Die Universität Marburg hat eine neue Studie zu Palästina-Solidaritätsprotesten veröffentlicht. Die Studie zeigt eine klare Unterstützung für die Anerkennung eines palästinensischen Staates und für den besonderen Schutz jüdischen Lebens.

Eine neue Studie der Universität Marburg hat die Motivation und politische Haltung von Teilnehmenden des bislang größten Solidaritätprotests in Deutschland erforscht. Das Working Paper des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (ipb) untersucht den Berliner Doppelprotest „All Eyes on Gaza / Zusammen für Gaza“ vom 27. September 2025. Zehntausende Menschen hatten in Berlin gegen den israelischen Genozid im Gazastreifen protestiert. Mehr als 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen vom Roten Rathaus zu einer Kundgebung am Großen Stern im Tiergarten. Die Studie liefert erstmals eine fundierte empirische Grundlage für die Debatte um die Palästina-Solidarität in Deutschland.
Den Ergebnissen nach seien es überwiegend junge, hochgebildete und politisch links vertrete Teilnehmende. Der Protest sei deutlich bürgerlich-zivilgesellschaftlich einzuordnen und konzentrierte sich auf gewaltfreie, legale und kommunikative Ausdrucksformen. Auffällig sei eine differenzierte politische Haltung: Die Befragten bestünden auf die Unterstützung für die Anerkennung eines palästinensischen Staates und befürworteten gleichzeitig einen besonderen Schutz jüdischen Lebens in Deutschland. Viele berichteten laut Studie zudem von Erfahrungen mit Ausgrenzung, Überwachung oder staatlicher Repression.
An der Untersuchung sind zwei Wissenschaftler des Zentrums für Konfliktforschung (ZfK) der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Felix Anderl und Dr. Tareq Sydiq, mitbeteiligt. „Gerade vor dem Hintergrund einer stark polarisierten öffentlichen Debatte sehen wir die Notwendigkeit, empirisch fundierte Einblicke in die Protestdynamiken zu geben“, so Prof. Dr. Felix Anderl. Dr. Tareq Sydiq erklärt: „Unsere Forschung zeigt, dass einfache Lagerlogiken dem komplexen Meinungsbild der Protestierenden nicht gerecht werden.“ Die Untersuchung entstand in Kooperation mit Forschenden der Freien Universität Berlin (INTERACT) sowie des DeZIM-Instituts.
Insgesamt wurden vor Ort mehr als 1.000 Personen kontaktiert, von denen rund 30 Prozent anschließend an einer umfassenden Online-Befragung teilnahmen. Die Studie trägt nicht nur wertvolle Erkenntnisse zur gegenwärtigen politischen Debatte bei, sondern leistet zugleich einen bedeutenden Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Protestforschung in Deutschland – vor allem im Hinblick auf postmigrantische Gesellschaften und gesellschaftsinterne Konfliktstrukturen.