Bundestagswahl 2025

Muslime und die Wahlen – zwischen Hoffnung und der Angst vor einem politischen Wandel

Am Sonntag wählt Deutschland: Muslime stehen zwischen Hoffnung und Sorge. Welche Ängste beeinflussen ihre Wahlentscheidung und was steht auf dem Spiel? Eine Reportage.

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Muslime und Wahlen
Wer wird der nächste Bundeskanzler in Deutschland? © shutterstock, bearbeitet by IslamiQ.

Die politische Landschaft in Deutschland ist derzeit von Unsicherheit und Polarisation geprägt. Eine zentrale Frage, die viele Menschen beschäftigt, lautet: „Wen wählst du eigentlich?“ Laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag der ARD ist rund ein Drittel der Wähler noch unentschlossen. Die letzten Tage des Wahlkampfs könnten somit entscheidend sein, da die Parteien verstärkt darum kämpfen, diese unentschlossenen Wähler für sich zu gewinnen.

Ein spürbarer Rechtsruck in der politischen Diskussion spiegelt sich in den aktuellen Umfragewerten wider: Die CDU/CSU führt mit stabilen 30 %, während die AfD mit 22 % als zweitstärkste Kraft auftritt. Die SPD liegt bei 15 %, die Grünen bei 13 %, die FDP bei 4,5 % und die Linke bei 6,5 %. Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreicht 5 %.

Eine Wahl mit weitreichenden Konsequenzen

In den letzten Jahren hat sich die politische Landschaft Deutschlands stark verändert. Rechtspopulistische Parteien wie die AfD gewinnen zunehmend an Einfluss, während etablierte Parteien versuchen, mit verschärften Migrationsdebatten Wählerstimmen zurückzugewinnen. Der Mediendienst Integration berichtet, dass rechte Parteien von einer schleichenden Normalisierung rassistischer Narrative profitieren. In mehreren Bundesländern erzielt die AfD mittlerweile über 20 % der Stimmen. Ihr Erfolg zeigt, wie sehr migrationsfeindliche Rhetorik den politischen Diskurs beeinflusst hat.

Diese Entwicklung hat besonders Auswirkungen auf Menschen mit Migrationsgeschichte. Während der Bundestag unaufhörlich über Migration diskutiert, bestimmen populistische und radikale Positionen zunehmend den Ton. Doch wie erleben diejenigen, die unmittelbar betroffen sind, diese politische Atmosphäre? Wir haben mit ihnen gesprochen.

„Ich muss mir jedes Jahr aufs Neue meine Daseinsberechtigung erkämpfen“

Mina, eine Lehrerin mit türkischen Wurzeln, beschreibt ihre Sorgen: „Wenn die AfD an die Macht kommt, sehe ich meine Zukunft in Deutschland nicht mehr. Ich bin hier geboren, aufgewachsen, und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich mich jedes Jahr aufs Neue erklären muss.“ Sie wird die SPD wählen – nicht aus voller Überzeugung, sondern weil sie diese als das kleinere Übel betrachtet.

Die politische Beteiligung migrantischer Wähler könnte den Ausgang der Wahl entscheidend beeinflussen. Sie machen fast 14 % der Wahlberechtigten aus, doch ihre Wahlbeteiligung liegt unter dem Durchschnitt. Frustration, politische Enttäuschung und das Gefühl mangelnder Repräsentation halten viele von der Wahlurne fern.

Tarık, der in der Jugend- und Bildungsarbeit tätig ist, ruft seine Community zur Wahl auf: „Wir sind mehr, als man denkt. Unsere Stimmen können einen Unterschied machen, aber nur, wenn wir sie nutzen.“ Trotzdem bleibt die Skepsis groß. Der Musiker Emre fühlt sich von keiner der großen Parteien wirklich vertreten: „Alle sprechen über Migration als Problem, aber niemand fragt uns, was wir brauchen.“ Seine Wahl fällt auf die Linke – nicht aus voller Zustimmung, sondern weil sie seiner Meinung nach die deutlichste Haltung gegen Rassismus vertritt.

Safiye, eine Lehrerin mit muslimischem Hintergrund, betrachtet die Verschiebung des politischen Diskurses mit Sorge: „Es ist nicht nur die AfD. Es ist der ganze gesellschaftliche Wandel. Plötzlich diskutieren etablierte Parteien über Massenabschiebungen und weniger Rechte für Migranten. Das macht mir Angst.“

Wachsender Widerstand gegen den Rechtsruck

Trotz dieser Herausforderungen wächst die Gegenbewegung. Seit Monaten gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen die AfD und rechtspopulistische Rhetorik zu demonstrieren. Ayse Irem, Aktivistin, Architektin und Poetry-Künstlerin, sagt entschlossen: „Wir dürfen uns nicht von Angst lähmen lassen. Diese Wahl ist unsere Chance, ein Zeichen zu setzen. Ich werde die Linke wählen – nicht, weil sie perfekt ist, sondern weil sie am konsequentesten gegen den Rechtsruck steht.“

Auch Elena sieht die Entwicklung kritisch: „Die politische Mitte rückt nach rechts. Das macht rechte Positionen salonfähig. Wir müssen wachsam bleiben und aktiv gegen diese Entwicklung kämpfen.“ Marina, die aus Brasilien nach Deutschland gezogen ist, beschreibt ihre Angst: „Ich bin vor der extremen Rechten aus Brasilien geflohen – und jetzt stehe ich vor der gleichen Situation in Deutschland. Wie konnte es so weit kommen?“

Welche Parteien wollen die Befragten wählen?

Die Interviewten äußerten klare Präferenzen hinsichtlich der Parteien, die sie bei der Bundestagswahl 2025 unterstützen würden:

  • Die Linke: Diese Partei wird von vielen der Befragten als die konsequenteste antirassistische Kraft wahrgenommen. Sie sehen in ihr die stärkste Haltung gegen Rassismus und für soziale Gerechtigkeit, weshalb sie sich von ihr am meisten vertreten fühlen.
  • SPD: Einige der Interviewten betrachten die SPD als das „kleinere Übel“ und entscheiden sich für diese Partei, nicht aus vollkommener Überzeugung, sondern weil sie sie als weniger problematisch im Vergleich zu anderen, besonders den rechten Parteien, empfinden.
  • Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): Für einige Befragte stellt dieses neu gegründete Bündnis eine ernsthafte Alternative zu den etablierten Parteien dar. Es wird als eine Möglichkeit gesehen, frischen Wind in die politische Landschaft zu bringen, auch wenn die Unterstützung für die Partei noch nicht ohne Vorbehalte erfolgt.
  • CDU/CSU und AfD: Keiner der Befragten äußerte eine Wahlabsicht für diese beiden Parteien. Vielmehr herrscht eine weit verbreitete Besorgnis und Ablehnung gegenüber ihrem Einfluss. Besonders die AfD wird mit Sorge betrachtet, da sie in den Augen vieler ein symbolischer Vertreter des Rechtsrucks in Deutschland ist.

Was steht auf dem Spiel?

Die Bundestagswahl 2025 könnte eine richtungsweisende Entscheidung für die politische Zukunft Deutschlands sein. Es geht nicht nur um die Wahl einer neuen Regierung, sondern um die Frage, welche Werte das Land in den kommenden Jahren vertreten wird. Wird Deutschland weiterhin eine Gesellschaft sein, die Vielfalt und Inklusion fördert, oder wird es sich weiter nach rechts bewegen, in eine Richtung, die vor allem Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Migrationshintergrund zunehmend ausgrenzt? Für viele dieser Wähler steht bei dieser Wahl nicht nur die politische Orientierung, sondern ihre gesellschaftliche Zukunft auf dem Spiel.

Die Entscheidung, die am 23. Februar 2025 getroffen wird, könnte darüber bestimmen, ob Deutschland seinen Weg als ein Land der Offenheit, Toleranz und Integration fortsetzt, oder ob es sich unter dem Druck populistischer und rechtspopulistischer Kräfte zunehmend in eine Richtung entwickelt, die bestehende gesellschaftliche Spannungen vertieft und Gruppen marginalisiert.

Was jedoch jetzt schon festzuhalten ist: Die Stimmen der migrantischen Wähler werden bei dieser Wahl von entscheidender Bedeutung sein. In einer Zeit, in der politische Strömungen stärker polarisiert und die öffentliche Diskussion immer hitziger wird, könnte es genau diese Wählerschaft sein, die den Ausgang der Wahl beeinflusst – und somit die politische Ausrichtung Deutschlands in den kommenden Jahren maßgeblich bestimmt.