München

Kardinal fordert sachliche Debatte über den Islam

Der Münchener Kardinal Reinhard Marx fordert eine sachliche Debatte über den Islam in Deutschland. Die Multireligiosität sei längst gesellschaftliche Wirklichkeit.

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2015
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Kirche: Das Gotteshaus der Christen
Kirche © by Bill Damon auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat eine sachliche Debatte über und mit dem Islam in Deutschland angemahnt. „Ich habe nicht die Angst, dass Deutschland in zehn Jahren islamisch wird, das kann ich nicht erkennen“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Freitag im Münchner Presseclub. Hinter solchen Vorstellungen einer Islamisierung steckten oft Verschwörungstheorien. Marx begrüßte, dass Religion wieder ein Thema in der Gesellschaft sei. Zugleich richtete er die Bitte an die Diskutanten, sich auf der Basis echter Kenntnisse und in ernster Weise damit zu beschäftigen.

„Die meisten, die über den Islam reden, sehen vermummte Schlächter vor sich“, sagte er. Das sei so ähnlich, wie wenn Christen auf die Hexenverbrennungen reduziert würden. Der Kardinal erinnerte daran, dass auch ohne die aktuelle Flüchtlingsbewegung bereits 3,5 Millionen Muslime in Deutschland lebten. „Die haben wir ins Land geholt, damit sie mit ihrer Arbeitskraft unseren Wohlstand sichern.“ Zudem besitze bereits die Hälfte von ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Multireligiosität sei daher längst gesellschaftliche Wirklichkeit.

Der Kardinal prognostizierte zugleich, dass sich der Islam in Deutschland heftigen Debatten stellen müsse. Dies könne in einer offenen Gesellschaft nicht ausbleiben. Zu klären sei, ob und wie man den Koran auch kritisch lesen könne, und wie es um das Verhältnis zur Gewalt bestimmt sei. Leider gebe es an den Münchner Universitäten bisher keine islamische Theologie.

Marx erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass auch die katholische Kirche erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) die Menschenrechte und die Religionsfreiheit anerkannt habe. Die Christen und der Westen insgesamt seien ihrerseits herausgefordert, sich auf das zu besinnen, was ihnen wichtig sei.

„Weil ich Christ bin, kann ich nicht zum muslimischen Flüchtling sagen: Deine Not kümmert mich nicht“, sagte der Kardinal. „Ich kann auch als Christ nicht sagen: Ein Deutscher ist besser als ein Syrer.“ Die Menschenwürde gelte nicht nur für Europäer. Marx machte aber auch deutlich, dass den Kirchen in Deutschland langfristig die ökumenische Aufgabe zuwachse, besonders den Christen unter den Flüchtlingen nahe zu sein. Noch lägen nicht einmal Zahlen zu ihnen vor. Daher sei es für strukturelle Maßnahmen wie die Bildung von Pfarreistrukturen zu früh. „Eine ganze Reihe von ihnen wird sich erst melden, wenn sie richtig angekommen sind“, mutmaßte der Münchner Erzbischof. (KNA, iQ)