Flanke, Kopftuch: Tor! Das Integrationsprojekt „Kicking Girls“ bringt junge Migrantinnen und Fußballvereine zusammen. Bei Fußball-AGs in Grundschulen werden die Trainer dabei von besonderen Assistenz-Coaches unterstützt
Der Fußballboom bei Mädchen macht vor niemandem halt. Damit dies so bleibt, will das Integrationsprojekt „Kicking Girls“ Mädchen aus sozialen Brennpunkten bereits im Grundschulalter an den Vereinssport heranführen. Trainerinnen aus den gleichen Kulturkreisen sollen den Eltern dabei die Bedenken nehmen.
Als die Duisburgerin Nadia Taheri 16 Jahre alt war, wollten ihre aus Marokko stammenden Eltern nicht länger, dass sie Fußball spielt. Zwei Jahre lang hatte ihr Bruder sie trainiert. Als er aufhörte, sollte auch sie aufhören: „Das ist nichts für Frauen“, hätten sie gesagt. Doch an ihrer Schule konnte sie weiterspielen. Eine Lehrerin wurde auf sie aufmerksam und meldete sie für ein „Kicking Girls“-Assistenztrainer-Seminar an. Die Jugendliche hängte sich anschließend die Trainerpfeife um und leitete an einer Grundschule eine Fußball-AG. „Ein Kompromiss mit meinen Eltern“, sagt die mittlerweile 25-Jährige, die derzeit eine Ausbildung zur Erzieherin macht.
Die Grundidee des Projekts ist simpel: Junge Mädchen und örtliche Sportvereine werden zusammen gebracht. Denn Kinder mit Migrationshintergrund sind häufig in Sport-AGs ihrer Schule, nicht aber in Vereinen.
„Das gilt noch mehr für Mädchen. Ist die Schule noch ein geschützter Raum, sind die Eltern dann gegen den Eintritt in einen Verein“, sagt Katharina Althoff vom Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Sie ist „Kicking Girls“-Projektleiterin. Von hier aus werden 220 Grundschulen an 21 Standorten in NRW und 40 weiteren bundesweit mit Materialen für eine Frauenfußball-AG versorgt, Vereine als Paten organisiert und Trainer bezahlt. Diese werden vor Ort bei der Betreuung der wöchentlich etwa 3000 fußballbegeisterten Mädchen durch Assistentinnen unterstützt.
Taheri ist mit dem runden Leder groß geworden: Drei ältere Brüder hat sie und einen fußballbegeisterten Vater. Gebolzt wurde auf der Straße in Duisburg-Marxloh, auch mit den Jungs in der Schule. „Fußball ist in Familien mit Migrationsgeschichte immer gut – solange es die Männer sind, die spielen“, sagt Taheri.
Mädchen werden belächelt, Mütter sind dagegen, argumentieren mit den kurzen Hosen der Spielerinnen oder den vielen Männern auf dem Sportplatz. „Sobald junge Migrantinnen erwachsen werden, sind sie nur schwer beim Fußball zu halten“, berichtet auch Marianne Vinke-Holz, Frauenbeauftragte des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes.
Mittlerweile koordiniert Taheri in Duisburg seit zwei Jahren Fußball-AGs an vier Schulen und führt neue Assistenztrainerinnen an den Schulen ein. Über ihre Zeit als Trainerin sagt sie: „Ich war eine Verbindungsperson zu den Eltern. Ich habe deren Ängste ja am eigenen Leib gespürt. Meine Aufgabe war es dann zu vermitteln.“
Später trat sie beim SV Rhenania Hamborn ein und erwarb eine Trainerlizenz für Breitensport – als eine von ganz wenigen Frauen in Nordrhein-Westfalen. Die Probleme, die sie noch mit ihren eigenen Eltern hatte, kann sie den jungen Mädchen dort nehmen. Immer mehr junge Migrantinnen sind mittlerweile auch nach der Schulzeit in dem Verein aktiv. (dpa, iQ)