Essen

Kritik an Ausschluss von Ausländern bei Tafel

Die Tafel in Essen schließt ausländische Kunden vorläufig aus und erntet bundesweit starke Kritik für diesen Beschluss.

24
02
2018
Essener Tafel
Die Essener Tafel nimmt zur Zeit nur noch Deutsche © Marco Verch auf © flickr, CC 2.0, bearbeitet iQ

Der von der Essener Tafel verhängte vorläufige Aufnahmestopp für ausländische Kunden sorgt weiter für Diskussionen. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Tafeln, Jochen Brühl, distanzierte sich am Freitag im ARD-Morgenmagazin von dem Schritt, warb aber zugleich um Verständnis. Die Initiative aus Essen zeige die „Überforderung von Tafeln in Deutschland“. Dahinter steckten keine rassistischen Motive.

Kritik kam aus der nordrhein-westfälischen Landesregierung. „Nächstenliebe und Barmherzigkeit kennen grundsätzlich keine Staatsangehörigkeiten“, sagte Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). Er habe deswegen „persönlich Zweifel“, ob die Staatsangehörigkeit das richtige Kriterium sei, um die große Nachfrage bei den Tafeln konfliktfreier organisieren zu können.

Caritas-Präsident Peter Neher rief in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) zu Besonnenheit bei dem Thema auf und warnte vor „einer populistischen Debatte, die hilfebedürftige Menschen verletzt“. Die Vorgänge in Essen machten ihm wegen der großen öffentlichen Aufmerksamkeit Sorgen.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, sprach von einem völlig inakzeptablen Vorgehen. „Wir erwarten deshalb ganz klar von der Organisation, dass sie diese Diskriminierung sofort beendet.“

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sieht hinter dem Aufnahmestopp ein größeres Problem. Die Tafeln seien „Lückenbüßer“ dafür, dass staatliche Leistungen nicht ausreichten. Der Paritätische forderte von der Essener Tafel, mit der Kommune und Wohlfahrtsverbänden nach anderen Lösungen zu suchen.

Bei der Tafel in Essen stieg nach Angaben des dortigen Vorsitzenden Jörg Sartor der Anteil der nicht-deutschen Kunden seit 2015 von 35 auf 75 Prozent an. Durch Flüchtlinge und Zuwanderer seien ältere Tafel-Nutzerinnen und Alleinerziehende einem Verdrängungsprozess zum Opfer gefallen. Der Aufnahmestopp für Ausländer werde seit Mitte Januar umgesetzt und solle so lange bestehen, „bis die Waage wieder ausgeglichen ist“.

Im Morgenmagazin beklagte der Vorsitzende der Essener Tafel eine immer aggressivere Atmosphäre bei der Lebensmittelverteilung, zu der den Angaben zufolge unter anderen Syrer und Russlanddeutsche beitrügen. „Wenn wir hier um neun Uhr die Tür aufmachen, dann wird die Oma, die seit sieben Uhr da steht, weggeschubst.“

Der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer, dessen Gemeinde ebenfalls eine Tafel betreibt, wandte sich gegen den Ausschluss bestimmter Bedürftiger. „Wie wollen Sie das denn alles sortieren? Das geht doch gar nicht“, sagte er im Kölner domradio. „Die tun mir leid in Essen. Denn offensichtlich ist die Not da so groß, dass die es nicht mehr bewältigt bekommen. Das ist schlimm.“

In Bochum-Wattenscheid werden laut ARD-Morgenmagazin arabische Personen mit Deutschkenntnissen als Bedienung eingesetzt. Wenn Mitarbeiter die Sprache verstünden, sei direkt „eine andere Meinung im Gelände“, so Manfred Baasner von der Wattenscheider Tafel. (KNA/iQ)

Die Essener Tafel nimmt zur Zeit nur noch Deutsche © Marco Verch auf © flickr, CC 2.0, bearbeitet iQ

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Die Kritik an der Maßnahme der Essener Tafel ist auch berechtigt. Man kann den Ausschluss nicht vom Pass abhängig machen und so pauschal ganze Gruppen einfach ausschließen.
24.02.18
19:03
Kritika sagt:
L.S. Tafel-Initiatoren opfern viel Freizeit dafür, weniger gut gestellte Menschen eine gute Nahrung zu ermöglichen. Ungebetene Gäste, mehrheitlich MuslimFlüchtlinge und deren Protoganisten massen sich nun an, über die Verteilung mitbestimmen zu können. Dies bedeutet - da die NahrungsMenge begrenzt ist - dass die ursprüngliche ZielGruppe weniger bekommen soll. Mit den Händen in der Tasche zu stehen aber Kritik an den fleissigen, selbslosen Helfern zu üben, ist abstossend. 'GottesSohn' Jesus konnte, der Saga nach, Brot, Wein und Fische vervielfältigen. Wenn Allah, wie seine beide 2 "GötterKollegen" der Gott Jaweh oder der Christliche einfach 'Gott, ebenfalls "allmächtig ist und "alles kann" dann sollten sich die Muslims Ihm beim Wort nehmen und höflich auf das UnterversorgungsProblem seiner Gläubigen aufmerksam machen. Die Tafelmitarbeiter würden sich riesig freuen. Gruss, Kritika
25.02.18
1:49
SoWas sagt:
... da hat islamiq wieder ein neues Thema gefunden um dem guten Michel seine Ausländerfeindlichkeit in den Kopf zu prügeln... Eine Ansammlung von Kurzzitaten ohne genaue Kenntnisse der Hintergründe soll ausreichen... Tafeln wurden ursprünglich gegründet um die Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen, es sind private Vereine (und dürfen insoweit zunächst mal tun, was sie wollen). Der "Deal" mit den Lebensmittelproduzenten war, dass mit der Entgegennahme von Lebensmitteln kein Gewinn gemacht wird (sprich kein Weiterverkauf), sondern Bedürftigen geholfen werden soll. D.h. es ist deren Entscheidung, wer etwas bekommt und wer nicht. Der Verein beliefert übrigens seit Jahren andere soziale Einrichtungen und dort sind es teilweise bis zu 90 % Ausländer. Also nix mit der wohlfeilen Aufregung des "gebildeten Mittelstandsbürgers", der sich die Nase rümpfend abwendet und sich schütteln mal wieder sagen kann... "Äh diese Tafel, ausländerfeindlich). Nein, genau das Gegenteil. Der Staat hat insbesondere durch die Harz-Regularien aus Deutschland ein Billiglohnland gemacht, kein Punkt auf der Welt ist geschützt, vor unserem Lohndumping zu Lasten unserer Bürger. In Belgien/Luxemburg die Stahlindustrie, in Nordafrika die lokale "Fleischfirmen" u.s.w. Leider hat dieser Staat vergessen, dass dies alles auf dem Rücken des einfachen Bürgers gemacht wird. Das Ergebnis ist, dass genau diese Oma, die hier 40 Jahre gebuckelt hat, brav Steuern bezahlt hat, jetzt auf einmal feststellen muss, es geht nur noch, wenn ich mich jeden Morgen in einer Ansammlung von die "Ellenbogen ausfahrenden" Menschen vor der Eingangstür einer Tafel anstellen muss. Das machen diese Menschen nur im Stillen, sie verschwinden dann einfach zunächst vor dem Kampf der Eingangstür der Tafel und später aus unserer Sicht und dann lesen wir immer wieder mal einen Artikel, dass ein Rentner wochenlang tot in seiner Wohnung gelegen ist und keiner hat es bemerkt. Die Tafel hat genau dieses Verschwinden vor iher Tür bemerkt. Vielleicht hätte sie einen eleganteren Weg gehen sollen, aber sie hat einfach recht. Es geht nicht um die Ausgrenzung von Ausländern, sondern umgekehrt um die Einbindung unserer Schwächsten, die diese Republik aufgebaut haben und nun einfach als Ergebnis unserer respektlosen Behandlung von Alten leiden.
25.02.18
12:28
Andreas sagt:
Jochen Brühl irrt, wenn er behauptet, hinter der Maßnahme stünden keine rassistischen Motive. Wenn das Kriterium für Aufnahme oder Ablehung einzig die Staatsangehörigkeit ist, dann kann man das rassistisch nennen. Man kann nicht álle Ausländer abweisen mit dem Verweis, dass es Ausländer gibt, die die Oma wegschubsen. Wenn jemand jemand anderes wegschubst, kann man ihm Hausverbot erteilen, kann aber nicht alle Nichtdeutschen in Sippenhaft nehmen. Regierungsmitglieder sollten sich jedoch bei aller Kritik auch an ihr eigenes Versagen erinnern. Wenn nämlich immer mehr Menschen auf die Tafeln abgewiesen sind, haben unsere Politiker versagt.
26.02.18
14:19
grege sagt:
Die Vergabe der Lebensmittel sollte natürlich von der Befürftigkeit und nicht von der Staatsangehörigkeit abhängen. Gleichwohl kann ich den Unmut der so handelnden Personen nachvollziehen. Insbesondere haben wohl Syrer hier Missbrauch mit den Hilfsgütern betrieben. Ich finde das Verhalten dieser Menschen entsetzlich, die hier einen schlechten Ruf über ihre Landsleute verbreiten.
26.02.18
20:45
Johannes Disch sagt:
@Andreas (26.02.18, 14:19) Auch der Bundesverband der Tafeln kritisiert die Entscheidung der Essener Tafeln. Die einzelnen Tafeln sind ihren Entscheidungen aber autonom. Natürlich ist ein pauschaler Ausschluss von Menschen aufgrund ihrer Nationalität diskriminierend und nicht hinnehmbar. Es gibt auch Deutsche, die sich dort nicht korrekt verhalten, was die Mitarbeiter der Tafel und Kunden auch eingeräumt haben. Was gedenkt der Chef der Essener Tafel denn da zu tun? Werden im Sommer die "Ausländer" wieder reingelassen und müssen dafür dann die Bedürftigen mit deutschem Pass nicht rein? Der Chef der Essener Tafel hat ja seine Not geschildert. Und ich kann den Mann durchaus verstehen. Aber die Maßnahme, die er sich ausgedacht, ist unpassend und wird das Problem nicht lösen. Rechtlich und ethisch richtig ist nur ein individueller Ausschluss nach dem Verursacherprinzip. Man gibt ja auch nicht allen Opel-Fahrern 3 Monate Fahrverbot, wenn in den letzten Wochen Opel-Fahrer überdurchschnittlich viele Unfälle gebaut haben. Schlimm genug aber, dass man den armen Mann und seine Mitarbeiter überhaupt so im Regen stehen lässt. Da wäre die Essener Politik gefragt. -- Zum allgemeinen Phänomen der "Tafeln": Richtig, "Andreas", es ist eine Schande, dass es so etwas in einem der reichsten Länder der Welt überhaupt gibt. Sozialpolitik? Findet in diesem Land schon lange nicht mehr statt! Der soziale Wohnungsbau wird seit über 20 Jahren runtergefahren, sodass sich immer mehr Menschen keine bezahlbare Wohnung mehr leisten können. Und um satt zu werden, müssen immer mehr Menschen für Produkte anstehen, die schon 2 Tage alt sind und die man im normalen Handel nicht mehr verkaufen kann. Es ist eine Schande! Darüber sollten sich die Leute hier aufregen. Und nicht über "Ausländer" oder Muslime. Wie sagte "Angie" Merkel im Wahlkampf? "Ein Land, in dem wir gut und gerne leben." "Angie" Merkel sollte vielleicht mal so eine Tafel besuchen. Oder am besten dort einige Tage dort stundenlang anstehen. Mal schauen, ob sie dann ihren Wahlkampf-Slogan aufrecht erhalten würde? Die größte "Tafel" gibt es übrigens in "Muttis" Heimatland Mecklenburg-Vorpommern. Sie steht in Neu-Brandenburg.
26.02.18
20:53
Johannes Disch sagt:
Die Essener Tafel bleibt bei ihrem Beschluss, vorerst keine Ausländer mehr zuzulassen. Die Begründung macht einen fassungslos: Ältere Menschen würden sich aufgrund des hohen Ausländeranteils nicht mehr wohl fühlen und deshalb weg bleiben. Diese Begründung ist nun eindeutig rassistisch.
28.02.18
1:16
Johannes Disch sagt:
@"Armut: Die Verteilungskämpfe haben begonnen." Ein lesenswerter Artikel von heute in der "SZ", den ich sehr empfehle. Der wahre Skandal besteht nicht darin, dass es zu Drängeleien bei den Tafeln kommt und die Essener Tafel nun zu einer fragwürdigen Maßnahme gegriffen hat. Der wahre Skandal besteht darin, dass in einem der reichsten Länder der Welt, wo die Steuereinnahmen des Staates sprudeln, Armut inzwischen systemisch geworden ist und die Politik das einfach hinnimmt. Jedes fünfte Kind ist arm. Und jeder dritte alleinstehende Erwachsene von Armut bedroht. Die Infrastruktur zerfällt. Unsere öffentlichen Schulen sind in einem erbärmlichen Zustand. Was schnelles Internet betrifft, da ist Deutschland nur Mittelmaß. Das alles wegen einer falschen Wirtschaftspolitik. Wegen einer Austeritätspolitik. Wegen eines Fetischs, genannt "Schwarze Null" (die auch von der kommenden Regierung nicht angetastet werden soll, wie der designierte Wirtschaftsminister Peter Altmeier heute verlauten ließ). Aber der deutsche Michel geht weiter brav arbeiten für einen Mindestlohn, der kaum die Existenz sichert. Er lässt sich schikanieren von Sachbearbeitern in sogenannten "Jobcentern" und die Stütze kürzen, weil er mal 10 Minuten zu spät zu einem Termin kommt. Aber auf die noch Schwächeren, da geht der deutsche Michel gerne los: Auf "Die Ausländer" oder "Die Muslime" (siehe Artikel und gewisse Kommentare dazu). Na, da kann sich das Kapital ganz prima zurücklehnen und sich weiter seiner Verantwortung entziehen (bsp. Großkonzerne, die schon lange gar nicht mehr daran denken, Steuern zu zahlen, etc.).
28.02.18
13:28