Srebrenica

25 Jahre Srebrenica – eine Schande für Europa

Der Völkermord von Srebrenica jährt sich heute zum 25. Mal. Die Wunden sind immer noch nicht geheilt. Muslime und Politiker fordern eine Aufarbeitung des Völkermords.

11
07
2020
Tausende Bosniaken flüchten aus Bosnien © Anadolu Images, bearbeitet by iQ
Tausende Bosniaken flüchten aus Bosnien © Anadolu Images, bearbeitet by iQ

Am 11. Juli 1995 wurde Srebrenica zum Schauplatz der grausamsten Tat in Europa nach dem zweiten Weltkrieg. Das Massaker gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Während des Bürgerkrieges (1992-1995) in Bosnien und Herzegowina marschierten serbische Truppen im Juli 1995 in die Stadt ein. Die stationierten UN-Blauhelm-Soldaten konnten die Bevölkerung vor den Serben nicht schützen. Mehr als 8.000 muslimische Bosniaken wurden an diesem Tag zusammengetrieben und getötet. Weitere Zehntausende sind geflohen um zu überleben.

„Srebrenica inspiriert Rechtsextremisten!“

„Durch ganz Europa mussten wir fliehen – und letztendlich landeten wir in Deutschland und lebten in Containern, bis wir dann wieder nach Bosnien Sarajevo zurückgeschickt wurden“, erzählt Melina Borčak gegenüber IslamiQ. Sie floh 1992 als 18 Monate altes Baby mit ihrer Mutter und Schwester aus Bosnien Foča. Die mittlerweile 29-jährige Journalisten lebte nach ihrer Flucht vier Jahre in Deutschland und kehrte 1996 wieder in ihre Heimat zurück. Vor fünf Jahren zog sie nach Berlin, um dort weiter als Journalisten zu arbeiten und zu studieren. Ihr Vater, der damals in Bosnien zurückblieb und dort vor den serbischen Soldaten Zuflucht suchte, überlebte den Genozid glücklicherweise. „Doch ich habe viele meiner Familienmitglieder haben den Genozid nicht überlebt“, so die Journalistin.

„Der Genozid gegen Bosniaken ist keine Vergangenheit und inspiriert bis heute noch Rechtsextremisten!“, so Borčakgegenüber IslamiQ. Noch heute würden sich Rechtsextremisten weltweit die Ermordung und Verfolgung der Muslime in Bosnien als Vorbild nehmen – so auch der Rechtsterrorist aus Christchurch. „Und auch heute noch werden Bosniaken in Bosnien diskriminiert“, erklärt Borčak weiter. Daher sei es gerade jetzt wichtig, den Genozid auch als solches zu akzeptieren und die Menschen aufzuklären. „Viele wissen leider immer noch nicht, dass es einen Genozid in Bosnien gegeben hat und wie Europa dabei nur zugeschaut hat“. Solange Europa den Genozid in Bosnien nicht aufarbeite, diesem keine Stimme gebe und aufkläre, „werden Bosniaken in Bosnien weiterhin diskriminiert und Rechtsextremisten auf der ganzen Welt inspiriert“.

Muslime Gedenken an Srebrenica

Die Erinnerungen an das Massaker von Srebrenica sind geprägt von einem Verbrechen, der einen Tiefpunkt unserer Zeit zeichnet; geprägt von Unrecht und unendlichem Leid. Muslime wünschen den Hinterbliebenen weiterhin Kraft und Geduld. Die Schande von Srebrenica dauere an, weil viele Verbrecher nicht ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden, so der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Kemal Ergün. „Sie dauert an, weil heute noch Menschen auf der Suche nach den Überresten ihrer Kinder, Ehefrauen und Ehemänner sind, um sie bestatten zu können – und immer noch neue Gräber mit sterblichen Überresten von Ermordeten entdeckt werden.“ Es sei ein Völkermord, der sich gerade erst 25 Jahren vor den Augen der Vereinten Nationen und der Weltöffentlichkeit mitten in Europa vollzogen habe und zum Inbegriff für das kollektive Versagen geworden sei.

Der Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek , weist darauf hin, dass der Völkermord an den Bosniaken vor den Augen der internationalen Gemeinschaft und Vereinten Nationen gerade uns Europäer mahne, wachsamer zu sein und entschiedener gegen jede Form des blinden Nationalismus, Extremismus und Rassismus in ganz Europa vorzugehen. „Wir brauchen eine Erinnerungskultur in Europa über den serbischen Vernichtungsfeldzug inmitten unseres Kontinents gegen das muslimische Volk der Bosniaken. Das Wissen darüber muss besser als bisher in die europäischen Schulbücher, Universitäten und in die Geschichtsschreibung Einzug finden.“

Es reiche nicht, dieses brutalste Kriegsverbrechen aufzuarbeiten oder einmal im Jahr zu gedenken, heißt es in der Mitteilung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB). Immer noch gehörten Hass und krankhafter Rassismus nicht der Vergangenheit an. „Das Massaker von Srebrenica ist der Albtraum dessen, wenn es um die Schaffung von vermeintlich ethnisch reinen Nationen geht.“

„Srebrenica darf sich niemals wiederholen“

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat mit eindringlichen Worten an die Gräueltaten des Massakers von Srebrenica erinnert. „Wir sind uns einig: Srebrenica darf sich niemals wiederholen“, sagte der 53-Jährige, nachdem vom 11. Juli vor 25 Jahren an in dem Ort in Ostbosnien etwa 8000 muslimische Männer und Jungen von serbischen Verbänden ermordet worden waren. „Und das zu Ende des 20. Jahrhunderts mitten in Europa, quasi unter den Augen der Weltöffentlichkeit“, betonte Maas.

Wie kein zweiter Ort stehe Srebrenica für die Gräuel und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, die in den 1990er Jahren begangen worden seien. „Nationalistischen Tendenzen, wo immer sie uns begegnen, müssen wir entschieden entgegen treten“, betonte der deutsche Außenminister. „Am heutigen Tag sind wir mit unseren Herzen und unseren Gedanken bei den Opfern des Völkermords von Srebrenica. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Es wird niemals ethnisch, religiös oder kulturell reine Nationen geben, egal wie sehr Nationalisten allgemein sowie hier zu Lande die AfD und Konsorten das anstreben mögen und uns vorschreiben wollen, wer zu uns gehört und wer nicht. Das Massaker von Srebrenica ist eine Mahnung, wohin solches Anstreben in größerem Ausmaß führt. Möge Gott uns alle davor bewahren und den damals Ermordeten in Srebrenica ewigen Frieden geben.
11.07.20
17:32