Karikaturen

Wie gehen Muslime mit Satire und Spott um?

Satire oder Provokation? Es ist nicht das erste mal, dass der Prophet Muhammad oder der Islam verspottet und karikiert werden. Doch wie sollen Muslime mit den Karikaturen umgehen. Ein Gastbeitrag von Dr. Hakan Aydın.

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12
2020
Koran, Wie mit Satire umgehen
Koran © shutterstock

Angesichts der andauernden Diskussionen über die sogenannten „Muhammad-Karikaturen“ stellt sich die Frage, wie der Islam Satire, Spott und Beleidigungen im Allgemeinen gegenüber steht und ob Muslime nur die eigenen Werte achten.

Spott und Hohn, nicht nur in verbaler Form, wurden im Laufe der Geschichte über zahllosen Einzelpersonen und ganzen Gesellschaften ausgegossen und zogen nur allzu oft schlimme Konsequenzen nach sich. Der Islam betrachtet bösartigen Spott deshalb grundsätzlich als verboten. Angriffe auf die eigenen aber auch auf die Werte anderer Gemeinschaften sind aus muslimischer Sicht deshalb falsch.

Der Koran verbietet Zwang in Glaubensfragen. Dies spiegelt sich auch in der Methode wider, mit der der Prophet Muhammad (s) die Menschen zum Glauben an den einen Gott aufrief. Seine Zeitgenossen hatten die freie Wahl, ihm zu folgen und den Götzenglauben aufzugeben oder nicht. Ein anderer Vers verbot es den Muslimen, die Götzen der Mekkaner zu schmähen, da jene dies als Angriff auf ihre Werte empfunden hätten. [1]

Von Satire und Spott abwenden

Die islamischen Quellen, insbesondere der Koran und die Hadithe, werden oft kontextlos und ohne Methodik herangezogen, um einen direkten Zusammenhang zwischen den Grundlagen des Islams und Gewaltakten zu konstruieren. Jedoch lässt sich anhand von Koran und Hadithen diese Behauptung widerlegen.

So lässt sich beispielweise feststellen, dass der Prophet Muhammad (s) den Beleidigungen und Beschimpfungen der Kuraysch mit nichts anderem als Gottvertrauen begegnete. Der Koran verweist an zahlreichen Stellen auf die Erfahrungen früherer Propheten, denen es ähnlich ergangen war und fordert den Propheten sogar explizit dazu auf, sich von den Spöttern abzuwenden und sie mit ihren Anfeindungen Allah zu überlassen.

Schlechtem mit Gutem begegnen

In Sure Fussilat, Verse 34-35 heißt es: „Das Gute und das Böse sind fürwahr nicht gleich. Wehre (das Böse) mit Besserem ab, und schon wird der, zwischen dem und dir Feindschaft war, dir wie ein echter Freund werden […].“

Sowohl der Prophet als auch seine Gefährten reagierten auf Beschimpfungen und Verhöhnung ganz im Sinne dieses Verses: stets gelassen und besonnen.  Weder fügten sie den Spöttern körperlichen Schaden zu noch zahlten sie es ihnen mit gleicher Münze heim. Im Gegenteil: Laut einem Hadith forderte der Prophet dazu auf, Gerechtigkeit auch demjenigen widerfahren zu lassen, der Böses getan habe. Rachsucht hingegen bezeichnete er als Ausdruck einer charakterlichen Schwäche.

Das Verspotten und Verleumden anderer Religionen, Werte, Gesellschaften und Personen gilt in Islam eindeutig als Sünde und wird deshalb in aller Deutlichkeit abgelehnt. [2] Ist der islamische Glaube wiederum Ziel des Spotts, wird den Gläubigen im Koran geraten, die Situation zu verlassen und sich nicht an derartigen Gesprächen zu beteiligen. [3]

Was ist zu tun?

Von diesen Prinzipien lassen sich einige Grundsätze zum Umgang mit der aktuellen Situation ableiten: Auf keinen Fall sollten Muslime sich zu unüberlegten Handlungen hinreißen lassen, sondern sich stattdessen stets vor Augen führen, dass auch der Prophet und seine Gefährten mit Besonnenheit auf Satire, Spott und Beschimpfungen reagiert haben.

Für uns Muslime ist es ermüdend und auch verletzend, uns nach jeder Gräueltat von dieser distanzieren zu müssen. Wenn wir gerade in Krisenzeiten jedoch nicht ständig uns verteidigen möchten, müssen wir in normalen Zeiten die menschlichen und institutionellen Beziehungen zu Angehörigen anderer Religionen verstärken. Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen müssen Methoden und Wege aufgezeigt werden, um diesen Menschen, eine Freundschaft aufzubauen und eine gute Nachbarschaft zu pflegen.

Und nicht zuletzt: Gegenüber der Verächtlichmachung der Werte anderer Menschen, sei es durch Karikaturen oder auf andere Weise, müssen wir mit der gleichen Entschiedenheit eintreten, wie wir dies auch für uns selber wünschen.

 

[1] Sure An’am, 6:108

[2] Sure Hudschurât, 49:11

[3] Sure Nisâ, 4:140

Leserkommentare

Bilal-i Habesch sagt:
Eindeutige Nachricht. Zeigt euch entschlossen gegen beleidigende Karikaturen aber überlasst den Rest Allahu Teala. Was sollen diese denn überhaupt bringen, außer Provokation? Baut Freundschaften zwischen den Menschen auf, keine Feindschaften!
30.12.20
17:04
grege sagt:
Nicht nur Satiriker und Karrikaturisten, sondern auch Islamkritiker oder Muslime mit einem angeblich abweichenden Islamverständnis stehen unter Polizeischutz. In Frankreich musste sogar eine 16 jährige an einem unbekannten Aufenthaltsort fliehen, da sie von Islamisten bedroht wurde. Der Vorsitzende eines der größeren Islamverbände hat die Reaktion seiner Glaubensbrüder sogar gerechtfertigt. Diese Vorfälle, wie weit Anspruch und Wirklichkeit des Islams im Hier und Jetzt auseinanderklaffen.
30.12.20
20:35
B.A.Maier sagt:
Das ist sehr schön geschrieben. Vielen Dank dafür. Es gibt in jedem halbwegs sozialisierten Menschen mit selbst einfacher Schulbildung ein Empfinden für Grenzverletzungen gegenüber dem Glauben. Selbst primitivste menschlichste Existenzen haben ein Gespür dafür. Alle Karikaturen sind zutiefst verletzend um primitivst in der Absicht der Schmähung einer Religion. Jeder ungebildete und geistig amputierte Mensch, weiß von dem Hass auf Muslime in der westlichen Welt. Mit diesen Zeichnungen Geld zu verdienen, Spaltung zu betreiben und wirklich auch viel Empörung in die Welt senden ist ein Zeichen von Arm im Mensch sein und natürlich auch der Demokratie. Denn ausgerechnet in Staaten, wo extrem demokratiefeindliche Vorfälle auftreten, kommen diese primitiven Karikaturen ans Licht. Ich bin nicht gelassen, boykottiere Frankreich lebenslang, hoffe nicht dass sich die Bundesregierung von der hinterhältigen Politik Frankreichs beeindrucken lassen, hoffe die Sozis Deutschland treten in den Hintergrund und schäme mich für so abgefuckte Bilder und deren Absicht. Gelassenheit für so billige Menschen gerne.
30.12.20
22:31
Dilaver Çelik sagt:
Die Karikaturen provozieren und sind zweifelsohne asozial. Ihre Zeichner sowie ihre Befürworter sind asoziale Menschen, die es nicht wert sind, sich mit ihnen abzugeben. Kein Mensch mit gesundem Menschenverstand würde derartige Karikaturen zeichnen, befürworten oder das vermeintliche Recht, sie zu zeichnen, verteidigen. Aber wie Menschen nunmal sind: Nicht jeder kann auf Provokationen besonnen reagieren. Das wissen Provokateure nur zu gut. Und genau das macht das Wesen einer Provokation aus - eine erwünschte Reaktion hervorrufen zur eigenen Bestätigung. Die Karikaturisten wollten provozieren und haben ihr Ziel leider erreicht. Da kann ich den Muslimen nur sagen: Wie sehr Ihr auch getriggert werdet, lasst Euch niemals provozieren. Und den Provokateuren: Hört auf Menschen zu provozieren und den sozialen Frieden zu stören. Dazu habt Ihr kein Recht. Andernfalls werdet Ihr Euch vor dem Rechtsstaat dafür verantworten.
31.12.20
17:08
Johannes Disch sagt:
@Bilal...(30.12.2020, 17:04) -- "Baut Freundschaften zwischen den Menschen auf, keine Feindschaften!" (Bilal...) Chapeau. Das kann man nur unterschreiben.
31.12.20
20:48
grege sagt:
Spott, Beleidigung und Hohn sind Verhaltensweisen, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich empfunden werden. Während einige manche Äußerung als scharfe Kritik aufnehmen, wird dieselbe Äußerung von anderen als beleidigend aufgenommen. Vor diesem Hintergrund werden unter dem Vorwand angeblicher Beleidigung Menschen mit unliebsamer Meinung eingeschüchtert mundtotgemacht, wie es insbesondere Despot Erdowahn in seinem neoosmanischen Reich oder Islamisten seit Jahren praktizieren. Daher ist es in Deutschland sinnvoll und angemessen, Beleidigung als juristisch haltbaren Tatbestand auf den Einzelfall mit den zugehörigen Begleitumständen einzugrenzen. Maßgeblich ist weniger die inhaltliche Gesamtaussage als vielmehr die verwendeten Ausdrucksformen wie bestimmte Handzeichen oder Worte. Für ein friedvolles Zusammenleben mit Menschen unterschiedlicher Kulturen ist maßgeblich, dass die Verfolgung und Sanktionierung von Beleidigung nicht in Selbstjuistiz erfolgt, wie es leider z.B. islamische Terroristen in Frankreich oder den Niederlanden praktiziert haben, sondern staatlichen Organen überlassen wird. In dieser Debatte um Karikaturen und angeblicher Beleidigung religiöser Werte präsentieren sich manche Muslime und Verbände gerne als Missbrauchsopfer westlicher Meinungsfreiheit. Dabei wird gerne übersehen, dass gerade in islamischen Ländern heutzutage nichtmuslimische Religionen Gegenstand von hetzerischen Karikaturen sind. Als Beispiel ist hier die bildliche Darstellung von Juden in Form von Affen und Schweinen oder einer Bettszene mit Adolf Hilter und Anne Frank zu nennen.
01.01.21
11:42
Harousch sagt:
Gotteslästerung sowie Hetze gegenüber anderen Religionen und religiösen Bekenntnisses, wodurch der öffentliche Frieden gestört sein könnte, ist laut Strafgesetzbuch StGB §166 mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe zu ahnden. Das ist richtig so, nur sollte die Justiz sich auch an die hiesige Rechtssprechung auch bitte halten. Der öffentliche Frieden ist durch die Hetze der Islamophoben, Nazis, Rechtsextremisten und anderer faschistoider Randgruppen nicht nur bei uns gefährdet. Diese gehören genau ähnlich wie die Terroristen ins Guantanamo Gefängnis. Nieder mit dem Mob!
01.01.21
23:28
Kudsi (DITIB Chorweiler) sagt:
Hakan abi, du hast hier im Internet einen sehr schönen Artikel veröffentlicht. Ich danke dir ganz herzlich dafür. Ich denke, man darf mit Leuten, die unsere Religion verspotten, gar nicht erst reden. Sonst ziehen sie dich auf ihr Niveau herunter und nehmen dir am Ende auch deine Würde. Wir wissen, dass sie vor Allah Rechenschaft ablegen und ihren Spott bereuen werden. Es reicht, wenn wir den anständigen Menschen erklären, warum Hz. Muhammed (s.a.v.) nicht abgebildet werden darf und wir deshalb die Karikaturen ablehnen. Dann haben sie auch Verständnis dafür. Die Mörder von Samuel Pathy und von Nizza haben mit ihren Schandtaten sich auf das Niveau jener Leute begeben, welche unsere erhabene Religion verspotten, und ihnen damit einen Gefallen getan, weil die Mörder mit ihren Schandtaten lediglich uns Muslimen geschadet haben. Diese Mörder werden genauso vor Allah Rechenschaft ablegen wie die Leute, welche unseren Propheten Hz. Muhammed (s.a.v.) verspotten. Und an die Mitleser hier: Hakan abi war 2012-2017 Vereinsvorsitzender unserer Moscheegemeinde in Köln-Chorweiler. Es war die beste Zeit unserer Moscheegemeinde. Die Außenbeziehungen wurden ausgebaut, es wurde ein Runder Tisch Frieden zusammen mit anderen Religionsgemeinschaften sowie anderen Institutionen gegründet. DITIB Chorweiler ist 2015 Mitunterzeichner der Allgemeinen Chorweiler Friedenserklärung zusammen mit den anderen Mitgliedern des Runden Tisches Frieden. Wir haben Hakan abi viel zu verdanken, dass unsere Moscheegemeinde im Kölner Stadtbezirk Chorweiler hohes Ansehen bei den Kirchengemeinden sowie anderen Religionsgemeinschaften, bei der Polizei, bei der Bezirksvertretung und sonstigen Institutionen sowie bei der Kölner Lokalpolitik genießt. Dem Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit in seiner Zeit und dessen gegenwärtiger Fortsetzung mit seiner Unterstützung im Hintergrund ist auch zu verdanken, dass die Kölner Oberbürgermeisterin unsere Moschee kurz nach dem Angriff auf unsere Moschee im Mai vergangenes Jahr besucht hat, um ihre Solidarität auszudrücken. Die hohe Qualität von Hakan abis ehrenamtlicher Moscheearbeit, was u.a. auch an seiner theologischen Qualifikation liegt, hat schließlich dazu geführt, dass Hakan abi für einige Jahre in den Bundesvorstand der DITIB gewählt wurde. Seine Doktorarbeit "Der Islam im europäischen Zusammenleben" kann ich jedem empfehlen, der sich dafür interessiert, wie Muslime als Minderheit in einer mehrheitlich nichtmuslimischen Gesellschaft friedlich leben können.
03.01.21
17:05
Johannes Disch sagt:
@ $ 166 StGB ("Beleidigung von Bekenntnissen...") wird nur selten angewendet-- ca. 10 Verurteilungen pro Jahr-- und das aus gutem Grund. Er kollidiert mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit, das auch scharfe Kritik an Religionen erlaubt. Diese Kritik darf durchaus auch ironischm, sarkastisch oder spöttisch sein. Das ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Bei § 166 StGB geht es nicht um das subjektive Empfinden des Einzelnen, sondern der öffentliche Frieden muss gefährdet sein. Und da liegt die Messlatte ziemlich hoch, sodass es kaum zu Verurteilungen kommt. Der Paragraf steht schon lange in der Kritik, auch von juristischer Seite aus. Er gehört abgeschafft. Eine Religion kann man nicht beleidigen. Beleidigen kann man nur Personen. (Grund)Rechte gelten für Individuen und nicht für Weltanschauungen. Über das AT gibt es eine Comic-Version für Erwachsene: "Dirty Pictures from the Hply Schriptures." Ausgenommen einige verklemmte Ultraorthodoxe amüsieren sich die Israelis köstlich darüber. Man stelle sich hier den Aufstand vo, es würde vergleichbares über den Koran geben.
07.01.21
10:48
grege sagt:
@ Herr Disch Die FDP hatte bereits angeregt, diesen Paragraphen abzuschaffen, während die Grünen für eine Neufassung plädierten.
09.01.21
19:26
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