Erneute Islam-Debatte

SPD: Islam-Debatte hilft nicht – Grüne für Solidarität mit Muslimen

Nach Seehofers Islam-Äußerung haben sich nun andere Politiker zu Wort gemeldet. Die SPD sieht die neue Debatte als hilflos und die Grünen fordern mehr Solidarität mit Muslimen.

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03
2018
Symbolbild: Einzigartiger Studiengang "Interfaith Studies" © Facebook Universität Luzern, bearbeitet by iQ.
Symbolbild: Einzigartiger Studiengang "Interfaith Studies" © Facebook Universität Luzern, bearbeitet by iQ.

Die SPD hält die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) neu entfachte Diskussion über den Islam in Deutschland für nutzlos. „Das ist eine acht Jahre alte Debatte, die innerhalb der Union immer noch geführt wird, aber niemanden weiterbringt“, sagte Fraktionschefin Andrea Nahles der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Samstag). Die Grünen warfen dem CSU-Chef vor, Muslime vor den Kopf zu stoßen und wollen angesichts von Anschlägen auf Moscheen ein Zeichen der Solidarität setzen. Seehofer wies Kritik an seinen Äußerungen zurück.

Hilflose Debatten

Der neue Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag): „Wir müssen über Arbeit und Bildung sprechen und über Regeln für unser Zusammenleben.“ Die Debatte, die Seehofer fortsetze, diene keinem inhaltlichen Zweck, sondern bediene nur eine bestimmte Stimmung vor der Landtagswahl im Herbst in Bayern. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte im ZDF: „Vor Ort helfen solche Debatten überhaupt nicht.“ Es gehe darum, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft ein gutes Zusammenleben zu organisieren.

Der neue Innenminister hatte der „Bild“-Zeitung (Freitag) gesagt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Hier lebende Muslime gehörten aber „selbstverständlich“ dazu. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich von den Äußerungen distanziert: Deutschland sei stark vom Christen- und Judentum geprägt, aber es lebten Millionen Muslime hier. „Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam.“

Die nordrhein-westfälische Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und ähnlich der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Samstag): „Natürlich gibt es Tendenzen im Islam, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, aber dann erfordert dies auch eine Differenzierung zu sagen: Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland, aber der Islam, an den die 4,5 Millionen Menschen in unserem Land glauben, die gehören natürlich mit ihrem Glauben dazu.“

Muslime und Islam untrennbar

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, sagte dem „Handelsblatt“, Seehofer schüre mit seiner Aussage unnötig Konflikte und Vorurteile, die nicht zuletzt die Polizei auszubaden habe. „Man kann auch nicht sagen, dass Muslime zwar zu uns gehören, der Islam aber nicht – beides ist untrennbar.“

Seehofer verteidigte seine Äußerungen. „Dass Deutschland geschichtlich und kulturell christlich-jüdisch und nicht islamisch geprägt ist, kann doch niemand ernsthaft bestreiten. Das ist für mich entscheidend, wenn es um die Frage geht, was zu Deutschland gehört“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Er sei nicht bereit zu akzeptieren, dass Extremisten, egal ob rechts oder links, weiter Zulauf erhielten. Mehrere CSU-Politiker stellten sich erneut hinter seine Aussagen.

Widerspruch gab es zu dieser Aussage von wissenschaftlicher Seite. In Nachricht von „Deutschlandfunk“ gab der Mittelalterhistoriker Michael Borgolte an, dass der Islam „einen geradezu grundlegenden Beitrag zur hiesigen Kultur geleistet“ habe. Der emeritierte Mediävist der Berliner Humboldt-Universität sagte dem Evangelischen Pressedienst, dass Araber und Syrer muslimischen Glaubens  große Teile antiker griechischer Naturwissenschaften und Philosophie gerettet und der lateinischen Welt des westlichen Europas überliefert hätten.

Grüne zeigen Solidarität mit Muslimen

Die Grünen wollen nach Anschlägen auf Moscheen Solidarität mit den Muslimen in Deutschland deutlich machen. An der Fraktionssitzung im Bundestag an diesem Dienstag nimmt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, teil, wie Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Samstag der Deutschen Presse-Agentur sagte. „Gemeinsam wollen wir ein klares Zeichen setzen, dass Gewalt in unserem Land – egal von wem und gegen wen – nicht geduldet wird.“

In den vergangenen Tagen waren in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg Brandanschläge auf Moscheen und deutsch-türkische Vereine verübt worden. Vermutet wird ein Zusammenhang mit der türkischen Militäroffensive im syrischen Kurden-Gebiet um Afrin. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Welches Islam-Verständnis soll denn nun angeblich zu Deutschland gehören? Welche Islam-Variante oder welches islamische Weltbild? Wir brauchen sehr wohl klare, intensive Islam-Debatten über Sinn, Zweck und Ziele dieses Glaubens an unbekannte überirdische Mächte unklarer Herkunft und fragwürdiger Existenz.
17.03.18
16:40
Ute Fabel sagt:
Aus mehreren Koransuren lässt sich klar ableiten, dass den Bergen im Islam eine stabilisierende Funktion auf der Erdenscheibe zugeschrieben wird. Koran 78:6-7: Haben wir nicht die Erde zu einem Lager gemacht und die Berge zu Pflöcken? Koran 21:31: Und feste Berge haben Wir in der Erde gemacht, auf daß sie nicht mit ihnen wanke. Koran 16:15: Und Er hat feste Berge auf der Erde gegründet, damit sie nicht mit euch wanke... Die moderne Geologie hat herausgefunden, dass das so ziemlich das genaue Gegenteil wahr ist. Gebirge sind Produkt kollidierter, driftenden Kontinentalplatten. Den Islam als Retter der Wissenschaften hochzustilisieren, wie das Herr Borgolte tut, ist unverdient. Richtig ist, dass im Mittelalter in der Einflusssphäre des Christentums ein noch engstirnigerer religiöser Dogmatismus vorherrschte, der den Menschen den Verstand noch mehr raubte. Die Beschäftigung mit antiken „heidnischen“ Schriften wurde aber keineswegs in den religiösen islamischen Zentren Mekka und Medina angeregt und betrieben. Sie erfolgte durch Menschen in der Peripherie des islamischen Herrschaftsbereiches. die an Wahrheiten jenseits des Islams glaubten. Die Pflege antiker Wissenschaften im Mittelalter erfolgte daher nicht wegen sondern trotz des Islams.
18.03.18
7:06
Manuel sagt:
Die mittelalterlich-islamische Gesellschaftsordnung, wie sie in den islamischen Herkunftsländern praktiziert wird, gehört sicher nicht zu Deutschland, ebenso wenig der erzkonservative, antisäkulare, aliberale, homophober, rassistischer, antisemitischer, frauenfeindliche und politische Islam.
18.03.18
17:39
Johannes Disch sagt:
Meine Güte, Horst Seehofer tritt eine Uralt-Debatte wieder los. -- "Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland" (BP Wulff 2010). "Inzwischen auch" sind die beiden entscheidenden Vokabeln. Man sollte dem Dampfplauderer Seehofer nicht weiter Beachtung schenken.
18.03.18
22:55
Prinzessin Rosa sagt:
@Fabel: Meine Güte, Sie schlagen hier mit Argumenten auf die historisch unhaltbar sind. Mekka und Medina waren Jahrhunderte irrelevant für den wissenschaftlichen und theologischen Diskurs, es war die sprichwörtliche Peripherie. Die Gebiete der heutigen Länder Türkei, Syrie, Iran, Irak, Ägypten, um nur ein paar zu nennen bildeten die Macht und Gelehrtenzentren aus. Und für das erste, um Sie intellektuell nicht zu überfordern, lesen Sie mal einen Wiki-Artikel über arabischstämmige Wörter im deutschen. Und das Geschenk der Tradierung ist nicht nur das Wort sonder auch dessen Inhalt.
18.03.18
23:52
Ute Fabel sagt:
"An der Fraktionssitzung im Bundestag an diesem Dienstag nimmt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, teil" Warum laden die Grünen nicht besser die frisch gebackene Imamin Seyran Ateş zu ihrer Fraktionssitzung ein? Das wäre ein viel fortschrittlicheres Signal! Diese fantasielose Anbiederung der deutschen Mitte-Links-Parteien an den konventionellen Islam stellt ein politisches Versagen dar. Davon profitiert die AfD, die dadurch ein Monopol bei der Islamkritik bekommt.
19.03.18
12:00
Johannes Disch sagt:
@Frederic Voss (Ihr Post 17.03.18, 16:40) -- "Welches Islam-Verständnis soll den nun zu Deutschland gehören?" (Frederic Voss) Genau diese Frage hätte Seehofer stellen müssen. Daran war er wohl aber gar nicht interessiert. Und zudem würde diese Diskussion den Populisten Seehofer intellektuell auch völlig überfordern. Ihre Frage ist schon lange beantwortet. Nur ein Islam, der sich an den westlichen Werten orientiert, ist für Deutschland akzeptabel. Das haben so aber schon vor 20 Jahren Gelehrte wie Bassam Tibi, Abu Zaid, Navid Kermani und andere formuliert. Seehofers "Debattenbeitrag" ist also so interessant wie die Zeitung von vorgestern. Zudem hat Seehofer auch in der Sache unrecht. Der wissenschaftliche Aufbruch des Mittelalters in Europa und in Deutschland wäre ohne den Beitrag islamischer Gelehrter nicht möglich gewesen. Grundlegende Werke der Antike waren zu Beginn der Renaissance in Europa so gut wie vergessen. Islamische Gelehrte machten sie Europa wieder zugänglich. Siehe u.a. das grundlegende Werk des großen deutschen Philosophen Ernst Bloch: "Avicenna und die aristotelische Linke." Der Islam gehört kulturell also sehr wohl zu Europa und zu Deutschland. Zudem ist es inzwischen einfach ein Fakt, dass ca. 4 Millionen Muslime bei uns leben. Keine Religion ohne gläubige Individuen. Die Trennung zwischen einer Religion; dem Islam; der laut Seehofer angeblich nicht zu uns gehört; und den Muslimen, die laut Seehofer doch zu uns gehören; ist Nonsens.
20.03.18
11:25
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: "Zudem ist es inzwischen einfach Fakt, dass zirka 4 Millionen Muslime bei uns leben" Fakt ist auch, dass bei der Bundestagswahl mehr als 5. Millionen Deutsche die AfD gewählt haben. Nach Ihrer Logik müsste es daher hoch an der Zeit sein, dass der Bundespräsident erklärt, die AfD gehöre zu Deutschland "Die Trennung zwischen einer Religion; dem Islam; der laut Seehofer angeblich nicht zu uns gehört; und den Muslimen, die laut Seehofer doch zu uns gehören; ist Nonsens." Am 22.10.2017 erschien in IslamiQ ein Artikel unter dem Titel „AfD-Wähler nicht aufgeben“. Bei der AfD scheint es legitim zu sein, zwischen Partei und Wählern feinsäuberlich zu differenzieren, während Muslime und Islam als untrennbare Einheit zu betrachten sind. Da wird wohl eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. @Prinzessin Rosa: "Lesen Sie mal einen Wiki-Artikel über arabischstämmige Wörter im Deutschen" Soll ich es vielleicht auch der römisch-katholischen Kirche danken, dass es im Deutschen italienische Fremdworte gibt? Genauso wenig wie die Florentiner Renaissance des 15. Jahrhunderts und die Blüte der niederländischen Kultur im 17.Jahrhunderts eine Errungenschaft des Christentums waren, sind die Leistungen arabischer Gelehrter im Mittelalter als Produkt der islamischen Religion. Diese erfreulichen Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte fanden nicht wegen sondern trotz des bestehenden religiösen Korsetts statt.
20.03.18
12:45
Mohammad Al-Faruqi sagt:
@ Fabel Dass sich Frau Fabel jetzt sogar zur Quran-Exegese berufen fühlt, war mir nicht bekannt. Man lernt halt nie aus. Am Anfang und am Ende der fabelhaften Interpretation steht das alte Lied: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten".
20.03.18
20:29
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (19.03.18, 12:00) Zur angeblich "frisch gebackenen Imamin Seyran Ates": Dazu hat sich Frau Ates selbst ernannt, was in islamischen Kreisen keinen interessiert. Für einen offiziellen "Imam" braucht es "Idschaza", eine islamische Lehrerlaubnis. Die hat Frau Ates nicht. Dass man Herrn Mazyek vom ZMD einlädt, das ist keine Anbiederung. Es ist völlig normal, den Repräsentanten eines großen Verbandes einzuladen, der ein Kollektiv vertritt. Und das tut Herr Mazyek nun mal. Niemand würde eine Einladung an Herrn Kempf-- Chef des BDI-- als Anbiederung an die deutsche Wirtschaft begreifen. Seyran Ates hingegen vertritt nur sich selbst und ihre Ansicht über die Dinge. Ich schätze Frau Ates und ihre Arbeit. Aber langsam muss sie sich fragen lassen, ob sie mit ihren plakativen Inszenierungen ihrer Sache wirklich einen guten Dienst erweist? Den fragwürdigen Höhepunkt erreichte Frau Ates kürzlich mit der Behauptung, Musliminnen würden von Extremisten dafür bezahlt, das Kopftuch zu tragen. (Artikel erschien hier vor einigen Tagen: "Musliminnen fragen: Where is my Money?" Da wird Frau Ates wunderbar durch den Kakao gezogen)
20.03.18
21:34
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