Diskriminierung von Frauen

Muslime kritisieren Kopftuch-Urteil

Das jüngste Kopftuch-Urteil wird von muslimischen Spitzenvertretern scharf kritisiert. IGMG-Generalsekretär Mustafa Yeneroğlu sieht in dem Urteil eine Spiegelung sämtlicher Ressentiments gegenüber dem Kopftuch. ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek einen Rückschlag für die Integrationspolitik. Kirchen und Unionspolitiker begrüßten das Urteil hingegen.

26
09
2014

„Es ist fraglich, ob die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht dient. Dem Auftrag von Krankenhäusern dient sie nicht. Zugleich spiegelt sie die bis heute angestauten Ressentiments gegenüber dem Kopftuch wieder“, erklärt Mustafa Yeneroğlu, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) anlässlich des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 24. September 2014 (5 AZR 611/12).

Am Mittwoch hatte der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber ihren Angestellten das Tragen eines Kopftuches verbieten können. Die Richter wiesen damit eine Berufungsklage einer muslimischen Krankenschwester zurück. Allerdings forderten sie das zuständige Landesarbeitsgericht auf, zu klären, ob das Krankenhaus tatsächlich der evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist.

Krankenhaus hatte Kopftuch untersagt

Die Krankenschwester hatte von ihrem Arbeitgeber die Erlaubnis eingefordert, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen. Das Krankenhaus hatte dies untersagt. Zur Begründung verwies es auf seine konfessionelle Ausrichtung, die Richtlinien für den kirchlichen Dienst und die Dienstverordnung zur Personalhygiene. Diese schreibt vor, dass private Kleidung wie das Kopftuch im Krankenhaus nicht getragen werden dürfe.

Laut Yeneroğlu sei jedoch fraglich, inwieweit ein Krankenhaus, das von der Allgemeinheit finanziert und nichtreligiöse Dienstleistungen an die Allgemeinheit erbringe, überhaupt eine kirchliche Einrichtung im religiösen Sinne sein könne. „Ungeachtet unseres Respekts davor, dass die Kirchen in ihren der Religionsausübung dienenden Einrichtungen Wert auf ein christliches beziehungsweise ein durch sie bestimmtes Äußeres legen, dürften auch sie sich mit der Frage beschäftigen, ob dieses Gebot für alle Einrichtungen gilt, unabhängig davon, ob diese einen konkreten religiösen Zweck erfüllen.“

ZMD: Rückschlag für Integrationspolitik

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) bezeichnete das Kopftuch-Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt als „Rückschlag für die Integrationspolitik in Deutschland“. Für die betroffene Krankenschwester, die gegen das Kopftuchverbot ihres Arbeitgebers, eines evangelischen Krankenhauses, geklagt hatte, sei das Urteil „eine persönliche Tragödie“, sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek der Neuen Osnabrücker Zeitung (Donnerstag). „Sie hat viele Jahre für diesen Arbeitgeber gearbeitet. Dass sie dies nun nicht mehr darf, weil sie ein Kopftuch trägt, ist menschlich tragisch und auch sozial bedauerlich.“

Insgesamt, so Mazyek weiter, sei das Urteil allerdings „erwartbar“ gewesen, stehe es doch „in einer Reihe mit weiteren Richtersprüchen, die den Sonderstatus der Kirchen in Deutschland bestätigen“. Zugleich habe das Urteil „eine Schlagseite, was integrationspolitische Signale angeht“. Man müsse die Frage stellen, „inwiefern ein solche Rechtsprechung noch zeitgemäß“ sei, so Mazyek. „Heutzutage ist es Aufgabe von erfolgreichen Unternehmen, sich weltoffen aufzustellen.“

Einstellung mit Kopftuch grundsätzlich möglich

Nach Auffassung des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbands ist grundsätzlich die Einstellung einer Muslima mit Kopftuch in einem evangelischen Krankenhaus möglich. Zwei Tage nach dem Kopftuch-Urteil sagte dessen Direktor, Norbert Groß, der Berliner tageszeitung (Freitag), es gebe kein generelles Verbot. Entscheiden müssten die jeweiligen Einrichtungen. Groß betonte, die Entscheidung sei von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

Bischöfe und CDU begrüßten das Urteil

Die katholischen Bischöfe begrüßten das Erfurter Urteil. „In staatskirchenrechtlicher Hinsicht stärkt das Urteil das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“, sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp.

Ähnlich äußerte sich der für Kirchenfragen zuständige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung (CDU), im Kölner Stadt-Anzeiger (Donnerstag). Eine kirchliche Einrichtung dürfe verlangen, dass die Neutralität gewahrt werde, so Jung. „Es macht einen Unterschied, ob es sich um eine staatliche oder eine kirchliche Einrichtung handelt.“ (KNA/iQ)

Leserkommentare

Fatima Farag sagt:
Da hat man einen Job, ist bestimmt auch bestens integriert ,und trotzdem bekommt Frau aufgrund ihres Kopftuchs einen Schlag ins Gesicht........!! Soviel zu ,, LIEBE DEINEN NÄCHSTEN WIE DICH SELBST"!!
26.09.14
20:49
Andreas sagt:
Integration ade! Warum stört denn ein Kopftuch den Krankenhausbetrieb? Kommt es bei medizinischem Personal nicht in erster Linie darauf an, wie gut sie qualifiziert sind und wie sie mit den Patienten umgehen? Und wenn das Tragen privater Kleidungsstücke ein Problem ist, könnte das Krankenhaus auch Kopftücher für medizinisches Personal als Teil der Dienstkleidung anschaffen. Die sind dann eben weiß oder hellblau und nicht so modisch. Eine Krankenschwester oder Ärztin mit Kopftuch wird mich nicht gleich von meinem christlischen Glauben abfallen lassen. Und es würde zeigen, dass die Muslime in Deutschland akzeptiert werden.
29.09.14
17:29