Debatte

„Deutschland, das sind wir alle“

Die Debatte um die Islam-Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geht weiter. Während Politiker Seehofers Aussagen kritisieren, hält seine Partei zu ihm.

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03
2018
Horst Seehofer © shutterstock, bearbeitet by iQ.
Horst Seehofer © shutterstock, bearbeitet by iQ.

In der ersten Regierungserklärung ihrer vierten Amtszeit hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag eine Stunde lang erklärt, was sie mit der großen Koalition vorhat – und Stellung zu heftig umstrittenen Themen bezogen. In Erinnerung bleiben dürfte der Satz: „Deutschland, das sind wir alle“. Merkel bekräftigte in ihrer Regierungserklärung die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland.

„Es steht völlig außer Frage, dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist“, aber mit rund 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland sei der Islam „inzwischen ein Teil von Deutschland geworden“.

Deutliche Kritik übte Justizministerin Katarina Barley (SPD) an der von der CSU geführten Debatte. „Dieses Auseinanderdividieren von hier lebenden Muslimen und ‚dem Islam‘ hilft wirklich nicht weiter“, so Barley in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Donnerstag). „Entscheidend ist unser Wertekanon, und der ist ganz klar das Grundgesetz. Wer sich in diesem Wertekanon bewegt, hat jedes Recht, in Deutschland zugehörig zu sein und auch akzeptiert und respektiert zu werden.“ Es sei völlig egal, welcher Religion diese Person angehöre.

Die Justizministerin sagte, sie vermisse zudem eine Differenzierung in der Diskussion über eine abnehmende Bedeutung der Religion in Deutschland. „In Berlin-Mitte mag es so sein, dass ihre Bedeutung schwindet. Da, wo ich lebe, an der Mosel, ist das nicht so. Da wird jedes Feuerwehrfahrzeug eingesegnet, jedes Schuljahr beginnt mit einem Gottesdienst. Das gehört immer noch selbstverständlich zum Leben“, so die Trierer Politikerin.

„zweifelhafter Verständnis von Religionsfreiheit“

Heftige Kritik an Seehofer äußerte der TV-Moderator Michel Friedman. Der Innenminister verletze seine Pflichten als Religions- und Verfassungsminister, wenn er darüber urteile, ob eine Religion zu seinem Land gehöre, schrieb Friedman in einem Gastkommentar für die Deutsche Welle. „Den Islam an sich zu stigmatisieren, ist nicht Aufgabe eines Bundesinnenministers, der als Religionsminister gleichzeitig verantwortlich dafür ist, dass der Respekt gegenüber allen Religionen von ihm repräsentiert wird.“ Sich als Politiker anzumaßen, einer Weltreligion ihre Existenz als Bestandteil der religiös-gesellschaftlichen Realität in Deutschland abzusprechen, zeuge von einem sehr zweifelhaften Verständnis von Religionsfreiheit.

Vielfalt als Stärke begreifen

Unterdessen schrieb das Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband einen offenen Brief an Seehofer. Sein Islam-Satz sei gerade vor dem Hintergrund von Anschlägen auf 26 Moscheen in den vergangenen zwei Monaten „taktlos und außerordentlich schwierig“, so der Zusammenschluss von 200 Organisationen.

Der Innenminister stehe dem für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration zuständigen Ressort vor, daraus erwachse eine besondere Verantwortung, einigende Worte zu finden. In den letzten Jahrhunderten hätten viele Kulturen zur Vielfältigkeit Deutschlands beigetragen. „Wir würden uns freuen, wenn auch Sie diese Vielfalt unserer Gesellschaft als Stärke begreifen und für sie werben würden“, heißt es in dem Aufruf.

Dobrindt verteidigt Seehofer

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat der Einschätzung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) widersprochen, dass der Islam Teil Deutschlands ist. Dobrindt sagte am Mittwoch im Bundestag in der Aussprache zu Merkels Regierungserklärung: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Er bekräftigte damit die Position seines Parteivorsitzenden, Innenminister Horst Seehofer, der vor einigen Tagen die Debatte darüber wieder losgetreten hatte.

Dobrindt sagte nun, die überwiegende Mehrheit wolle, dass Deutschland ein christlich geprägtes Land mit seinem Wertesystem bleibe. „Und wir sind die Stimme dieser Menschen.“ (KNA, dpa, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
„Deutschland, das sind wir alle“ Auch Pegida? Der Meinung bin ich nicht! Politiker sollten mehr Bereitschaft zur kritischen inhaltlichen Auseinandersetzung haben, mit dem, was Religionsgemeinschaften vertreten, anstatt die Mär zu verbreiten, dass wir im christlichen Abendland leben und dem Islam verbale Blankoschecks auszustellen. Letzteres freut vor allen die Islamverbände. Europa von heute steht auf den Werten der Aufklärung und der Emanzipation von religiösen Dogmen.
22.03.18
15:04
Johannes Disch sagt:
Eine prima Regierungserklärung von Angela Merkel. Und eine ihrer besten überhaupt. -- "Der Islam ist zu einem Tel Deutschlands geworden." (Angela Merkel) Der Satz war wichtig! Vor allem nach den unseligen Äußerungen ihres "AfD-Ministers" Host S.
23.03.18
10:37
Manuel sagt:
Nur weil der Islam da ist, muss er ja nicht zur Kultur und zu unsere Lebensweise gehören. Die mittelalterlich-islamische Gesellschaftsordnung, wie man sie in den islamischen Ländern sieht gehört jedenfalls nicht zu Deutschland. Wenn der Islam ein Teil Deutschland sein will, dann muss er sich genauso wie die andere Religionen säkularisieren.
24.03.18
12:22
Frederic Voss sagt:
Was die Kanzler-Merkel-Frau verbal von sich gibt, bedeutet keinesfalls, daß dies die höchste Klugheit darstellen muß. Auch ihre Polit-Tage sind gezählt. Das gefährliche und dominante Gewalt-Potential, welches die Koran-Lebensanleitungs-Texte, viele autoritär vermitteltete Imam-Predigt-Vorträge und die Islam-Lehren insgesamt enthalten, muß klar auf den Tisch gebracht und sehr konkret benannt und thematisiert werden. Wenn schon die Gründerin und Imamin der liberalen Berliner Moschee, Seyran Ates, der deutschen Politik vorwirft, einen feindlichen Islam zu unterstützen, auch finanziell - (lt. WELT v. 21.03.2018) - dann sind Seehofers Aussagen besonders relevant und sachdienlich bzw. von grundlegender Bedeutung.
24.03.18
13:08
Ute Fabel sagt:
Diese völlig undifferenzierten und pauschalisierenden rhetorischen Gütesiegel von Frau Merkel gegenüber „dem Islam“ sind in gefährlicher Weise naiv und beschönigend. Der Journalist Deniz Yücel musste monatelang am eigenen Leib ertragen, was es bedeutet, dass „der Islam“ unter Erdoğan wieder zum maßgeblichen politischen Bestandteil der Türkei geworden ist. „Der Islam“ in Deutschland ist gerade von jenen Islamverbänden geprägt, die sich als willfähriger verlängerter Arm des autoritär-klerikalen AKP-Regimes verstehen und dieses Gedankengut gerne nach Deutschland importieren wollen. Diese Geisteshaltung darf in Deutschland niemals salonfähig werden.
25.03.18
8:31
Johannes Disch sagt:
Deniz Yücel wurde nicht wegen "Dem Islam" inhaftiert. Seine Verhaftung-- die natürlich unrecht und willkürlich war-- hatte keine religiösen Gründe, sondern politische.
26.03.18
13:25
grege sagt:
Gerade in zunehmend islamistisch geprägten Ländern wie die Türkei wächst die Unschärfe zwischen politischen und sogenannten religiösen Gründen. Die Aussagen der CSU halbe ich auch nicht gerade für zielführend, allerdings sind die schulmeisterlichen Belehrungen konservativ geprägter Islamveräbnde ebenso wenig erbaulich. In Sachen Vielfalt und Toleranz sollten diese Verbände estmal ihre eigene Haltung überdenken und reformieren.
26.03.18
22:46
Ute Fabel sagt:
@ Johannes Disch: "Eine prima Regierungserklärung von Angela Merkel. Und eine ihrer besten überhaupt." -- "Der Islam ist zu einem Tel Deutschlands geworden." (Angela Merkel) "Der Satz war wichtig! Vor allem nach den unseligen Äußerungen ihres "AfD-Ministers" Horst S". Ich treffe mich regelmäßig mit syrischen Flüchtlingen in Wien. Einer davon, aus einer sunnitischen Familie stammend, hat schon in Damaskus gegen den zunehmenden islamischen Mief in der syrischen Gesellschaft rebelliert. Als er einmal während des Ramadans untertags auf einem öffentlichen Platz gegessen und getrunken hat, drohte ihm ein Cousin zweiten Grades mit den Erschießen, sollte er sich noch einmal so respektlos gegenüber dem Islam verhalten. Dieser Verwandte, dem inzwischen Asyl im Allgäu gewährt wurde, hat sich über die Regierungserklärung von Angela Merkel und ihren Aussagen zum Islam riesig gefreut. Wie der Kabarettist Dieter Nuhr es einmal richtig ausgedrückt hat: " Der Islam ist nur tolerant, solange er keine Macht hat. Wir müssen uns darum kümmern, dass es dabei bleibt."
27.03.18
7:31
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: "Eine prima Regierungserklärung von Angela Merkel. Und eine ihrer besten überhaupt. -- "Der Islam ist zu einem Tel Deutschlands geworden." (Angela Merkel)" Ich bin in Kontakt zu einem Syrer, welcher aus einer sunnitischen Familie stammt, der mit dem Islam und seinen absurden Verhaltensregeln schon als Jugendlicher nichts am Hut gehabt hat, als er noch in seiner Heimat lebte. Als er in Damaskus während des Ramadans einmal untertags auf einem öffentlichen Platz aß und trank, wurde er von einem Cousin zweiten Grads sogar bedroht. Wie soeben erfahren haben, hat sich dieser Verwandte, dem mittlerweile Asyl in Deutschland gewährt wurde, über die Aussagen von Bundeskanzlerin Merkel zum Islam in ihrer Regierungserklärung riesig gefreut.
27.03.18
13:17