Imamausbildung

Imame müssen in der Gemeinde verankert sein

Seit langem wird in Europa über die Herkunftsländer der Imame und deren Zuständigkeitsbereich diskutiert. Allerdings sollten die Bedürfnisse und Erwartungen der muslimischen Gemeinschaft im Vordergrund dieser Debatte stehen. Ein Gastbeitrag von Ali Mete.

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2023
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Symbolbild Imame © shutterstock, bearbeitet by iQ.
Symbolbild Imame © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Seit einigen Jahren wird über die Fort- und Ausbildung sowie die Finanzierung von Imamen in Deutschland diskutiert, zuletzt auf der Auftaktveranstaltung der fünften Deutschen Islam Konferenz (DIK). In ihrer Eröffnungsrede[1] machte Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit Hinweis auf den Koalitionsvertrag darauf aufmerksam, dass dank den Zentren für islamische Theologie die „Voraussetzungen für die praktische Ausbildung“ geschaffen seien, um Imame in der Bundesrepublik auszubilden.

In Deutschland sozialisierte und deutschsprachige Imame halte die für Religion zuständige Ministerin für „integrationspolitisch wichtig“. Kurz: „Weniger ausländische Abhängigkeiten oder Einflussnahmen machen es deutschen Muslimen leichter, mit ihrem Glauben in Deutschland heimisch zu sein!“ Ziel sei es, die „staatliche Entsendung von Imamen aus dem Ausland nach Deutschland schrittweise“ zu reduzieren, „mit dem Ziel, sie zu beenden“, weshalb man etwa mit den zuständigen Stellen in der Türkei im Gespräch sei.

Wie überzeugend es ist, die eine staatliche Einflussnahme durch eine andere quasi zu ersetzen, also der Entsendung aus dem Ausland durch eine staatliche Unterstützung und Finanzierung von hiesigen Strukturen zu ersetzen – namentlich nennt die Ministerin das „Islamkolleg“ (Osnabrück) und das Programm „Islam in der Sozialarbeit“ (Münster) –, bleibt fraglich. Abgesehen davon müsste überlegt werden, ob in Zeiten von Globalisierung und Transnationalität das Unbehagen vor im „Ausland“ ausgebildeten religiösem Personal, wie es auch in anderen Religionsgemeinschaften gang und gäbe ist, überhaupt noch gerechtfertigt ist. Im Zentrum der Diskussion sollte nicht die Frage stehen, woher ein Imam kommt bzw. wo er ausgebildet wurde, sondern ob er den Herausforderungen gewachsen ist und seine Aufgaben gut erfüllen kann. In diesem Zusammenhang kritisierte der Islamrat für die Bundesrepublik 2019 auch den Ansatz, „wonach die Imamausbildung in Deutschland u. a. dazu beitragen soll, die in Deutschland beheimateten Mitglieder der islamischen Religionsgemeinschaften von ihren Herkunftsländern abzukapseln.“[2]

Imam-Frage älter als die DIK

Die Beschäftigung mit den Fragen der Besorgung und Beschäftigung von Imamen ist viel älter als die DIK. Die islamischen Religionsgemeinschaften setzen sich im Grunde schon seit ihrer Gründungsphase damit auseinander, denn immerhin geht es um ein religiöses Grundbedürfnis. Die vereinzelten Fortbildungen und Seminare in der Anfangszeit wichen spätestens mit dem stärkeren Bewusstwerden der dauerhaften Beheimatung in Deutschland und anderen Ländern Europas festen, eigenverantwortlichen und eigenfinanzierten Strukturen, die den zukünftigen Bedarf decken sollen.

Begleitet wurden und werden diese Bemühungen von internen sowie öffentlichen Evaluationen und Fachveranstaltungen. Im November 2019 hat der Koordinationsrat der Muslime (KRM) eine Fachtagung[3] zur Imamausbildung durchgeführt, auf der es u. a. um die unterschiedlichen Ausbildungsmodelle der islamischen Religionsgemeinschaften ging.

Im November 2022, um das aktuellste Beispiel dieser Bemühungen zu nennen, wurde die Tagung[4] „Imam sein in Europa. Fakten, Erwartungen, Herausforderungen“ durch das Institut für Islamische Forschung und Lehre (Menar), welches die Imamausbildung der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) organisiert, in Kooperation mit dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland durchgeführt. In Anwesenheit von rund 100 angehenden und praktizierenden jungen Imamen wurde über die Institutionalisierung des Berufs des Imams, die Rolle und Dienste der Imame in Europa, Aus-, Fort- und Weiterbildungsprozesse von Imamen, Eindrücke und Erfahrung aus dem Alltag jungen Imame, gesellschaftliche und politische Erwartungen an den Imam-Beruf und die Funktion und Stellung von Religionsbediensteten im Vergleich mit anderen Religionsgemeinschaften diskutiert.

Erwartungen aus allen Ecken

In den öffentlichen Diskussionen geht es nicht um administrative Belange oder das, was Imame wollen, sondern um die Frage, wie ein Imam zu sein hat. Öffentlichkeit und Politik wollen Imame, die Multiplikatoren sind, eine Brückenfunktion zwischen muslimischer Gemeinschaft und Mehrheitsgesellschaft erfüllen. Ihnen komme eine bedeutende Rolle in puncto „Integration“ und im interreligiösen Dialog zu. Hierzu müssten die schätzungsweise rund 2000 Imame der deutschen Sprache mächtig und gut „integriert“ sein. Hinzukommt nicht zuletzt der Aspekt der Prävention und Deradikaliserung.

Aus Sicht der Moscheegemeinden sollen die Imame die Religionspraxis organisieren und betreuen, die religiöse Erziehung der Kinder und Jugendlichen bewerkstelligen und die „spirituelle“ Führung der Frauen und Männer gewährleisten. Sie sind für die religiöse Betreuung und Wissensvermittlung verantwortlich und fungieren als Ansprechpartner bei Fragen des Glaubens und der Religionspraxis.

Hier kommt ein wichtiger Aspekt ins Spiel: die Verankerung in der Gemeinde. Denn abgesehen von der Frage der Finanzierung, die in der Diskussion viel Raum einnimmt, ist vor allem die persönliche und ideelle Verankerung in der Gemeinde wichtig, wenn nicht sogar essentiell. Denn wenn diese nicht gegeben ist oder schwach ist, kann auch die beste Ausbildung nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen. Auf diesen Aspekt weist zuletzt eine AIWG-Studie[5] hin, wonach kaum eine der befragten Absolventen der islamischen Theologie hauptberuflich Imam geworden ist. Ein Grund hierfür dürfte auch der fehlende oder schwache Bezug der Absolventen zur Gemeindebasis sein.

Imame sind für die muslimischen Gemeinden da

Es ist wichtig und richtig, dass man sich um die Fort- und Ausbildung sowie bessere Entlohnung von Imamen bemüht. Doch letzten Endes müssen die Muslime und ihre Gemeinschaften selbst entscheiden, was ihr Bedarf ist und welche Art Imamausbildung und -finanzierung für sie infrage kommt. Schließlich sind ausschließlich die islamischen Religionsgemeinschaften dazu befähigt und befugt, die Imame zu legitimieren, die dann von den einzelnen Moscheegemeinden finanziellen und ideell getragen werden.

Staatliche Stellen – egal in/aus welchem Land – können höchstens über rechtliche Rahmenbedingungen beraten und diese gewährleisten. Diese können die islamischen Religionsgemeinschaften dabei unterstützen, ihre Imamausbildung zu festigen. Dabei ist eine unmittelbare oder mittelbare Einmischung des Staates in die inneren Angelegenheiten und Organisation der Religionsgemeinschaften abzulehnen.

[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/reden/DE/2022/faeser-deutscheislamkonferenz2022.html;jsessionid=8BD3409C83142E81AE6C94CA49F3CBAC.2_cid340

[2] https://www.islamrat.de/wp-content/uploads/2019/02/Stellungnahme_260219.pdf, S. 7

[3] https://www.islamiq.de/2019/11/27/krm-organisiert-tagung-zur-imamausbildung-in-deutschland/

[4] https://www.islamrat.de/imam-sein-in-europa-fakten-erwartungen-und-herausforderungen/

[5] https://aiwg.de/wp-content/uploads/2022/11/WiFo-paper-Berufsfeld-Islam.pdf