In Österreich herrscht ein Klima des Generalverdachts gegenüber Muslimen. Dies macht sich auch beim neuen Islamgesetz bemerkbar. In seinem Beitrag macht Prof. Dr. Peter Stöger neben der Ungleichbehandlung von Muslimen auch auf eine Gegenbewegung der Solidarität aufmerksam.
Eine freie Initiative aus Professoren des Hochschulstudienganges für das Lehramt für Islamischen Religionsunterricht in Wien hat im Lichte gehäufter islamfeindlicher Vorfälle einen offenen Brief auf www.mehrbesonnenheit.at veröffentlicht. Es sind schwerpunktmäßig Intellektuelle und sozial Engagierte aus dem öffentlichen Leben Österreichs, die über ein Internetportal diese Initiative unterschrieben haben.
Anlass waren Prügelattacken gegen Musliminnen (eine Studentin, eine junge Mutter, war z. B. genauso Prügelopfer, wie auch zwei 80(!)jährige Frauen in Wien). Es gibt eine Stimmung, die dazu führt, dass junge Menschen (Schüler) „unter Beobachtung“ gestellt werden. Es werden immer wieder Schüler an diverse Unterrichtsbehörden „als potenziell Verführbare zur IS-Sympathiesantenschaft“ gemeldet (nur weil sie, wie sich dann allermeist herausstellt, pubertäre Probleme haben…). Kurzum es gibt so etwas wie Anzeichen einer gewissen öffentlichen „Hysterie“ (wegen IS) und es erinnert manches, auch wenn die historischen Einspeisungen natürlich völlig verschieden sind, von der Dynamik her, an die Anfeindungen gegen Juden vor nunmehr ca. 75 Jahren in Österreich. Das alles gemahnt zu Besonnenheit.
Es ist ein Aufruf geworden mit mehr Klugheit und Weitsicht, vor allem mit mehr Nüchternheit und pädagogischem Taktgefühl, die Entwicklungen rund um IS im pädagogischen und politischen Backslash zu Österreich zu betrachten und Muslime, respektive auch (pubertierende) Schüler, nicht unter einen Generalverdacht zu stellen. Das Rundschreiben eines Wiener Landesschulinspektors bestätigt die pädagogisch wenig reife Linie in Richtung „Generalverdacht“.
Zeitgleich wurde nun vor kurzem, in Abwesenheit des Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), der gerade auf Hadsch war, durch Kanzleramtsminister Ostermayer und durch Außenminister Kurz (zuständig auch für Integrationsangelegenheiten) das neue Islamgesetz vorgestellt, das das alte von 1912 aus der Zeit der Monarchie gründlich novellieren sollte. Bedauerlicherweise ist das Gesetz nun in so manchen Punkten zu einem (in-)direkten Reflex auf die Weltpolitik im Nahen Osten geworden. So wiederholt es an einigen Stellen Selbstverständliches, nämlich Loyalität zu Österreichs Gesetzen.
Die Taktierung ist verräterisch, unterstellt sie doch solche Loyalität abverlangen zu müssen, eine (gelinde formuliert) Unhöflichkeit, welcher andere Religionsgemeinschaften nicht ausgesetzt sind. Wie überhaupt, gemessen am Israeliten- und Protestantengesetz, etliche Verschärfungen eingezogen sind. Das betrifft nicht zuletzt das Verbot von ausländischen Finanzierungen und die nur sehr eingeschränkte Einflussmöglichkeit auf die Gründung von Islamlehrstühlen. Kritisiert wird auch, dass es nur ein Gesetz für die verschiedenen Strömungen im Islam gibt, statt einzelne Gesetze – eben auch für Aleviten und Schiiten -, zu erlassen.
Haupttenor der Kritik ist aber ein schleichender, psychologisch verheerender, Generalverdacht in Bezug auf mangelnde Distanz zu Gewaltphilosophien. Das neue Islamgesetz lässt Muslime wie Staatsbürger zweiter Klasse dastehen. Die Verfassungsgemäßheit des Gesetzes wird in so manchen Punkten auch von Religionsrechtlern angezweifelt. Das Gesetz ist im Begutachtungsverfahren, das zudem noch verkürzt angesetzt wurde.
Attacken und Schmieraktionen erinnern an 1938 als in Österreich, zur Ostmark degradiert, jüdische Lokalitäten, wie z. B. Geschäfte „verziert“ wurden.
Was dürfen wir lernen? Je mehr wir vom Antisemitismus wissen desto klarer wird die Psychodynamik des Irrsinns „Islamophobie“. Islamophobe Aktionen (auch via Facebook) gehen immer wieder auch mit Rassismus/Sexismus einher, was von der Verlorenheit und der aggressiven Trauer her nicht mehr wirklich überrascht. Die Opfer von Antisemitismus und von Islamophobie dürfen nicht dividiert werden, weil dies den gemeinsamen Kampf gegen Intoleranz lähmt.
Dazu kommt, dass Opfer solcher Aktionen (Muslime, Juden, Roma, Flüchtlinge etc.) sich nicht gegenseitig durch Vorurteile schwächen, sondern gemeinsam ihre Stärke finden und zeigen sollten.
Wer Prinzipien hat, wird Unrecht, gleich, von woher es kommt, schärfstens zurückweisen. Wer aber nur „Interessen“ verfolgt, wird aber allzu schnell nur jenes Unrecht verurteilen wollen, das sich nur gegen die eigene „Gruppierung“ richtet.
Die Dynamik des Bösen ist indes, bei aller Unterschiedlichkeit der Quellen, trotz alledem vergleichbar. Gefordert ist eine Regenbogenkoalition all jener, die an den Rand gedrängt sind.
Bei allem, was traurig stimmt und zornig macht: Die Unterschriftenaktion zeigt auch und lässt heilsam staunen, wie viele Freunde quer durch alle Schichten der Bevölkerung sich mit Muslimen solidarisieren. Zwei Bischöfe (katholisch und protestantisch) und die Vorsitzende der katholischen Frauenorden haben gleichfalls unterschrieben.
Davon konnten Roma, Juden, Behinderte zwischen 1938 und 1945 nicht einmal träumen. Und das ist der große Unterschied zu heute, der große Fortschritt: Wohl gibt es Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus – alt wie neu, ABER, es gibt sie auch und vermehrt, die Solidarität. In die Falle positiver Vorurteile („Österreich als die Insel der Seligen“) wird nicht mehr so leicht hineinzutappen sein. Und Realismus ist eine gute Startbedingung.
Zudem gilt Martin Buber auch heute zeit- und religionsübergreifend: „Wenn wir schon verfolgt werden, dann sollen wir wenigstens wissen, warum wir verfolgt werden.“ Am Höhepunkt des Widerstandes gegen die Rassentrennung sagte Martin Luther King, dass spiritual force auch soul force sei. Der Blick in die Geschichte ist mehr denn je geboten, um sich zu stärken, wenn Unbill kommt.
In österreichischen Internetforen kursiert eine liebenswerte Bemerkung: „’Du bist aber sehr österreichisch!‘ sagt die eine. ‚Sie ist auch Österreicherin!‘, sagt die andere. Und das alles, weil ich gesagt habe, wir sollten das Licht ausschalten, wenn wir den Raum verlassen.“