Um Staat und Religion, Gesellschaft und Glaube soll es gehen. Aber die aktuelle politische Diskussion über die Staatsferne muslimischer Religionsgemeinschaften beherrscht auch den internationalen Osnabrücker Kongress zum Thema.
Warum fühlen sich Muslime in Niedersachsen im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften nicht als ebenbürtig behandelt? Weil sie zu schnell mit radikalen Extremisten gleichgesetzt werden, meint der Vorsitzende der Schura Niedersachsen, Recep Bilgen.
Dabei sei etwa die Schura nach ihrem Selbstverständnis eine in Deutschland verortete Religionsgemeinschaft, sagte er am Mittwochabend in Osnabrück bei einer Podiumsdiskussion zum Kongress „Religionen, Reformen und gesellschaftlicher Wandel in Politik, Wirtschaft und Bildung“.
„Wir sehen unsere Aufgabe auch darin, für einen Islam im Einklang mit dem Grundgesetz einzutreten“, so der Schura-Vorsitzende. Man empfinde es als „herben Rückschlag“, dass sich die Politik trotz des wiederholten Entgegenkommens von muslimischer Seite nicht zur Zustimmung für den sogenannten Staatsvertrag habe entschließen können.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte zuvor klargestellt, dass es in der laufenden Legislaturperiode keinen Staatsvertrag mit den Muslimen im Land geben werde. Dafür fehle die „notwendige Akzeptanz in der Gesellschaft“.
Bilgen macht dafür allerdings die mediale Berichterstattung verantwortlich. Es gebe keine allgemeine Definition des „politischen Kampfbegriffes Islamismus“. In den Medien würden legale Gruppierungen in einem Atemzug mit Terrorismus genannt, kritisierte er. „Damit konstruiert man eine ideologische Nähe zum Terrorismus, die der Normalbürger im Alltag nicht auseinanderhalten kann“, sagte Bilgen.
Sind Muslime in Niedersachsen tatsächlich derart in Bedrängnis? Kann man wirklich von fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz im Land sprechen, fragte die Moderatorin und katholische Theologin Martina Blasberg-Kuhnke. Weil bedauerte, dass es zu Verzerrungen in der Wahrnehmung komme. Allerdings bringe es wenig, über Begriffe und Definitionen zu streiten. Die Vereinbarung zwischen dem Land und der muslimischen Glaubensgemeinschaft solle besiegeln, was es an guter Zusammenarbeit gebe. In dieser Hinsicht aber fehle es derzeit an gesellschaftlicher Akzeptanz.
„Es ist nicht klug, in einer solchen Angelegenheit mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Dann lieber sehr beharrlich daran bohren, dass es das dazu notwendige Verständnis gibt“, beschied Weil. Die niedersächsische Landesregierung hatte Mitte Januar die Verhandlungen über einen Vertrag ausgesetzt. Als Grund nannte sie Zweifel an der Unabhängigkeit der größten islamischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland, dem Moscheeverband Ditib. Der steht seit Wochen in der Kritik, weil einige Ditib-Imame Informationen über angebliche Anhänger des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen an die türkische Regierung weitergeleitet haben sollen.
Gerade im Hinblick auf die aktuelle Problematik benötige man Imame, die in Deutschland ausgebildet werden, forderte Bilgen. Ungelöst aber bleibe die Frage der Besoldung der muslimischen Geistlichen. „Moscheegemeinden können einen in Deutschland ausgebildeten Imam derzeit nicht finanzieren.“
Weil lehnte die Bezahlung muslimischer Geistlicher durch den Staat ab. Er wünsche sich auch keine speziellen islamischen Schulen und andere Bildungseinrichtungen. „Wir haben in unserer Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach Gemeinsamkeit“, so der Ministerpräsident.
Auf dem Programm des am Mittwoch eröffneten zweitägigen Kongresses stehen Impulsreferate und Diskussionsforen mit rund 30 Vertretern aus Wissenschaft, Religion, Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben. Veranstalter sind die Institute für evangelische, katholische und islamische Theologie der Universität sowie die Stadt Osnabrück unter Mitwirkung des Runden Tisches der Religionen Osnabrück und der Osnabrücker Friedensgespräche. (KNA/iQ)