Projekt gegen Antisemitismus

Kritik an Forschungsförderung für Mansour-Projekt gegen Antisemitismus wächst

Ein neues Forschungsprojekt gegen Antisemitismus sorgt für Kritik. Interne Dokumente, die CORRECTIV ausgewertet hat, zeigen: Trotz negativer Gutachten erhielt Ahmad Mansours Organisation eine Förderung in Millionenhöhe vom Forschungsministerium.

04
11
2025
Ahmad Mansours
Ahmad Mansours

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) finanziert seit Juli 2025 ein Projekt gegen Antisemitismus an Schulen – geleitet vom Psychologen Ahmad Mansour. Das Vorhaben mit dem Namen „Dis-Ident“, das laut Projektbeschreibung Strategien gegen „israelbezogenen Antisemitismus“ und „islamistische Radikalisierung“ entwickeln soll, wird mit knapp neun Millionen Euro gefördert. Interne Unterlagen, die dem Recherchenetzwerk CORRECTIV vorliegen, werfen jedoch Fragen zu wissenschaftlicher Qualität und Ethik auf.

Nach Angaben des Ministeriums richtet sich das Programm vor allem an muslimische Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte. Sie sollen lernen, antisemitische Vorurteile zu reflektieren – unter anderem durch Theaterworkshops und Rollenspiele. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von mehreren Universitäten, darunter München, Köln und Heidelberg.

„Es fehlt an überprüfbaren Hypothesen und klaren Methoden“

Doch die von CORRECTIV ausgewerteten Dokumente zeichnen ein anderes Bild: Bereits 2024 hatten externe Fachgutachter den Antrag als „nicht förderungswürdig“ bewertet. Es fehle an überprüfbaren Hypothesen, klaren Methoden und einem nachvollziehbaren Forschungsdesign. Zudem kritisierten sie einen „defizitorientierten Blick“ auf Jugendliche mit muslimischem Hintergrund. Das Projekt gehe von der Annahme aus, antisemitische Einstellungen seien in „muslimischen Kulturkreisen per se gegeben“ – eine Verkürzung, die wissenschaftlichen Standards widerspreche.

Trotz dieser Kritik erhielt Mansours gemeinnützige Organisation „Mind“ die Förderzusage. Nach Informationen von CORRECTIV spielte dabei offenbar politischer Einfluss eine Rolle: FDP-Abgeordnete hatten die Förderung bereits 2023 im Haushaltsausschuss festgeschrieben – ohne offenes Auswahlverfahren. Auch die Fachgutachter zogen sich später aus dem Prozess zurück, nachdem das Ministerium das Projekt genehmigt hatte, ohne ihre erneute Bewertung abzuwarten.

Expertinnen wie Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung sehen darin ein problematisches Signal: „Wenn wissenschaftliche Gütekriterien hinter politischen Erwägungen zurückstehen, schadet das dem Vertrauen in Forschung und Politik.“

Das Unternehmen Mind weist die Vorwürfe zurück. Man halte sich an alle wissenschaftlichen und ethischen Standards und werde ein Ethikvotum der Deutschen Gesellschaft für Psychologie einholen. Das Ministerium verweist auf eine externe Evaluation und einen begleitenden wissenschaftlichen Beirat.

Leserkommentare

grege sagt:
Mehrere renommierte Universitäten sind Teil des Projekts und unterstützen es durch wissenschaftliche Begleitung: Ludwig-Maximilians-Universität München Universität Heidelberg Universität zu Köln FAU Erlangen-Nürnberg Schon alleine deswegen ist die Erfüllung wissenschaftlicher Standards naheliegend. Darüberhinaus hebt Jan Uphoff hebt hervor, dass Mansour mit „Dis-Ident“ ein Projekt initiiert habe, das praktische Bildungsarbeit mit wissenschaftlicher Begleitung verbinde – und damit einen innovativen Ansatz verfolge, um antisemitische und radikale Narrative bei Jugendlichen zu bekämpfen. Besonders irritierend ist der Vorwurf, Mahnsour nehme eine defizitorientierten Haltung ein. Tatsächlich wird in sozialwissenschaftlichen Studien häufig mit Zielgruppenfokus gearbeitet – etwa bei Untersuchungen zu Rechtsextremismus unter ostdeutschen Jugendlichen. Dabei wird oft vorausgesetzt, dass bestimmte Einstellungen in bestimmten sozialen oder regionalen Kontexten häufiger auftreten, was methodisch nicht automatisch problematisch ist – solange die Forschung transparent, differenziert und hypothesenbasiert erfolgt. Studien zu Rechtsextremismus konzentrieren sich oft auf ostdeutsche Regionen oder bestimmte Milieus, in denen solche Einstellungen statistisch häufiger auftreten. Das wird selten als stigmatisierend kritisiert – sondern als notwendig, um gezielte Prävention zu ermöglichen. Auch bei Studien über Rechtsradikalismus von Biodeutschen wird häufig ein problematisches Verhalten oder eine Haltung vorausgesetzt – etwa Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus – ohne dass jede Studie alle sozialen, ökonomischen oder bildungspolitischen Faktoren im Detail analysiert. Trotzdem gelten solche Studien meist als legitim. Im Fall von „Dis-Ident“ wird jedoch genau dieser Fokus auf muslimische Jugendliche als pauschalisierend und stigmatisierend kritisiert – obwohl Mansour ebenfalls auf Prävention und Aufklärung abzielt. Letztlich bleit der Verdacht im Raum stehen, dass die Kritik von correctiv eher ideologisch motiviert ist und islamiq.de diese aus demselben Grund wenig reflektiert wiedergibt.
08.11.25
19:11
grege sagt:
Hier gibt es noch den Auszug der Darstellung der FAZ zu dem Thema, die Correctiv in ein fragwürdiges Licht stellt: Der Correctiv-Beitrag ist suggestiv und voreingenommen. Ahmad Mansour wird mit Zitaten, deren Wahrheitsgehalt nicht diskutiert wird, als Problemfigur eingeführt. Wissenschaftler werden als unumstößliche Autoritäten für Fragen eingeführt, in denen sie keine besondere Expertise haben. Ihr Urteil wird auch dann als Beweis angeführt, wenn es nicht begründet wird oder sich nicht bestätigt. Es ist auch nicht unüblich, dass Förderprojekte trotz negativer Gutachten oder ohne Wettbewerb im Eilverfahren bewilligt werden, auch wenn dies kritisch zu sehen ist. Der Soziologe Ruud Koopmans weist darauf hin, die Gründung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Mi­grationsforschung sei ebenfalls ohne Ausschreibung beschlossen worden, der dort angesiedelte millionenschwere Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor sogar ohne Gutachten, was das Bundesfamilienministerium auf Nachfrage bestätigt. Das Zentrum verfolgt allerdings einen anderen Ansatz in der Integrationsforschung als das Ehepaar Mansour und dürfte von kritischen Recherchen verschont bleiben. Oder sollten in dieser Richtung weitere spektakuläre Enthüllungen aus dem Hause Correctiv zu erwarten sein? In der von den Mansours betriebenen Forschung stellt sich das Gutachterpro­blem in spezieller Weise. Es ist kein Geheimnis, dass Projekte, die sich kritisch mit Islamismus befassen, in der damit befassten Wissenschaft einen schweren Stand haben. Oft wird die Schuld für Antisemitismus bei Muslimen standardmäßig der diskriminierenden Mehrheitsgesellschaft zugeschrieben, was schon deshalb nicht stimmen kann, weil er auch außerhalb Deutschlands stark verbreitet ist, und was oft dazu führt, dass die tieferen Ursachen unerforscht bleiben. Beatrice und Ahmad Mansour, die auf religiöse und kulturelle Quellen von Antisemitismus hinweisen, sind in diesem Schema hinderlich und müssen niedergehalten werden. Die von ihnen angesprochenen Probleme werden ausgeblendet und wachsen, was angesichts des grassierenden Antisemitismus unverantwortlich ist. Dass eine Plattform wie Correctiv dem Vorschub leistet, ist keine Überraschung, bringt der angeblich dadurch geschützten Demokratie in Wirklichkeit aber Schaden.
10.11.25
13:00