen Rats, der auch auf das Reich Gottes wartete, zu Pilatus und wagte es, um den Leichnam Jesu zu bitten. 44 Pilatus war überrascht, als er hörte, dass Jesus schon tot sei. Er ließ den Hauptmann kommen und fragte ihn, ob Jesus bereits gestorben sei. 45 Als er es vom Hauptmann erfahren hatte, überließ er Josef den Leichnam. 46 Josef kaufte ein Leinentuch, nahm Jesus vom Kreuz, wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das in einen Felsen gehauen war. Dann wälzte er einen Stein vor den Eingang des Grabes. 47 Maria aus Magdala aber und Maria, die Mutter des Joses, beobachteten, wohin er gelegt wurde." (Katholische Bibelanstalt, Stuttgart) Noch Fragen? Übrigens..."Im Mittelalter war über mehrere Jahrhunderte die Bestattung ohne Sarg üblich. Seit der Reformation setzte die Verwendung von Särgen ein. Eine allgemeine Sargpflicht wurde ab dem 18. Jahrhundert nach und nach in den deutschen Kleinstaaten mit der Einführung der Leichenhäuser eingeführt.....Der habsburgische Kaiser Joseph II. hat Ende des 18.Jahrhunderts die Särge in Wien verbieten lassen. Er wollte nicht, dass das Holz aus seinen Wäldern dafür verschwendet wird. Stattdessen wurde ein wiederverwendbarer Klappsarg entwickelt. Der sogenannte josephinische Sparsarg war an der Unterseite mit einer Klappe ausgestattet, die mit einem Hebel geöffnet wurde. Der in Leinen gehüllte Leichnam fiel dann einfach in das Grab und der Sarg wurde bei der nächsten Beerdigung erneut eingesetzt..." (Reiner Sörries, Professor für Christliche Archäologie in Erlangen und Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur)
13.03.18
18:46
Johannes Disch sagt:
@Mohammad .... (Post vom 13.03.18, 18:46) Prima Beitrag. Danke.
15.03.18
10:19