Provokation

Gauland schiebt AfD immer weiter nach rechts

Bedachte Worte sind Alexander Gaulands Sache nicht. Wenn er provoziert, dann mit Absicht. Danach ein Stückchen zurück zu rudern, gehört möglicherweise zum Plan dazu.

05
06
2018
Gauland
Alexander Gauland. © Metropolico.org auf Flickr, bearbeitet by IslamiQ

Es ist ja nicht das erste Mal. Den Fußballprofi Jerome Boateng wollte er nicht als Nachbarn und die frühere Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz „in Anatolien entsorgen“. AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland weiß genau, was er sagt, auch wenn er sich danach über vermeintlich überzogene Reaktionen wundert. So auch jetzt: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“ Aus dem Zusammenhang gerissen? Falsch verstanden? Die Empörung ist jedenfalls so groß, dass Gauland sich am Montag zu einer Relativierung seiner Äußerung veranlasst sieht.

Gezielte Provokationen gehören zum Politikverständnis der AfD. Das wird immer wieder auch im Bundestag sichtbar, seit die Partei den Sprung ins Parlament geschafft hat. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht in Gaulands Äußerung aber mehr als das: „Das ist keine Provokation, sondern Ausdruck einer strategischen Gesinnung und Ausrichtung der Partei“, sagt er. Die AfD wolle eine andere Republik.

Rechtsruck

Dabei hat die Alternative für Deutschland seit ihrer Gründung 2013 mehrere Stufen der Radikalisierung hinter sich. Von der eurokritischen Partei unter Bernd Lucke zur rechtskonservativen AfD von Frauke Petry bis zur stramm nationalistischen Kraft mit kräftigen völkischen Akzenten. Dabei war der AfD in allen Phasen ihrer Entwicklung das Bemühen gemeinsam, die rechte Flanke offen zu halten.

Besonders drastisch war der Ruck nach Rechts auf dem Parteitag Ende 2017 in Hannover. Der gemäßigte Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski scheiterte, nicht zuletzt, weil er für das Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke gestimmt hatte. Gauland – schon Fraktionschef im Bundestag – wurde auch Parteivorsitzender.

„Die Partei ist nicht fähig, sich von weit rechts, auch von Neonazis, abzugrenzen“, betont der Extremismus-Forscher Funke. Zur aktuellen Parteiführung sagt er: „Das sind Überzeugungstäter“. Dies gelte auch für Gaulands Co-Fraktionschefin Alice Weidel. „Es geht ihnen nicht um ein Prozent mehr oder weniger. Sie wollen eine andere Republik.“ Dabei mache sich die AfD verbreitete Protestmotive zunutze, etwa gegen soziale Ungleichheit, gegen Unsicherheiten der Welt.

„Sie sind eine Minderheit“

Die AfD lenke diesen Protest auf eine rechtsradikal-rassistische Position. Dabei profitiere sie von einer „Doppel-Entäuschung“: Denn zu den sozialen und ökonomischen Umbrüchen kam die Flüchtlingsbewegung hinzu. „Es gibt einen Kipp-Prozess ins Autoritäre“, sagt Funke. Die AfD biete eine Folie für die Wut der Bürger. „Das funktioniert bei 10 bis 20 Prozent der Wähler – im Osten eher 20, im Westen eher 10.“ Immerhin stünden diesen Kräften aber 80 Prozent Verfassungspatrioten gegenüber. Deshalb gebe es keinen Grund für übertriebenen Pessimismus. „Sie sind eine Minderheit und bleiben es hoffentlich.“

Als Gauland am Montag seine umstrittenen Äußerungen relativiert, reagiert er auf massiven Protest, etwa von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Die entstandene Wirkung bedaure ich“, sagt er nun. Niemals sei es seine Absicht gewesen, die Opfer des Nationalsozialismus zu bagatellisieren oder gar zu verhöhnen.

„Populistische Hetze an der Grenze zur Strafbarkeit“

Etwa zur gleichen Zeit, als Gauland am Montag diese Erklärung veröffentlicht, sagt der AfD-Scharfmacher Höcke in Berlin etwas in die Kameras, was er wohl als Unterstützung Gaulands verstanden wissen will. „Ober-Phrasendrescher vom Schlage einer Frau Kramp-Karrenbauer“ sorgten mit ihrer Politik dafür, dass unsere Sozialversicherungssysteme „zur Plünderung freigegeben“ würden. Sie seien zumindest indirekt dafür verantwortlich, „dass unsere Töchter und unsere Frauen angemacht, vergewaltigt und getötet werden“. Mit solchen Tönen ist auch Höcke in der AfD keine Ausnahmeerscheinung.

„Populistische Hetze an der Grenze zur Strafbarkeit“ nennt der Präsident des Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, in der „Rheinischen Post“ das „Vogelschiss“-Zitat. Zu einer Verurteilung wegen Volksverhetzung werde es aber kaum reichen. Auch Höcke kam ohne strafrechtliche Konsequenzen davon, als er in einer Rede in Dresden „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert und mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal gesagt hat: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Einen Parteiausschluss Höckes hat danach vor allem Gauland verhindert. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Das dürfte doch niemanden mehr überraschen. Alexander Gauland ist ein trauriges Beispiel dafür wie jemand vom ehemals Wertkonservativen zum Reaktionär wird. Vor 40 Jahren war in Frankfurt eine der entscheidenden Figuren bei der Hilfe für die vietnamesischen "Boat People." Und heute verbreitet er reaktionäres und rassistisches Zeugs. Schlimm daran ist, dass er aus persönlicher Revanche tut. Er kam in der CDU nicht so weit, wie er gerne gekommen wäre. Und jetzt ist ihm zur Revanche jedes Mittel recht. Mit "schäbig" ist das noch nett umschrieben. Die "Boat People" haben auch reagiert und haben Gauland vergangenes Jahr nicht zum 40jährigen Jubiläum eingeladen. Gauland will nichts weniger als die Geschichte umschreiben. Da wird das Dritte Reich zu einer Fußnote und das Holocaust-Denkmal zu einem "Denkmal der Schande" (Björn Höcke). Wer jetzt immer noch nicht begriffen hat, wie gefährlich die AfD ist, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Das ganze hat übrigens eine lange Vorgeschichte. Vor über 20 Jahren im Jahre 1996 veröffentlichte ein Autorenkollektiv ein Buch mit dem Titel "Die selbstbewusste Nation." Da wurde bereits das angedacht, was Gauland, Weidel & Co heute ablassen. Flankiert wurde das ganze auch von rechten Intellektuellen wie dem Historiker Karl-Heinz Weißmann und dem Publizisten Rainer Zitelmann. Der hatte 1989 die denkwürdige Idee, Adolf Hitler als "Revolutionär" zu verkaufen ("Adolf Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs"). Das Buch wurde von Kennern der Materie-- beispielsweise von dem renommierten Hitler-Biografen Ian Kershaw-- ins Reich der Fabel verwiesen und nur in konservativ-reaktionären Kreisen gelobt. In der seriösen Forschung spielt Zitelmann keine Rolle. Aber er ist schon lang eine Schlüsselfigur in der "rechtsintellektuellen" Szene. In diesem pseudointellektuellen Dunstkreis bewegen sich auch Gauland & AfD-Konsorten. Man sieht: Das ganze trägt nun Früchte. Diese Knallchargen sind inzwischen im Parlament. We gesagt: Man sollte das ganze nicht unterschätzen. Wehrhaftigkeit ist gefragt gegen Geschichtsfälscher a la Gauland. Es ist aber auch falsch, ihn auszuladen, wie es Plasberg gemacht hat. So können diese Leute leicht einen Märtyrer-Status pflegen. Man sollte ihn einladen und ihn mit seinem Unfug konfrontieren. Schließlich sind die Gauland-und AfD-Thesen einfach zu widerlegen.
06.06.18
20:15
Charley sagt:
Die Methode ist doch so simpel: Behaupte etwas Widerliches, dann regen sich alle darüber auf. Du bist in den Medien, deine widerliche Behauptung wird x-fach wiederholt. Dann rudere zurück a la: Ich wurde missverstanden! Wieder x-fache Wiederholung in den Nachrichten. Jeder kann nun in die Worte hinein projezieren was er will. Jeder, der es tut, wird "Anhänger". Es geht doch überhaupt nicht um "Aussagen", sondern um "Urteile aus dem Bauch". Das haben die Nazis schon gemacht und in der Tradition wirkt er.
07.06.18
2:37