Würzburg

Wissenschaftler kritisiert Medien

Nach der Berichterstattung über die Gewalttat in Würzburg, kritisiert der Politologe Asiem El Difraoui die Medien für ihren undifferenzierten Journalismus.

20
07
2016
Islam
Symbolbild: Medien © by espensorvik auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Nach dem Axt-Angriff in Würzburg hat der ägyptisch-deutsche Politologe Asiem El Difraoui die Medien scharf kritisiert. Sie nähmen sich nicht die Zeit, Hintergründe zu analysieren und die Ursachen von Radikalisierung zu beleuchten, sagte er am Dienstag im Interview. „Wir sind in die IS-Medienfalle getappt. Die Debatte führt immer weiter weg von den eigentlichen Problemen.“

So seien aus dem südlichen Mittelmeerraum nur noch erschreckende Bilder zu sehen, von „Zerstörung, IS, Flüchtlingen“, sagte der Experte weiter. „Wo bleiben Berichte über syrische Künstler, ägyptische Filmemacher, die Zivilgesellschaft in diesen Ländern?“

Stattdessen verbreiteten viele Medien die Propaganda der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Die Bevölkerung nehme unterdessen niemand mehr als Nachbarn wahr. „Dabei verbindet uns mit diesen Menschen mehr, als uns trennt.“

In den westlichen Ländern glaubten „Psychopathen die verlogene Heilslehre des IS“, warnte der Wissenschaftler, der sich seit Jahren mit dem „Dschihadismus“ befasst. „Diese Lügen wären nicht so groß, wenn die Terroristen nicht so viel Platz bekämen.“

Zugleich müsse sich auch die muslimische Welt der Debatte stellen, betonte El Difraoui. Die gesamte Gesellschaft müsse sich mehr für Werte engagieren, etwa die Ideale Europas. Die Arbeit der Kirchen richte sich oftmals gegen den Hedonismus der Konsumgesellschaft, in der manche junge Menschen „irgendetwas“ werden wollten, „egal was“, und sich vom IS verführen ließen. „Diese Jungs werden nicht zu Muslimen, sondern zu Dschihadisten – weil sie gar nicht wissen, was muslimische Spiritualität ist.“ – El Difraouis Buch „Wie der Dschihadismus über uns kam“ erscheint im Herbst bei Suhrkamp. (KNA/iQ)

Leserkommentare

Bernd sagt:
Die Kirchen sind schuld, wenn junge Muslime in den Dschihad ziehen? Doch wohl eher die Moscheen. Es gibt sicherlich viel über die deutschen Medien zu sagen. Aber ein ägyptischer Wissenschaftler könnte sich auch einmal selbstkritisch die ägyptischen Medien anschauen. Oder die Medien in der Türkei, die so tun, als sei jeder, der nicht für Erdogan ist, ein Staatsfeind, den es zu neutralisieren gilt.
20.07.16
13:19