Nachgefragt

Warum junge Menschen zum Islam konvertieren

Autoren schreiben problemlos hunderte Seiten, doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten und stellt sowohl Buch als auch den Autor vor. Heute mit Susanne Kaiser.

17
05
2018
Die Neuen Muslime
Die Neuen Muslime © iQ.

IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch gerne schenken und warum?

Susanne Kaiser: Ich würde mein Buch gerne einer Person schenken, die Angst vor dem Islam hat, weil sie Musliminnen und Muslime nur aus der Ferne kennt und ansonsten ein Bild aus den Medien übernommen hat, welches die Religion mit Frauenunterdrückung, Terrorismus und Fanatismus verbindet. Menschen, die zum Islam konvertiert sind, haben in der Regel nachvollziehbare Gründe für ihre Entscheidung, die nichts mit Gewalt oder Gesellschaftsfeindlichkeit zu tun haben – anders als uns die überhöhte mediale Aufmerksamkeit für die Geschichten von Radikalisierten suggeriert. Wenn diese Person mein Buch weglegt und denkt: Eigentlich sind das ganz normale Menschen – dann habe ich viel erreicht.

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

Kaiser: Weil es dazu beiträgt, das Bild etwas zu entzerren und Musliminnen und Muslime nicht mehr als homogene Masse, sondern differenziert wahrzunehmen. Und vor allem nicht mehr als „die Anderen“. In meinem Buch zeige ich verschiedene Lebensentwürfe, konkrete Schicksale und individuelle Wege, die in den Islam führten. Ich zeige, wie Frauen durch die Religion lernen sich durchzusetzen und wie Männer sich durch den Islam selbst beibringen, andere Menschen mit Respekt zu behandeln. Das ist das Gegenteil von dem, was uns oft in der öffentlichen Debatte vermittelt wird, in der immer dieselben simplen Gleichungen aufgemacht werden: Kopftuch gleich Frauenfeindlichkeit, verweigerter Handschlag gleich Gesellschaftsfeindlichkeit, Islam gleich Extremismus. Aber so einfach ist es bei weitem nicht.

Die Debatte braucht unbedingt Zwischentöne, um nicht noch weiter abzugleiten. Denn dann könnte die ohnehin angeheizte Stimmung gefährlich kippen. Es wäre wichtig, dass Musliminnen und Muslime in Diskussionen über sie viel stärker selbst zu Wort kommen als bisher. Und vor allem: gehört werden.

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Kaiser: In meinem Buch geht es um Selbstbestimmung und darum, wie man sein Leben mit Sinn füllen kann. Es geht um Menschen, die große Schwierigkeiten und Probleme im Leben hatten und es geschafft haben, da wieder rauszukommen, indem sie ihr Leben radikal geändert haben. Dafür brauchten sie sehr viel Mut. Das zu sehen und zu lesen, macht Mut. Das Buch spricht also nicht nur Leute an, die muslimisch sind oder konvertieren wollen. Sondern auch all jene, die nicht Opfer ihres Schicksals sein wollen, sondern etwas ändern möchten.

IslamiQ: Ihr Buch in drei Wörtern zusammengefasst?

Kann ich nicht.

Susanne Kaiser
Die neuen Muslime: Warum junge Menschen zum Islam konvertieren
Promedia Verlag
ISBN: 978-3853714379
Februar 2018
192 Seiten

IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: Warum konvertieren so viele junge Menschen zum Islam?

Kaiser: Darauf gibt es keine einfache Antwort. Die Gründe sind so verschieden wie die Menschen selbst. Wenn wir Konversion aber als gesellschaftliches Phänomen betrachten, dann würde ich sagen, dass nicht nur die Suche nach Sinn, Spiritualität und Selbstbestimmung hinter einer solchen Entscheidung steht – was ja prinzipiell alle Menschen zu allen Zeiten umtreibt. Wir befinden uns als pluralistische Gesellschaft in einer ganz speziellen Situation: Wir müssen jeden Tag unzählige Entscheidungen treffen, haben die Wahl aus unendlich vielen Möglichkeiten. Das betrifft nicht nur die Frage, ob ich mein Brötchen mit Käse oder Wurst haben will, sondern alles, was mich als Mensch ausmacht und bestimmt: Wer ich sein will, welche Werte mir wichtig sind, welche politischen Positionen ich vertrete, welche Freundschaften ich habe, wen ich liebe, wie ich meine Kinder großziehe – und nicht zuletzt was ich bei alldem für Klamotten trage. Eine Weltanschauung, die mir davon etwas abnimmt, weil sie mir einen Kompass zur Verfügung stellt, kann vor diesem Hintergrund einige Wirkmacht entfalten. Für viele haben sich darüber hinaus die Werte des Kapitalismus mit seinen Heilsversprechen als leer und unbefriedigend erwiesen, sie wollen mehr vom Leben als nur konsumieren und arbeiten, um zu konsumieren. Religion bietet da einen Gegenentwurf zum Neoliberalismus.

Junge Menschen schließen sich allen möglichen Gruppen an und konvertieren zu allem Möglichen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie im Islam vielleicht mehr Struktur finden, als in anderen Religionen, allein schon durch die fünf täglichen Gebete. Möglicherweise ist es so leichter in den Glauben hineinzuwachsen und dabei zu bleiben.

Das Christentum kommt als Alternative weniger in Frage

Für manche mögen die Regeln und die feste Gemeinschaft attraktiv sein, weil sie darin Halt und Sicherheit in einer ungewissen Welt finden. Für viele spielt sicherlich eine Rolle, dass ihnen Religion jenseits der Oberflächlichkeit etwas bietet, das sie als echt und tiefgehend empfinden. Ein Heilsversprechen. Sie entscheiden sich für den Islam, weil sie in ihrem Umfeld Musliminnen und Muslime haben und weil das Christentum als Alternative weniger in Frage kommt – vielleicht, weil es eine belastete familiäre Vorgeschichte gibt oder weil die christliche Tradition als ausgehöhlt empfunden wird, wenn Weihnachten und Ostern als reine Konsumfeste gefeiert wurden. Für einige geht es auch um Abgrenzung, gegen das eigene Elternhaus, gegen Lehrerinnen und Lehrer, gegen die westliche Politik in der Welt, oder ganz allgemein gegen Autoritäten. Da ist der Islam zurzeit das, was am meisten provoziert, was in der öffentlichen Wahrnehmung die deutlichste Abgrenzung darstellt und trotzdem nicht einsam macht, weil es vielerorts eine große islamische Community gibt.

All das könnte erklären, warum junge Menschen zum Islam konvertieren. Am besten erklären können das aber die jungen Menschen selbst. In meinem Buch kommen sie zu Wort.

 

 

Leserkommentare

Kritika sagt:
An Herr Joh. Disch Hr. Disch schreibt: Und um die Frage von "Kritika" zu beantworten: Der Islam ist schon länger die am stärksten und schnellsten wachsende Weltreligion. Vielen Dank, Herr Disch; Ich habe m.W. nie bei Ihnen nachgefragt, welche Sekte am stärksten wächst Das wäre mir ausserdem völlig bedeutungslos. Einige Jahre war die NSDAP sicher die am stärksten wachsende Partei. Wir kennen die Trümmer und das menschliche Leid, welches diese Partei hinterlassen hat. Wir kennen auch bereits die Trümmer und das menschliche Leid, welches der Islam / IS in seinen Einflussgebieten hinterlassen hat. Islam? - - Nichts um stolz d'rauf zu sein. ------ Gegenfrage: Wie kommen Sie -- im Allahs Namen - - überhaupt auf die Idee, beim Islam handele es sich um eine " Zivilisation " ?? Kritika ordnet den Islam angesichts des barbarischen Wütens zwischen Jemen im Süden und Pakistan / Afganistan im Norden, nicht als " Zivilisation Islam " ein sondern als Barbarei; die Barbarei Islam. Gruss, Kritika
26.08.18
2:24
Sina sagt:
Endlich mal eine positive Perspektive auf den Islam! Vielen Dank für das tolle Buch! :) Ich selber überlege zu konvertieren, da ich ebenfalls diese wunderschönen Werte im Islam kennen lernen durfte. Es geht um Respekt, Freundlichkeit und Harmonie. Um Miteinander, Wertschätzung und Frieden. Es wird jetzt sicherlich wieder einige Hetzen gegen diesen Kommentar geben, aber das ist mir mittlerweile ehrlich gesagt egal. Es sind immer die gleichen Argumente und umso dankbarer bin ich für die reflektierten Kommentare, die hier zu lesen sind. Wie zb dass gerade Deutschland oder die katholische Kirche sich einiges zu Schulden kommen ließ. Davon wird nie gesprochen. Stattdessen wird das Christentum verherrlicht, obwohl die meisten Menschen in Deutschland nicht einmal mehr gläubig sind oder in die Kirche gehen... Ja, besonders im Islam findet man Halt und lebt wenigstens noch den Glauben, den man hat. Meine persönlichen Gründe zu konvertieren: * Die strukturierte Ausübung des Glaubens. Die Gebete geben Halt und erinnern an das, was im Leben wirklich wichtig ist. * Die Wertschätzung der Frau (Ja, auch davon spricht der Islam!!) Muslimische Frauen sind kein Freiwild wie viele Frauen in europäischen Ländern, die sich billig anbieten und ihren Spaß nur in Diskotheken erfahren können. * Die wahre Treue zum Ehepartner und zur Familie!!! * Die Ehre der Mutter (Sie hat uns in die Welt getragen) Warum wird ein Geburtstag dann egoistischer Weise alleine mit Freunden ohne die Mutter und Mit Alkohol verbracht? * Junggesellenabschiede...... * Konsumfeste ohne tieferen göttlichen Sinn im Christentum * Alkohol ist im Islam verboten (Es schadet dem Körper) * Die Energie in den großen Moscheen wie zb in Dubai oder Istanbul (Wahre Spiritualität) * Auch Jesus ist ein Prophet im Islam! Alle Propheten werden wertgeschätzt als Überbringer der Worte Erzengel Gabriels * Der Islam verkörpert gute Werte und macht uns zu einem besseren Menschen. * Im Fastenmonat Ramadan wird daran erinnert Essen und Trinken wieder wertzuschätzen und nicht unmäßig zu konsumieren. Sondern auch an die armen Bedürftigen Menschen zu denken, die nichts haben. Sie kochen sogar alle zusammen, beten und essen. * Religion wird noch ernst genommen und es macht sich kein Moslem über Jesus oder Gott oder Mohammed lustig wie viele hier in Europa!! Viele sind doch nur noch auf dem Papier Christ ...... ... Das sind für mich die Gründe, um zu konvertieren. In der Religion fühle ich mich einfach wohler, besser aufgehoben und angenommen. Mir ist es wichtig gute Werte zu leben und viel Wert auf meine Familie zu legen. Darüber hinaus natürlich, auch diese Werte an meine Kinder später weiter zu geben. Dass auch sie ihre Taten und ihre Gedanken reflektieren und dankbar sind für das, was sie haben.
29.01.19
9:19
Sina sagt:
Endlich mal eine positive Perspektive auf den Islam! Vielen Dank für das tolle Buch! :) Ich selber überlege zu konvertieren, da ich ebenfalls diese wunderschönen Werte im Islam kennen lernen durfte. Es geht um Respekt, Freundlichkeit und Harmonie. Um Miteinander, Wertschätzung und Frieden. Es wird jetzt sicherlich wieder einige Hetzen gegen diesen Kommentar geben, aber das ist mir mittlerweile ehrlich gesagt egal. Es sind immer die gleichen Argumente und umso dankbarer bin ich für die reflektierten Kommentare, die hier zu lesen sind. Wie zb dass gerade Deutschland oder die katholische Kirche sich einiges zu Schulden kommen ließ. Davon wird nie gesprochen. Stattdessen wird das Christentum verherrlicht, obwohl die meisten Menschen in Deutschland nicht einmal mehr gläubig sind oder in die Kirche gehen... Ja, besonders im Islam findet man Halt und lebt wenigstens noch den Glauben.
29.01.19
9:22
Sina sagt:
Meine persönlichen Gründe zu konvertieren: * Die strukturierte Ausübung des Glaubens. Die Gebete geben Halt und erinnern an das, was im Leben wirklich wichtig ist. * Die Wertschätzung der Frau (Ja, auch davon spricht der Islam!!) Muslimische Frauen sind kein Freiwild wie viele Frauen in europäischen Ländern, die sich billig anbieten und ihren Spaß nur in Diskotheken erfahren können. * Die wahre Treue zum Ehepartner und zur Familie!!! * Die Ehre der Mutter (Sie hat uns in die Welt getragen) Warum wird ein Geburtstag dann egoistischer Weise alleine mit Freunden ohne die Mutter und Mit Alkohol verbracht? * Junggesellenabschiede...... * Konsumfeste ohne tieferen göttlichen Sinn im Christentum * Alkohol ist im Islam verboten (Es schadet dem Körper) * Die Energie in den großen Moscheen wie zb in Dubai oder Istanbul (Wahre Spiritualität) * Auch Jesus ist ein Prophet im Islam! Alle Propheten werden wertgeschätzt als Überbringer der Worte Erzengel Gabriels * Der Islam verkörpert gute Werte und macht uns zu einem besseren Menschen. * Im Fastenmonat Ramadan wird daran erinnert Essen und Trinken wieder wertzuschätzen und nicht unmäßig zu konsumieren. Sondern auch an die armen Bedürftigen Menschen zu denken, die nichts haben. Sie kochen sogar alle zusammen, beten und essen. * Religion wird noch ernst genommen und es macht sich kein Moslem über Jesus oder Gott oder Mohammed lustig wie viele hier in Europa!! Viele sind doch nur noch auf dem Papier Christ ...... ... Das sind für mich die Gründe, um zu konvertieren. In der Religion fühle ich mich einfach wohler, besser aufgehoben und angenommen. Mir ist es wichtig gute Werte zu leben und viel Wert auf meine Familie zu legen. Darüber hinaus natürlich, auch diese Werte an meine Kinder später weiter zu geben. Dass auch sie ihre Taten und ihre Gedanken reflektieren und dankbar sind für das, was sie haben.
29.01.19
9:23
Tarik sagt:
"Ich bin überzeugt davon, dass Voltaire den Koran für ein sehr schlechtes Buch gehalten hätte, wenn er sich näher mit ihm beschäftigt hätte." (Ute Fabel) Voltaire hat sich eingehend mit dem Islam beschäftigt, und sich später von seiner früheren harschen Islamkritik in seiner Tragödie "Mahomet" (1743) nicht nur distanziert, sondern lobende Worte sowohl für den Islam als auch für Muhammad (s.) gefunden. Nachzulesen in seinen Werken: "Versuch über die Weltgeschichte und die Sitten und den Geist der Völker" (1756) "Philosophie der Geschichte" (1765)
16.03.19
23:38
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