Islam- und Fremdenfeindlichkeit

AfD umgarnt Russlanddeutsche

Die AfD sammelt im Wahlkampf viele Unzufriedene ein. Dabei hofiert sie auch eingebürgerte Russen und Spätaussiedler und spielt Zuwanderer gegen Zuwanderer aus.

07
03
2016
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AfD, Alternative für Deutschland
AfD

Mit Parolen gegen „das Asylchaos“ ködert die AfD Wähler, die gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sind. Als Zielgruppe hat die rechte Partei nun auch Menschen identifiziert, die selbst erst vor einigen Jahren nach Deutschland gekommen sind: deutsche Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion und Russen, die deutsche Staatsbürger geworden sind.

Denn diese Gruppe hat große Vorbehalte gegenüber muslimischen Zuwanderern. Das zeigt sich nicht nur daran, dass an Kundgebungen islam– und fremdenfeindlicher Gruppen häufig Russlanddeutsche teilnehmen. In einer 2013 veröffentlichten Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge heißt es: „Auffällig ist das vergleichsweise hohe gegenseitige Misstrauen von (Spät-)Aussiedlern und Personen türkischer Herkunft“.

Möglicherweise werden die ehemaligen Sowjetbürger aber auch durch Berichte russischer Medien verunsichert. Diese bemühen sich seit Monaten nach Kräften, ein düsteres Bild von einem durch massive Zuwanderung destabilisierten Deutschland zu zeichnen. Ein Höhepunkt war die aufgeheizte Berichterstattung über die angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen durch „Südländer“. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf den deutschen Behörden Vertuschung vor. Später gestand das Mädchen, alles erfunden zu haben.

Auch die Forderung der AfD, Deutschland solle seine „Konfrontationshaltung gegenüber Russland“ aufgeben, verfängt bei einem Teil der rund 3,5 Millionen Russlanddeutschen. Denn sie fühlen sich der früheren Heimat immer noch verbunden.

Der brandenburgische AfD-Landesverband hat für diese Zielgruppe im vergangenen Jahr sein Wahlprogramm ins Russische übersetzt. Bei einer AfD-Kundgebung in Erfurt wurden die Russlanddeutschen kürzlich auf Russisch begrüßt – mitten in einem Meer aus deutschen Fahnen. Mit Blick auf die Berliner Abgeordnetenhauswahl im September will sich jetzt auch der dortige Landesverband stärker um sie bemühen.

„Die Russlanddeutschen haben im Moment keine politische Heimat“, erklärt Georg Pazderski, der den Berliner Landesverband zusammen mit Beatrix von Storch leitet. Ganz falsch ist das nicht. Denn die Wahlbeteiligung dieser Gruppe war in den vergangenen Jahren eher niedrig. Auch der AfD-Spitzenkandidat im baden-württembergischen Landtagswahlkampf, Jörg Meuthen, sieht hier Potenzial. Er sagt: „Ich glaube schon, dass sie zu uns passen, weil sie mehrheitlich konservativ denken.“

Sollte diese Rechnung aufgehen, dann würde das vor allem CDU und CSU schaden. Denn die Neubürger sind im Durchschnitt religiöser als der Rest der Bevölkerung. Sie denken mehrheitlich konservativ und sahen die Union lange Zeit als „Schutzmacht der Aussiedler“.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk (CSU), sieht trotzdem kein Problem. In einem ZDF-Interview erklärte er kürzlich: „Der Anteil derer, die sich Sorgen machen, die vielleicht sogar ablehnend sind, ist bei Russlanddeutschen, aber auch bei anderen Menschen mit Migrationshintergrund nicht höher als bei der seit Langem einheimischen, eingesessenen Bevölkerung.“ Nach einem Treffen mit Vertretern der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland im Februar stellte Koschyk fest, unter den Spätaussiedlern gebe es im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung keine „überproportionalen rechtsextremistischen Erscheinungen“.

Trotzdem beriet der Bundesbeauftragte mit Mitarbeiten des Innenministeriums und den Vertretern der Landsmannschaft darüber, wie man bei den hierzulande lebenden Deutschen aus Russland die Bindung an die freiheitlich-demokratische Grundordnung weiter stärken könne. Und der Bundesvorsitzende des Verbands, Waldemar Eisenbraun, wies Koschyk darauf hin, „dass die aktuelle Flüchtlingskrise bei seinen Landsleuten zunehmend zu Verunsicherung und Skepsis führe“. (dpa, iQ)