Verfassungsschutz vs. AfD

Verfassungsschutz erklärt AfD zum Prüffall

Ist die AfD verfassungsfeindlich? Dies möchte der Verfassungsschutz zukünftig offiziell untersuchen und erklärt die Partei zum „Prüffall“. Die AfD will sich wehren.

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01
2019
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Verfassungsschutz Rechtsextremisten
Symbolbild: Beobachtung © shutterstock, bearbeitet by IslamiQ.

Der Verfassungsschutz nimmt die AfD stärker unter die Lupe. Er erklärt die Partei als Ganzes zum Prüffall, sieht aber die Schwelle zu einer Beobachtung mit V-Leuten und Telefonüberwachung noch nicht erreicht. Noch genauer hinschauen will der Inlandsgeheimdienst beim rechtsnationalen „Flügel“ und der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA). Diese wurden zum Verdachtsfall erklärt, wie der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, am Dienstag in Berlin erläuterte. Die AfD will sich juristisch wehren.
Es gebe gewichtige Anhaltspunkte, dass „Flügel“ und JA als „extremistische Bestrebungen“ einzustufen seien, argumentierte Haldenwang. Aus dem BfV hieß es, es sei das erste Mal, dass eine im Bundestag vertretene Partei als Prüffall eingestuft werde.

Eine Partei kann zum Prüffall werden, wenn die Behörden erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen erkennen. Bei einem Prüffall ist eine Beobachtung mit V-Leuten oder anderen nachrichtendienstlichen Mitteln grundsätzlich nicht erlaubt.
Wird eine Organisation dagegen zum Verdachtsfall erklärt wie jetzt der „Flügel“ um den Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke, dann ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich, aber nur sehr eingeschränkt: Gestattet ist dann zum Beispiel eine Observation, ebenso das Einholen bestimmter Informationen von Behörden. Während bei Verdachtsfällen personenbezogene Daten gespeichert werden können, werden bei Prüffällen keine so genannten Personenakten angelegt.

Es gebe keinen Automatismus, gleich das ganze Arsenal zum Einsatz zu bringen, erklärte Haldenwang auf die Frage nach einer möglichen Überwachung von Höcke. Welche Mittel genutzt würden, werde sich ergeben. Sogenannte V-Leute und die Überwachung von Telekommunikation kommen auch bei Verdachtsfällen nicht zum Einsatz. Das erfolgt erst, wenn eine Organisation formell als Beobachtungsobjekt eingestuft wird.

Die AfD will juristisch gegen die Neubewertung als Prüffall vorgehen. Er halte die Argumente für nicht tragfähig, sagte Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland. Seine Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach von einer „Wettbewerbsverzerrung im politischen Wettbewerb“. Gauland betonte, es gebe keine Veränderung in der Zusammenarbeit mit dem „Flügel“ und der JA. Die Entscheidung der Verfassungsschützer habe auch überhaupt keine Auswirkung auf die bevorstehenden Wahlkämpfe.

Der Bundes-Verfassungsschutz stützt seine Einschätzungen auf öffentlich zugängliches Material und Informationen, die von den Landesämtern für Verfassungsschutz geliefert wurden. Für die Neubewertung der AfD als Ganzes seien nicht Positionen in programmatischen Schriften relevant, sondern Äußerungen von Mitgliedern, sagte Haldenwang. Allerdings gehe es um eine „große Partei mit einer hohen Diversität in ihren politischen Aussagen“. Inwiefern radikale Wortmeldungen charakteristisch für Ziele und Ausrichtung der gesamten Partei seien, müsse nun geklärt werden.

Zur JA sagte Haldenwang, in deren zentraler Programmschrift „Deutschlandplan“ seien „viele, die Menschenwürde missachtende Positionen“ enthalten. Er sprach von einer „pauschalen Verunglimpfung von Flüchtlingen“. Und weiter: „Das durch den `Flügel` propagierte Politikkonzept ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitergehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet.“

Bisher wurde zumindest vom Bundesamt kein AfD-Politiker beobachtet und auch kein Linken-Politiker. Allerdings werden bei der Linken bestimmte Strömungen wie die „Kommunistische Plattform“ beobachtet.

Politiker begrüßen diese Entscheidung

Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Andrea Nahles, erklärte: „Wir haben in unserer Verfassung nicht ohne Grund und auch aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit eine wehrhafte Demokratie verankert, und das schließt eben ein, dass wir Feinde der Demokratie entsprechend beobachten.“ FDP-Chef Christian Lindner warnte, die Entscheidung sei kein Grund zur Freude: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien sich einer lästigen Konkurrenz über den Umweg über die Sicherheitsbehörden entledigen“. Es dürfe nicht zu einem „Opfer- und Märtyrerkult bei der AfD“ kommen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte sich hinter die Bewertung, unterstrich aber, es gehe um eine fachliche und keine politische Entscheidung. „Der Rechtsstaat muss das rechtlich Gebotene tun“, sagte er nach einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin. Die Befürchtung, die AfD könne sich dadurch als Opfer darstellen, spiele bei einem solchen Schritt keine Rolle.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU, sagte, es sei „Ausdruck einer wehrhaften Demokratie und eines Rechtsstaats, von dem vorhandenen und durchaus differenzierten Instrumentarium Gebrauch zu machen und zwischen der Partei, ihren Teilorganisationen und einzelnen Mitgliedern zu unterscheiden“.

AfD-Fraktionschefin Weidel stellte einen Zusammenhang mit dem Abgang des früheren BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen her: „Es wird nun offensichtlich, warum Verfassungsschutz-Präsident Maaßen den Hut nehmen musste. Er musste aus dem Weg, um einen `Prüffall AfD` konstruieren zu können.“

Bundesinnenminister Seehofer hatte Maaßen im November in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Hintergrund waren mehrdeutige Äußerungen Maaßens zu Protesten in Chemnitz. Haldenwang erklärte, das sei für die Entscheidung irrelevant: „Heute sitze ich hier.“ Er betonte zudem: „Wir haben hier kein Ermessen.“

Nachdem radikale Äußerungen einiger Mitglieder der Jungen Alternative an die Öffentlichkeit gekommen waren, hatte die AfD-Spitze Ende 2018 in Erwägung gezogen, der JA die Anerkennung als Nachwuchsorganisation der Partei zu entziehen. Eine Entscheidung steht aber noch aus. (dpa/iQ)