Ein neues Forschungsprojekt gegen Antisemitismus sorgt für Kritik. Interne Dokumente, die CORRECTIV ausgewertet hat, zeigen: Trotz negativer Gutachten erhielt Ahmad Mansours Organisation eine Förderung in Millionenhöhe vom Forschungsministerium.

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) finanziert seit Juli 2025 ein Projekt gegen Antisemitismus an Schulen – geleitet vom Psychologen Ahmad Mansour. Das Vorhaben mit dem Namen „Dis-Ident“, das laut Projektbeschreibung Strategien gegen „israelbezogenen Antisemitismus“ und „islamistische Radikalisierung“ entwickeln soll, wird mit knapp neun Millionen Euro gefördert. Interne Unterlagen, die dem Recherchenetzwerk CORRECTIV vorliegen, werfen jedoch Fragen zu wissenschaftlicher Qualität und Ethik auf.
Nach Angaben des Ministeriums richtet sich das Programm vor allem an muslimische Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte. Sie sollen lernen, antisemitische Vorurteile zu reflektieren – unter anderem durch Theaterworkshops und Rollenspiele. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von mehreren Universitäten, darunter München, Köln und Heidelberg.
Doch die von CORRECTIV ausgewerteten Dokumente zeichnen ein anderes Bild: Bereits 2024 hatten externe Fachgutachter den Antrag als „nicht förderungswürdig“ bewertet. Es fehle an überprüfbaren Hypothesen, klaren Methoden und einem nachvollziehbaren Forschungsdesign. Zudem kritisierten sie einen „defizitorientierten Blick“ auf Jugendliche mit muslimischem Hintergrund. Das Projekt gehe von der Annahme aus, antisemitische Einstellungen seien in „muslimischen Kulturkreisen per se gegeben“ – eine Verkürzung, die wissenschaftlichen Standards widerspreche.
Trotz dieser Kritik erhielt Mansours gemeinnützige Organisation „Mind“ die Förderzusage. Nach Informationen von CORRECTIV spielte dabei offenbar politischer Einfluss eine Rolle: FDP-Abgeordnete hatten die Förderung bereits 2023 im Haushaltsausschuss festgeschrieben – ohne offenes Auswahlverfahren. Auch die Fachgutachter zogen sich später aus dem Prozess zurück, nachdem das Ministerium das Projekt genehmigt hatte, ohne ihre erneute Bewertung abzuwarten.
Expertinnen wie Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung sehen darin ein problematisches Signal: „Wenn wissenschaftliche Gütekriterien hinter politischen Erwägungen zurückstehen, schadet das dem Vertrauen in Forschung und Politik.“
Das Unternehmen Mind weist die Vorwürfe zurück. Man halte sich an alle wissenschaftlichen und ethischen Standards und werde ein Ethikvotum der Deutschen Gesellschaft für Psychologie einholen. Das Ministerium verweist auf eine externe Evaluation und einen begleitenden wissenschaftlichen Beirat.