NSU-Mordserie

Rassismus soll berücksichtigt werden

Gerichte in Deutschland sollen künftig rassistische Motive in ihren Urteilen stärker berücksichtigen. Das hat das Bundeskabinett entschieden. Die entsprechende Gesetzesvorlage wird von der Opposition und auch von muslimischer Seite kritisiert. Sie sei nicht ausreichend.

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08
2014
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Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (27.08.2014) eine Gesetzesvorlage beschlossen, die es künftig Gerichten in Deutschland erlauben soll rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Motive in ihrer Urteilsfällung stärker zu berücksichtigen. Außerdem soll der Generalbundesanwalt früher als bisher in Ermittlungen eingebunden werden, wenn hierfür Anhaltspunkte vorliegen.

Hintergrund für die Entscheidung ist die Mordserie des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), die jahrelang von den Behörden unentdeckt blieb. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags zum NSU hatte, aus seinen Erkenntnissen zum Versagen des Staates heraus, Empfehlungen formuliert, denen jetzt das Bundeskabinett nach eigenen Angaben nachkommt. Der Gesetzesentwurf setze die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bereich der Justiz um.

Folgerichtig, aber zu spät

„Das unsägliche Leid, das die Terroristen des NSU angerichtet haben, kann niemand wieder gutmachen. Wir haben aber die Pflicht, alles dafür zu tun, dass sich solche Taten nie wiederholen können“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zum Kabinettsbeschluss. Er sieht die Gesetzesvorlage als einen Erfolg im Kampf gegen den Rechtsextremismus.

Petra Pau (Die Linke), Mitglied im Innenausschuss des Bundestages, erklärte, die Entscheidung des Bundeskabinetts sei „folgerichtig“. Sie machte jedoch darauf aufmerksam, dass seit Vorlage des Abschlussberichtes des Untersuchungsausschusses bereits ein Jahr vergangen sei. Sie kritisierte: „Umgesetzt wurde bis dato so gut wie nichts.“ Gleichzeitig erneuerte Pau Forderungen von die Linke nach einer Auflösung des Verfassungsschutzes.

Beck: Schlechte Symbolpolitik

Volker Beck (Grüne), Sprecher für Innenpolitik, erklärte: „Die Berücksichtigung menschenverachtender Motive beim Strafmaß klingt zwar schön, bringt aber nichts, wenn die Motive im Ermittlungsverfahren unerkannt bleiben.“ Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei daher nur Symbolpolitik. Die eigentlichen Probleme blieben bestehen.

„Die Kriterien, die die Bundesregierung in Gesetzesform gießen will, wurden offenbar eilig zusammengewürfelt. Sie finden sich im deutschen Recht so an keiner anderen Stelle. Besser wäre es, an die Kriterien des Antidiskriminierungsrechts oder an die polizeiliche Kriminalstatistik anzuknüpfen. Dann würde zumindest deutlich, dass es sich etwa auch bei homophoben, antisemitischen und islamfeindlichen Straftaten um Hasskriminalität handelt“, sagte Beck.

Yeneroğlu: Untauglicher Versuch

„Laut Thüringer NSU Bericht ist mangelnder Aufklärungswille Grund für das Desaster und kein Leck im Gesetz“, erklärt Mustafa Yeneroğlu, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) zum Kabinettsbeschluss. Der Gesetzesentwurf höre sich zwar gut an, sei aber „zu wenig.“ Die Mitglieder des NSU wurden aus Sicht von Yeneroğlu nicht gefasst, weil es einen fehlenden Aufklärungswillen sowie „bewusstes Wegsehen bis hin zur Sabotage“ gab.

„Wer dieses Problem außen vor lässt und aus dem umfangreichen Empfehlungskatalog des NSU Untersuchungsausschusses einzelne Punkte mit der Pinzette herauspickt, die in der Umsetzung leicht von der Hand gehen, sozusagen ‚nicht wehtun‘, handelt mindestens genauso untauglich wie die Ermittlungsbehörden in all den Jahren zuvor“, sagte Yeneroğlu.