Kopftuch-Debatte

Macron: „Muslime dürfen nicht diskriminiert werden“

In Frankreichs neuerlichen Kopftuch-Debatte hat nun auch Staatspräsident Emmanuel Macron eingegriffen. Er äußerte sich in der Pressekonferenz in Toulouse.

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2019
Frankreich: Macron begrüßt Wertekodex für Muslime © Perspektif, bearbeitet by iQ.
Frankreich: Macron begrüßt Wertekodex für Muslime © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Bei der Pressekonferenz zum französisch-deutschen Gipfel in Toulouse erteilte Macron sowohl einer Radikalisierung der Gesellschaft als auch einer Diskriminierung muslimischer Mitbürger eine Absage. Die Republik müsse ungeteilt zusammenstehen, zitiert ihn die Zeitung „La Croix“ (Donnerstag).

Der Politologe und Leiter der politischen Denkfabrik Cap (Conseils, analyses et perspectives), Stephane Rozes, warf Macron eine „fatale Unentschiedenheit“ vor. Bloße laizistische Absichtserklärungen und eine Abwälzung der Verantwortung auf Volksbildungsmaßnahmen hülfen nicht weiter.

Anlass der neuerlichen hitzigen Debatte ist ein jüngster Vorfall in einer Feuerwehreinheit in Creil nördlich von Paris. Ein Feuerwehrmann hatte dort den Besuch einer Schulklasse abgebrochen, weil eine begleitende Schülermutter ihr Kopftuch nicht ablegen wollte.

Offener Brief an Macron

90 Akademiker, Künstler, Filmregisseure, Schauspieler und Journalisten haben in einem offenen Brief Präsident Emmanuel Macron aufgefordert, den verbalen Angriff des Abgeordneten der rechtsextremen Partei Rassemblement National, Julien Odoul, auf die muslimische Frau zu verurteilen.

In dem Brief heißt es, es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit beleidigt, angegriffen und Rassismus ausgesetzt würden. Macron solle sich dazu äußern, dass muslimische Frauen mit oder ohne Kopftuch einen Platz in der Gesellschaft haben und dass Muslime nicht diskriminiert werden sollten.

Im Regionalparlament Burgund hatte der Abgeordnete Odoul, eine Mutter, die eine Schulklasse begleitete, aufgefordert, ihr Kopftuch abzulegen. Der Abgeordnete Aurelien Tache von der Regierungspartei La Republique en Marche (LREM) zeigte sich empört; dies sei eine „Demütigung“ der Mutter durch einen gewählten Abgeordneten.

Bildungsminister Jean-Michel Blanquer sagte dazu laut Medienberichten, das Tragen eines Kopftuchs sei „in unserer Gesellschaft nicht erwünscht“. Laut Gesetz sei es in der Öffentlichkeit zwar erlaubt, so Blanquer, und damit auch bei Schulausflügen; „wir wollen das Phänomen aber nicht fördern“.

Diskussionen um das Kopftuch

Ob muslimische Mütter als Begleiterinnen bei einem Schulausflug ein Kopftuch tragen dürfen, wird bereits länger diskutiert. Im Dezember 2013 entschied das oberste französische Verwaltungsgericht, dass das verpflichtende Kopftuchverbot nur für Lehrer und Schüler gelte. Bei Eltern, die einen Ausflug oder eine Klassenfahrt begleiteten, müsse von Fall zu Fall entschieden werden. Nur wenn das Kopftuch die öffentliche Ordnung oder die Funktion des öffentlichen Dienstes behindere, könne verlangt werden, dass es abgelegt werde.

Der neue Präsident der Republikaner in Frankreich, Christian Jacob, kündigte für Ende Oktober einen Gesetzesvorschlag an, der religiöse Neutralität von Begleitern bei Schulausflügen vorschreiben soll. Zu Wochenbeginn wurde zudem eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop zum Thema veröffentlicht. Zwei von drei Franzosen seien für ein Verbot sichtbarer religiöser Zeichen bei Begleitern von Schulausflügen. (KNA/iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@Ethiker (20.10.19, 0:08) Wie gesagt, Sie zeichnen eine sehr einseitige Geschichte der westlichen Welt. Von wegen "Objektivität" und "Fakten." Frankreich auf seine Kolonialgeschichte zu reduzieren und ihm deshalb jegliche moralische Legitimation abzusprechen, das ist eine Karikatur der französischen Geschichte. Dasselbe gilt für die USA. Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema des Artikels, nämlich Muslime in Frankreich. In Europa gibt es etwas, das es in anderen Zivilisationen -- auch in der islamischen-- nicht gibt: Grundrechte. (Individuelle) Menschenrechte. Das sind Errungenschaften der westlichen Welt. Und gerade Frankreich hat dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt, wie bekannt sein sollte. Dazu zählt das Grundrecht auf Religionsfreiheit. Und dieses Grundrecht garantiert und schützt Frankreich. Man kann über die Einzelfälle-- hier: Kopftuchverbot für Begleiterinnen von Schulausflügen--- streiten. Aber Frankreich garantiert Grundrechte. Auch das Grundrecht auf Religionsfreiheit. Und das gilt in Frankreich nach wie vor auch für Muslime. Und das wird sich auch nicht ändern.
23.10.19
10:47
Johannes Disch sagt:
Es ist nicht entscheidend, was der frz. Bildungsminister für wünschenswert hält. Entscheidend ist die Rechtslage. Und da ist es nun einmal so, dass das Tragen des Kopftuchs in der Öffentlichkeit erlaubt ist.
25.10.19
10:36
Ethiker sagt:
Disch , das sagt nur Disch, eine Disch- Konstruktion. Discher Strohmann.
30.10.19
20:40
Ute Fabel sagt:
Im neu gewählten österreichischen Parlament gehören 40 % der FPÖ-Abgeordneten einer Burschenschaft an. Das hat den Burschenschaften leider enormen Aufwind verschafft. Fast jeden Mittwoch, pünktlich um 12 Uhr treffen sich daher Burschenschafter an der Universität Wien in ihren auffälligen Uniformen. Meist marschieren sie zur Uni-Rampe am Haupteingang und stellen sich dort auf, manchmal gehen sie zum Siegfriedskopf im Innenhof. Das österreichische Studentenparlament will diesen Brauch der Burschenschafter verbieten lassen. In einem aktuellen Beschluss fordert sie die Universität auf, das Couleurtragen auf ihrem Gelände zu verbieten. Das halte ich vernünftig. Diese Entwicklung sollte zum Anlass genommen werden, alle auffällig sichtbaren religiösen und politischen Kleidungsstücke und Symbole völlig unterschiedslos und diskriminierungsfrei aus den gesamten öffentlichen Bildungseinrichtungen zu verbannen.
04.11.19
12:53
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