Nachgefragt

Eine neue Geschichte der Welt

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Dr. Peter Frankopan und sein Buch „Licht aus dem Osten-eine neue Geschichte der Welt“.

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2016
Dr. Peter Frankopan - Licht aus dem Osten © Rowohlt Verlag, bearbeitet iQ.

IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch „Licht aus dem Osten-eine neue Geschichte der Welt“ gerne schenken und warum?

Peter Frankopan: Ich würde das Buch eigentlich sehr vielen Menschen schenken wollen, weil ich mit meinem Buch eine bessere Erklärung für die Vergangenheit liefern möchte, als diejenigen die wir zu lesen gewohnt sind. Als Historiker kann ich nur drauf hoffen, etwas zu erklären, weniger darauf hoffen, etwas zu verändern. Mir schien es wichtig, verständlich zu machen, dass sich die Welt in einer Phase der Veränderung befindet, die weder ungewöhnlich noch beängstigend ist. Wichtig ist, dass wir lernen uns anzupassen. Ich glaube, Wissen ist zentral für die Entwicklung von Tugend und Mitgefühl. Wir müssen auf unseren Verstand hören, nicht auf unsere Herzen. Dies wird nur durch eine gute Bildung erreicht.

Peter Frankopan
Licht aus dem Osten – Eine neue Geschichte der Welt
ISBN: 978-3871348334
Rowohlt Verlag
2016

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

Frankopan: Weil wir in einer Welt leben, in der es viele laute, eindringliche und überzeugende Stimmen gibt. Da ist es sehr schwer, herauszufinden, wem man glauben und vertrauen kann. Außerdem buhlen eine Menge von Themen um unsere Aufmerksamkeit: von Religion bis Russland, vom Iran bis China, von Trump zum Brexit, von Migration zu Identität. Um all diese Themen angemessen und richtig zu verstehen, erfordert es ein Verständnis für die Zusammenhänge. Wissenschaftler haben daher nicht nur die Aufgabe, aktuelle Ereignisse zu erklären. Sie müssen auch Lösungswege aufzeigen.

In meinem Buch geht es unter anderem darum, dass Toleranz und Respekt mit Wohlstand einhergeht. Regierungen, politische sowie religiöse Führungspersonen und alle, die in hohen Positionen sitzen, müssen das begreifen. Aber nur sehr wenige tun es, glaube ich.

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Frankopan: Wir Menschen sind hochinteressante Wesen. Dank unserer Kommunikationsfähigkeit, unserem Interesse an Ideen und unserer unbändigen Neugier – sei es in Bezug auf Nahrung, das TV-Programm oder das Studieren alter Texte – unterscheiden wir uns von allen anderen Tierarten. Gute Bücher erinnern uns an unsere Sterblichkeit, daran, wie viel wir noch zu lernen haben. Sie helfen uns, unsere Umgebung besser zu verstehen. Und sie ermahnen uns dazu, unsere Mitmenschen mit Anstand und Respekt zu behandeln.

Die großen Weltreligionen lehren uns, dass wir alle von Gott erschaffen wurden. Diejenigen, die meinen, begünstigt zu sein, sollen sich glücklich schätzen. Ihre Freude sollte sich in Mitgefühl und Güte gegenüber jenen ausdrücken, die ihrer Ansicht nach weniger begünstigt sind, nicht in der furchtbaren Art der Behandlung, zu der einige gegenüber Andersgläubigen oder Angehörigen anderer Kulturen berechtigt zu sein glaubten. Güte bringt die Seele zum Klingen. Sie wird im diesseitigen wie im jenseitigen Leben belohnt. Daran können uns gute Bücher erinnern.

IslamiQ: Ihr Buch „Licht aus dem Osten-eine neue Geschichte der Welt“ in drei Wörtern zusammengefasst?

Frankopan: Veränderung ist normal.

IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: In Ihrem Buch schreiben Sie darüber, dass sich die Weltpolitik in dem Nahen Osten abspielt. Auch die drei monotheistischen Religionen sind in dieser Region entstanden. Wie erklären Sie dieses Phänomen?

Frankopan: Nicht nur die drei großen monotheistischen Religionen. Auch der Zoroastrismus, der Buddhismus, der Hinduismus ebenso wie animistische Lehren konkurrierten und verbreiteten sich entlang der Seidenstraße. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wo Leute miteinander in Kontakt kommen, wollen sie normalerweise erzählen, zuhören und lernen. Austausch regt neue Ideen und Erkenntnisse an. Er erlaubt nicht nur die Verbreitung von Vorstellungen über das Göttliche, sondern auch die Weitergabe von Waren, Sprachen, Kleidungsstilen, Pflanzen und Tieren, ja sogar die Übertragung von Krankheiten.

Die Region, über die ich schreibe, ist wie das Herz, das über Venen und Arterien – die Handelsstraßen – mit dem Rest des Körpers verbunden ist. Es ist wenig überraschend, dass sie alle dorthin zurückführen, wovon sich Menschen seit alters her angezogen fühlten.

Leserkommentare

Charley sagt:
Dass Lernen-wollen die höchste Tugend des Menschen ist, freut mich, dass er das auch erkennt. Aber dann gibt es verschiedene Aussagen, die doch sehr irritierend sind und die Frage aufwerfen, wie "weit" der Autor eigentlich denkt: - da wird der Mensch postuliert als Tierart, obwohl er allein in seiner Lernfähigkeit und -notwendigkeit ein Alleinstellungsmerkmal hat. - auch seine moralische Unbestimmtheit und Selbstbestimmungsfähigkeit wäre zu beachten (kein Löwe hat jemals ein schlechtes Gewissen, wenn er eine Gazelle frisst!) - "Ich glaube, Wissen ist zentral für die Entwicklung von Tugend und Mitgefühl. Wir müssen auf unseren Verstand hören, nicht auf unsere Herzen. Dies wird nur durch eine gute Bildung erreicht." Dass Verstandesfähigkeit nicht Tugend bewirkt zeigt die Entwicklung der Atombombe (Oppenheimer-Problem!) Wenn er alledings seine Aussage buddhistisch meint, könnte man ihr eine Erkenntnis unterstellen. - ".... dass Toleranz und Respekt mit Wohlstand einhergeht. Regierungen, politische sowie religiöse Führungspersonen und alle, die in hohen Positionen sitzen, müssen das begreifen." Das tut schon weh! Wo ist das denn zwingend bewiesen? Das es nicht zwingend mit einander einhergeht, lässt sich überall beobachten! - Bücher.."ermahnen uns dazu, unsere Mitmenschen mit Anstand und Respekt zu behandeln." Hoppla, wenn das mal klappt. Ich denke, dass Anstand und Respekt in ganz anderen menschlichen und exitenziellen Prozessen ,Fragen und Erkenntnissen urständen. Wer sich so unscharf ausdrückt wie der Autor, denkt da noch sehr, sehr flach! Wer per "Ermahnung" anständig und respektvoll wird, ist noch in einem Kindeszustand! - "Diejenigen, die meinen, begünstigt zu sein, sollen sich glücklich schätzen. Ihre Freude sollte sich in Mitgefühl und Güte gegenüber jenen ausdrücken, die ihrer Ansicht nach weniger begünstigt sind, nicht in der furchtbaren Art der Behandlung, zu der einige gegenüber Andersgläubigen oder Angehörigen anderer Kulturen berechtigt zu sein glaubten." Sollte, sollte, sollte..... diese Art der Moral(inen)predigt ist ja kaum zu ertragen. - "Güte bringt die Seele zum Klingen. Sie wird im diesseitigen wie im jenseitigen Leben belohnt. Daran können uns gute Bücher erinnern." Hier kitzelt er die persönliche Eitelkeit! Ich mache ein Geschäft mit "Gott" und erarbeite mir wie in einem Rabattmarkensystem einen Platz in der ersten Reihe im Paradies? Wenn Bücher von einem solchen Menschenbild ausgehen, dann sollte man sie wegwerfen oder einstampfen. Wer liebevoll ist, weil er sich selbst einen Gewinn davon erhofft, hat von der Liebe nichts, gar nichts begriffen. Da helfen auch nicht blumige, aber hohle Formulierungen wie "bringt die Seele zum klingen". Danke für diese Buchvorstellung. Ich weiß, worum ich sicherlich einen großen Bogen machen werde!
29.12.16
12:32
Charley sagt:
"gute Bildung" ..... Dass Bildung allerdings auch unvoreingenommene Neugier voraus setzt, die gerade in von religösem Dogmatismus geprägten Zusammenhängen (Gemeinschaften, Gemeinden, Staaten) tendenziell nicht gegeben ist, sondern die eben eben freies Hinterfragen, Denken und Lernen fast immer als Angriff auf ihre "Grundfesten" ansehen, ist allerorten zu sehen. "Boko haram" ist da nur ein Extrembeispiel. Dass ist auch richtig so, denn zur Freiheit, zur freien Erkenntnis zur freien Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung erzogene Menschen überwinden tatsächlich ständig religiösen Dogmatismus. Der Islam ist voll davon: "Allah existiert" ... und zwar genau so, wie wir ihn uns vorstellen nach unserer Lektüre des Koran.. "Mohammed war gut" ... egal was er tatsächlich tat. "der Koran enthält die reine Wahrheit" ... und wenn die Wirklichkeit anders ist, dann ist die Wirklichkeit im Irrtum (das war das Niveau der kath. Kirche bei Galilei und sonstwo..). .... die Liste ließe sich noch endlos fortführen.... Das Problem hängt daran, dass man gar nicht ahnt, wie frei wirkliche geistige Freiheit ist! ...und das es Menschen gibt, die Angst haben, Selbstverantwortung für sich zu übernehmen oder solches bei anderen verhindern wollen!
29.12.16
12:46