Studie

Religion ist für soziale Identitäten prägend

Religion ist in Deutschland und der Schweiz für soziale Identitäten eine prägende und strukturierende Größe. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Universitäten Leipzig und Luzern.

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Religion verbindet
Sybolbild Religion verbindet:shutterstock

Religion ist in Deutschland und der Schweiz für soziale Identitäten eine prägende und strukturierende Größe. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Universitäten Leipzig und Luzern. Dabei wurde der Frage nachgegangen, ob Religion für die eigene Identität wichtig ist und ob sie Menschen trennt oder miteinander verbindet. Die heute veröffentlichten Ergebnisse zeigen: Ihre religiöse Identität ist einer Mehrzahl der Deutschen und der Hälfte der Schweizer wichtig. Sie kann eine immense gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung haben.

„Religiöse Identität bringt gesellschaftlichen Zusammenhalt“

„Zum einen bringt eine starke religiöse Identität in dogmatischen religiösen Gruppen Abgrenzungsprozesse und Konfliktpotentiale hervor, zum anderen wirkt sie brückenbildend und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagt Prof. Dr. Gert Pickel, Religionssoziologe an der Universität Leipzig (siehe auch das Interview mit ihm weiter unten). Zusammen mit dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Antonius Liedhegener von der Universität Luzern leitet Pickel das Projekt „Konfigurationen individueller und kollektiver religiöser Identitäten und ihre zivilgesellschaftlichen Potenziale“, kurz KONID.

Der Forschungsbericht „Wie Religion ‚uns‘ trennt – und verbindet“ stellt die ersten Ergebnisse des KONID-Projektes vor. Die beteiligten Wissenschaftler haben 21 mögliche soziale Identitäten betrachtet, unter denen die religiöse eine beachtliche Bedeutung besitzt: 57 Prozent der Deutschen und 50 Prozent der Schweizer ist ihre Religionszugehörigkeit (eher bis äußerst) wichtig. Zugleich sprechen sich 66 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 60 Prozent (Schweiz) derer, die eine ausgeprägte religiöse Identität zeigen, für einen interreligiösen Dialog aus. Generell ähneln sich die Ergebnisse in Deutschland und der Schweiz bei den meisten Antworten.

Religiosität und Engagement bestärken sich wechselseitig

Speziell für Mitglieder von Freikirchen und für Muslime spielt Religion eine große Rolle. Sie berichten aber auch am häufigsten über Diskriminierungserfahrungen, die laut Bericht insgesamt moderat ausgeprägt sind. Ein weiteres Ergebnis für diese Gruppen: Positionen, nach denen „im Konfliktfall“ der Religion der Vorrang gegenüber der Verfassung eingeräumt werden sollte, sind in Deutschland bei Angehörigen von Freikirchen (30 Prozent) und bei Muslimen (25 Prozent) deutlicher ausgeprägt als in anderen Bevölkerungsgruppen. Als problematisch erachten die Forscher weniger die Religionszugehörigkeit, als religiös-dogmatische und autoritäre Einstellungsmuster, die die Haltung zur eigenen und anderen Religionen prägen.

Zudem stellen die Wissenschaftler fest: Religiosität und Engagement bestärken sich wechselseitig. „Wer in Deutschland seine religiöse Identität als äußerst wichtig ansieht, ist wesentlich häufiger gesellschaftlich engagiert (59 Prozent) als jemand, dem diese soziale Identität völlig unwichtig ist (48 Prozent)“, heißt es im Forschungsbericht.

Über 3.000 Personen befragt

Der „KONID Survey 2019“ ist eine repräsentative Bevölkerungsumfrage in Deutschland und der Schweiz. In ihr wurden jeweils über 3.000 Personen über 16 Jahre zu Zivilgesellschaft, sozialen Identitäten, religiöser Identität und Religiosität mit teils neu entwickelten Instrumenten zur Messung kollektiver Identitäten befragt. Autoren des dazu veröffentlichten Berichts sind neben den beiden Projektleitern die Theologin Yvonne Jaeckel, der Soziologe Dr. Alexander Yendell (beide Universität Leipzig) sowie der Religionswissenschaftler Anastas Odermatt (Universität Luzern). Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Schweizer Nationalfonds geförderte KONID-Projekt ist der quantitative Teil des interdisziplinären Forschungsverbundes „Soziale Gruppen und religiöse Identitäten in ziviler Gesellschaft (RESIC)“.