Verfassungsschutzbericht

ZMD will Gründungsmitglied ATIB prüfen lassen

Der ZMD möchte sein Gründungsmitglied ATIB überprüfen lassen. Grund dafür seien öffentlich erhobene Vorwürfe und die Nennung im Verfassungsschutzbericht. Kein Einzelfall im ZMD.

16
07
2020
ZMD - Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (c)facebook, bearbeitet by iQ
ZMD - Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. © Facebook, bearbeitet by iQ

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) will das Umfeld seines Gründungsmitglieds und mit seinen knapp 120 Gemeinden bis heute die mitgliederstärkste Organisation Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB) überprüfen lassen.

Man begrüße nach ersten Gesprächen mit dem ATIB-Vorstand, dass dieser einen unabhängigen Wissenschaftler einzusetzen bereit sei, teilte der Zentralrat am Mittwoch in Köln mit. Der Experte solle untersuchen, „inwiefern die Behauptungen einer Verbindung zu den sogenannten Grauen Wölfen und weiteren rechtsextremen Kreisen zutreffend sind“.

ATIB kritisiert Vorwürfe

Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet im aktuellen Bericht die ATIB erstmals den türkischen Rechtsextremisten der Grauen Wölfe zu. Der ATIB-Vorstandsvorsitzende Durmuş Yıldırım wies das zurück. Man habe sich in der Vergangenheit „bereits mehrmals von einer Zuordnung zu den Grauen Wölfen distanziert“.

„Für die ATIB ist die Aufführung unter dem Titel „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebung von Ausländern“ im Verfassungsschutzbericht eine große Ungerechtigkeit und sorgt bei allen fast hauptsächlich ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für große Empörung“, heißt es in einer Pressemitteilung. Man wünsche sich, dass ein aktiver Dialog mit den zuständigen Behörden die Fehleinschätzung auflöse und sie keinem Generalverdacht unterstellt werden. 

ATIB wie auch der Zentralrat der Muslime kündigten an, das Gespräch mit dem Verfassungsschutz und den zuständigen Behörden zu suchen. Unterdessen macht die Politik Druck. „Wenn der Zentralrat der Muslime weiterhin Gesprächspartner des deutschen Staates sein möchte, muss er sich von der ATIB trennen“, sagte der innenpolitische Sprecher Mathias Middelberg (CDU) am Mittwoch.

Nach Vorwürfen: DMG lässt ZMD-Mitgliedschaft ruhen

Erst im Dezember 2019 hatte die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) ihre Mitgliedschaft im ZMD nach einem mehrheitlichen Beschluss der Vertreterversammlung ruhen lassen. Grund dafür seien öffentlich erhobene Vorwürfe. „Wir bedauern diesen zwar schmerzlichen, aber auch notwendigen Schritt und bis zur gerichtlichen Klärung der gegen die DMG öffentlich erhobenen Vorwürfe – auch des Verfassungsschutzes – zur Zuordnung zum Netz der Muslimbruderschaft, gilt in unserem Rechtsstaat selbstverständlich auch für die DMG die Unschuldsvermutung“, erklärte ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek.

Für den ZMD-Vorsitzenden sei die Muslimbruderschaft eine „Sekte“, die den Islam instrumentalisiere. Er bedauere, dass „einzelne Funktionäre“ offenbar der Muslimbruderschaft angehören.

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Bewerfe mit Dreck, irgendwas bleibt schon haften. Politiker können halt nicht anders. Sie müssen alles und jeden politisieren sowie Feindbilder konstruieren, um sich auf Kosten anderer und im Zweifel des friedlichen Zusammenlebenlebens zu profilieren. Wem hat ATIB seit ihrer Gründung was getan oder geschadet? DITIB ist offenbar abgehakt, nun ist ATIB und indirekt der ZMD dran. Offenbar ist die jugendliche Vergangenheit der damaligen Gründer von ATIB ihr zum Verhängnis geworden. Mal sehen, welche islamische Religionsgemeinschaft als nächstes dran ist. Wer mit Dreck bewerfen will, der findet IMMER einen Grund. Diese Fitna-Taktik wird von der gegenwärtigen Politik angewendet, um Muslime auseinander zu nehmen und zu schwächen. Muslime dürfen dieses Spiel nicht mitspielen. Zusammenhalt ist wichtiger denn je. Denn nur gemeinsam ist man stark. Rückzug in die eigene Nische wäre allerdings eine Bestätigung für die Drecksschleuderer. Die ATIB muss nun stärker denn je auf die deutsche Politik zugehen und Kontakte knüpfen. Es gibt keine Alternative als zum Dialog auf Augenhöhe. Wer mit Dreck um sich wirft, schadet vielmehr sich selbst. ATIB muss im Wiederholungsfall Strafanzeige erstatten oder zumindest gerichtlich eine einstweilige Verfügung erwirken. Die Drecksschleuderer, welche ATIB im Besonderen und die Islamverbände im Allgemeinen diffamieren und kriminalisieren, verkennen, dass der Rechtsstaat nicht in die Herzen schaut, sondern auf die Hände. Das ist ein Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, welches aus politischer Profilierungssucht nicht außer Kraft gesetzt werden darf. PS: Die ATIB ist kein Ableger einer ausländischen Organisation. Sie wurde auf Eigeninitiative von türkischstämmigen Muslimen als Islamverband gegründet, welche sich an Deutschland orientieren wollen. Daran ändert sich nichts, auch wenn ATIB türkisch geprägt ist. Sie ist eine Art "DITIB ohne Auslandsverbindung".
16.07.20
13:43
Dilaver Çelik sagt:
Wichtige Ergänzung: Die Ableger-Organisation der "Grauen Wölfe" ist ADÜTDF, welche eigene Moscheen betreibt. Nicht ATIB. Wenn dem so wäre, wäre ATIB erst gar nicht gegründet worden. Gegenteilige Behauptungen erweisen sich damit als haltlos. Die ATIB ist als eigenständige Organisation unter die Lupe zu nehmen, um Bedenken aus dem Weg zu räumen. Und das geht nur durch Dialog.
16.07.20
14:55
Salim Spohr sagt:
Daß der Zentralrat der Muslime (ZMD) sein Gründungsmitglied ATIB verfassungsrechtlich überprüfen und die Mitgliedschaft der DMG vorerst „ruhen lassen“ will, erscheint mir auf den ersten Blick als eine Ungeheuerlichkeit und als ein Verrat des Zentralrates an den unter jenen Dächern organisierten Muslimen. Auf den zweiten Blick kann man den Vorgang auch als den Ausdruck eines peinlichen Mangels an Kenntnis des rechtlichen Sachstandes verstehen, unter dem der Zentralrat und sein Vorsitzender Aiman Mazyek offenkundig leiden. Hier sei nur darauf hingewiesen, das sich für alle in Verfassungsschutzberichten bloß aus alter Gewohnheit Erwähnten wie ATIB, DMG oder Milli Görüs in einem Werk von Dietrich Murswiek unter dem Titel „Verfassungschutz und Demokratie“ nun eine wichtige Erkenntnis findet: Sofern der Autor nämlich zeigt, „dass es grundsätzlich verfassungswidrig ist, im Verfassungsschutzbericht über Orgnisationen zu berichten, deren Verfassungsfeindlichkeit nicht erwiesen ist“, wäre dies beispielsweise für ATIB, DMG oder Milli Görüş eine schöne Grundlage dafür, ihre Erwähnung in Verfassungsschutzberichten durch eine neue Verteilung der Beweislast mit sofortiger Wirkung tilgen zu lassen. ––––– Vgl.: Dietrich Murswiek: „Verfassungschutz und Demokratie. Voraussetzung und Grenzen für die Einwirkung der Verfasssungsschutzbehörden auf die demokratische Willensbildung“ 187 Seiten. ISBN 978-3-428-15922-2, € 39,90 Duncker & Humblot. Berlin, 2020. Infotext des Verlags: „Der Autor präzisiert die rechtlichen Voraussetzungen für die Beobachtung von Organisationen durch den Verfassungsschutz und für die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht, indem er insbesondere Kriterien zur Identifizierung von tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen herausarbeitet. Er zeigt, dass es grundsätzlich verfassungswidrig [sic!!] ist, im Verfassungsschutzbericht über Orgnisationen zu berichten, deren Verfassungsfeindlichkeit nicht erwiesen ist.“ ––––– Es kann also nicht angehen, daß Verfassungsschutz-Mitarbeiter des Bundes oder der Länder die Erwähnung ehemals aufgrund bloßer Vermutungen in ihre Berichte aufgenommene Organisationen ohne Beweis, das ist aufgrund blinden Argwohns oder auch purer Faulheit, in ihren neuen Berichten, wie schon oft geschehen, einfach fortschreiben. Es wäre zu empfehlen, daß die Rechtsbeistände der genannten Vereine die betroffenen Behörden dringend dazu auffordern, von jener Praxis Abstand zu nehmen, wenn anders sie nicht eine Anzeige wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Verfassung riskieren wollen. Nach dem, was in einigen Bundesländern immer noch unverantwortliche Praxis ist, müßten die Verfassungsschützer sich, so verstanden, in ihren Berichten mit gutem Grund wohl selbst einmal erwähnen.  Zählt im Umgang mit staatspolitischen Behörden in Deutschland für Muslime wie überall auf der Welt so etwas wie Mannesmut vor Tyrannenthron, scheint der bisherige ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek einfach der falsche Mann zu sein. Und wenn er beispielsweise betont, daß „in unserem Rechtsstaat selbstverständlich auch für die DMG die Unschuldsvermutung“ gelte, kaschiert er damit doch nur den Umstand, in seinem vorauseilenden Gehorsam den Behörden gegenüber seinen muslimischen Brüdern in Wahrheit doch nur in den Rücken zu fallen. ____________
17.07.20
15:10
grege sagt:
Ein Verwaltungsgericht hat 2019 die Zuordnung von Atib zu den grauen Wölfen erlaubt. Da können sich meine Vorredner ihre juristischen Konsequenzen "von der Backe schmieren".
18.07.20
23:32
Dilaver Çelik sagt:
ATIB hat sich seit ihrer Gründung stets für ein friedliches Zusammenleben und für Völkerverständigung eingesetzt. Und das nur mit Gottes Hilfe. Das ist lobenswert. Die ATIB hat mit den "Grauen Wölfen" nichts zu tun. Wer vehement das Gegenteil behauptet und das auch noch zu belegen versucht, der ist ein böswilliger Lügner und Verleumder, der nur Schaden anrichten will. Mittlerweile hat die ATIB alle Vorwürfe gegen sich zurückgewiesen und dagegen ein juristisches Nachspiel angekündigt. Und das ist auch gut und richtig so. Denn nur mit juristischen Konsequenzen, die empfindlich wehtun, können Verleumder in ihre Schranken verwiesen werden. Da können pathologisch gestörte Kommentatoren wie der Vorkommentator gegenhalten was sie wollen.
20.07.20
19:20