Alltagsrassismus

#MeTwo – Alltagsrassismus in Deutschland

Nach den Aussagen des deutsch-türkischen Fußballspielers Mesut Özil sorgt die Twitter-Aktion „#MeTwo“ für große öffentliche Aufmerksamkeit. Das Thema: Alltagsrassismus in Deutschland.

27
07
2018
Twitter #MeTwo
Twitter #MeTwo

Auf Twitter ist seit einigen Tagen der Hashtag #MeTwo zu sehen. In kurzen Statements äußerten sich Tausende Menschen mit Migrationshintergrund über ihre Erfahrungen zu alltäglichem Rassismus und Diskriminierung in Deutschland. Nach kürzester Zeit wurde #MeTwo dermaßen oft benutzt, dass es unter den häufig genutzten Tweets landete.

Entfacht wurde die Rassismusdebatte vom deutsch-türkischen Fußballspieler Mesut Özil, der am seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft bekannt gab. In einer längeren Mitteilung auf seinen sozialen Netzwerken äußerte er sich zu den Diskussionen über seine Person und beklagte sich über Rassismus in Deutschland und dem DFB. „Wenn wir gewinnen, bin ich Deutscher, wenn wir verlieren, bin ich Migrant“, so Özil. Für seine Abrechnung erntete Özil großes Lob, aber auch Kritik. 

Neue Debatte über Alltagsrassismus notwendig

Initiiert wurde #MeTwo vom Journalisten und Gründer der „Hotline für besorgte Bürger“ Ali Can als Reaktion auf die aktuelle Debatte in Deutschland. Can zufolge brauche Deutschland eine neue Debatte über Alltagsrassismus, denn Özil sei nicht der einzige wegen seiner Herkunft diskriminiert wurde.

In einer Videobotschaft auf „Perspective Daily“ erklärt Can die Beweggründe für eine solche Aktion.

„Unsere Gesellschaft ist keine Monokultur“

Doch warum #MeTwo? Can erklärt es wie folgt:

„#MeTwo bedeutet, dass ich mehr bin als nur eine Identität. Ich fühle mich in Deutschland zu Hause, weil ich hier groß geworden bin, arbeite, Freunde gefunden habe – und ich fühle mich mit der türkischen Kultur verbunden, weil sie mich geprägt hat. Die 2 Seiten verschmelzen, stehen nicht im Widerspruch. (…) Unsere Gesellschaft ist keine Monokultur. Deshalb: #MeTwo.“

In den sozialen Netzwerken solidarisieren sich insbesondere Muslime und Deutsche mit Migrationshintergrund mit Özil und erzählen unter dem Hashtag #MeTwo aus eigenen Erfahrungen:

Weitere Twitter-Nutzer twitterten, dass sie während der Schulzeit Diskriminierungen seitens der Mitschüler oder der LehrerInnen ausgesetzt wurden.

Einige User erzählten über ihre Erfahrungen bei der Wohnungs- und Jobsuche:

Auch bekannte Namen wie der Comedian Abdelkarim machten mit:

Twitter-Nutzer, die die geteilten Rassismuserfahrungen verharmlost haben, haben ebenfalls ihren Fett abbekommen:

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Man muss als türkischer Muslim nur zu seiner Meinung stehen, die den Leuten nicht gefällt, um rassistisch beschimpft und beleidigt zu werden. Da wird sogar einem das Recht abgesprochen, in Deutschland zu leben. Ungeachtet dessen, dass man bis zum Lebensende hier leben wird, auch wenn das gewissen Leuten nicht passt. Und dann wundern die sich auch noch, dass man sie als Kartoffel, Nazi, Schwein etc. zurückschimpft oder sie verprügelt und klagen über rassistische sowie gewalttätige Ausländer, wo sie doch selbst nicht besser sind.
28.07.18
14:34
Johannes Disch sagt:
-- "Neue Debatte über Alltagsrassismus nötig." (Aus dem Artikel). Als würde die nicht längst geführt. Man muss sich nur bei "islamiq" umschauen, wo doch so ziemlich jeder Übergriff auf Muslime mit einem eigenen Artikel thematisiert wird. Dadurch entsteht zwar mit der Zeit ein einseitiges Bild. Aber darüber zu berichten ist trotzdem okay. Aber den Fall Özil jetzt zu einer Rassismus-Kampagne bzw. einer Anti-Rassismus-Kampagne aufzublasen, das ist völlig übertrieben. Plötzlich-- wie auf Kommando--kommen zig Muslime aus den Ecken und jammern: "Wir sind alle Mesut!" Özil hat einen Fehler gemacht. Und wird dafür kritisiert. Das ist alles. Sicher, die AfD und verwandte Gruppierungen haben den Fall Özil zu rassistischen Ausfällen genutzt. Aber das das sollte bei dieser Klientel nicht überraschen. Die brauchen keinen Anlass. Özil hat nicht nur einen Fehler gemacht, sondern mehrere. Der erste-- der Kardinalfehler-- war das Foto mit Erdogan. In Özils Alter sollte man so reif sein, die Folgen so eines Fotos abschätzen zu können. Es hilft also auch nicht, es auf seine Berater zu schieben. Özil ist und bleibt dafür verantwortlich. Der zweite Fehler war sein langes Schweigen. Meine Güte, da stellt man sich hin und erklärt sich. Und schon wäre die Kuh vom Eis gewesen. Der dritte Fehler war die ellenlange Internet- Erklärung, auch noch in englisch verfasst und dann auch nicht von Özil selbst, sondern von seinem Berater. Meine Güte, wer im Alter von 29 Jahren für solche Dinge einen Berater braucht... Nun, zum Zeitpunkt der Erklärung war das Kind schon längst in den Brunnen gefallen. Ja, es gibt Alltagsrassismus in Deutschland und steigende Islamfeindlichkeit. Das wussten wir aber bereits schon vor dem Fall Özil. Zum ganzen Bild gehört aber auch, dass diese Islamfeindlichkeit von einer Minderheit ausgeht -- auch wenn diese zunimmt-- und dass sich die Zivilgesellschaft stark gegen diesen Alltagsrassismus engagiert. Das alles fällt bei diesem meines Erachtens völlig überflüssigem Hashtag unter den Tisch.
29.07.18
13:34
Ute Fabel sagt:
Mesut Özil hat sich - entweder aus reiner Naivität oder sogar beabsichtigt - als Aushängeschild für einen türkischen Politiker im Wahlkampf hergegeben, von dessen Repressalien er selbst nicht betroffen ist. Ich hielt das für einen Affront vor allem für jene Journalisten, die in der Türkei von der Erdogan-Regierung in den vergangenen Jahren systematisch bei ihrer Arbeit behindert, verfolgt und inhaftiert wurden. Der Bruder eines Arbeitskollegen von mir hat dreißig Jahre in den USA gelebt und ist inzwischenUS-Staatsbürger geworden. Nun ist er überraschend nach Österreich zurückgekehrt. Er schwärmt bei jeder Gelegenheit, was für ein großartiger Mann Donald Trump doch sei. Ist es "rassistisch", wenn man ihm die Frage stellt, warum er dann nicht in den USA geblieben ist?
30.07.18
8:02
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (30.07.18, 8:02) -- "Mesut Özil hat sich.... als Aushängeschild für einen türkischen Politiker im Wahlkampf hergegeben, von dessen Repressalien er selbst nicht betroffen ist." (Ute Fabel) So ist es. Was sollen denn die 50 Deutschen denken, die in der Türkei noch immer in Haft sind? (Özil ist deutscher Staatsbürger). Und zu Özils türkischen Wurzeln: Was sollen die inhaftierten türkischen Journalisten und Intellektuellen über eine solche Aktion denken, die wegen ihrer Kritik an Erdogan in Haft sind? Ich bin noch immer fassungslos, wie ein erwachsener nun fast 30jähriger Mensch so naiv sein kann! Ach, Frau Fabels Einwand gilt natürlich nicht nur für Özil, sondern auch für alle anderen in Deutschland lebenden Erdogan-Fans und Wähler: Sie müssen nicht unter den Repressalien dort leiden, sondern genießen hier entspannt die Freiheiten, die unser Rechtsstaat bietet. Geben aber gleichzeitig einem Despoten den Segen, die Demokratie in der Türkei immer mehr einzuschränken. Ein geschickter Schachzug von Erdogan, den sogenannten "Auslandstürken" das Wählen zu ermöglichen. (Das türkische Wahlrecht wurde vor einigen Jahren in diese Richtung geändert). Vorschlag: Jeden hier in Deutschland lebenden Erdogan-Wähler mal für 3 Monate auf Abenteuer-Urlaub in die Türkei schicken unter dem Motto: "Demokratie a la Erdogan." Da lässt sich ein naiver Fußballer für einen Despoten einspannen. Und was passiert hier?? Man instrumentalisiert das ganze zu einem Hashtag über "Alltagsrassismus." *Kopfschüttel* Beim Fall Özil geht es nicht um Alltagsrassismus. Es geht um einen (inzwischen ehemaligen) deutschen Nationalspieler, der sich unglaublich naiv für einen Despoten hat einspannen lassen! Darum geht es in diesem Fall! Und um nix anderes! .
31.07.18
11:41
Kritika sagt:
L.S. An Frau Ute Fabel. Herr Joh. Disch, Ihnen beide meine Achtung für die pointierte, scharfe Beobachtung und unzweideutige Kritik. Hier kann Kritika nichts mehr hinzufügen - - - und tut es auch nicht. Danke, Frau Fabel, Danke, Herr Disch. Kritika
02.08.18
23:24