Deutscher Juristentag

Schutz religiöser Bekenntnisse beibehalten

Auch Themen zu Muslimen in Deutschland haben den 70. Deutschen Juristentag in Hannover (16. – 19. September 2014) beschäftigt. Neben dem Blasphemieparagrafen und der Knabenbeschneidung ging es auch um das Thema NSU.

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09
2014
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Der Deutsche Juristentag hat sich dafür ausgesprochen, den Schutz religiöser Bekenntnisse im Strafgesetzbuch beizubehalten. Dem Tatbestand der Bekenntnisbeschimpfung (Paragraf 166 StGB) komme „in einer kulturell und religiös zunehmend pluralistisch geprägten Gesellschaft eine zwar weitgehend symbolhafte, gleichwohl aber rechtspolitisch bedeutsame, werteprägende Funktion zu“, heißt es in einem am Donnerstag (18.09.2014) in Hannover mit großer Mehrheit verabschiedeten Antrag. Zudem gebe er religiösen Minderheiten das Gefühl existenzieller Sicherheit.

Gotteslästerung gilt in Deutschland seit 1871 als Straftatbestand. Seit der Strafrechtsreform von 1969 ist der sogenannte Blasphemie-Paragraf 166 StGB jedoch eingeschränkt. Bis dahin war die „Beschimpfung religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse“ das Kriterium. Seitdem ist die Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses nur strafbar, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Strafrechtliches Schutzgut ist damit der öffentliche Friede und nicht mehr das individuelle religiöse oder weltanschauliche Empfinden.

Kirchenvertreter und Muslime hatten in der Vergangenheit mehrfach beklagt, dass die Schutzvorschrift deshalb zahnlos geworden sei. Religionskritiker hatten dagegen die völlige Abschaffung des Paragrafen gefordert. Religionen dürften keine Sonderrolle in der öffentlichen Debatte haben. Es herrsche Meinungsfreiheit.

Juristentag stellt sich hinter Beschneidungsregelung

Der Deutsche Juristentag hat zudem keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen. Mit 40 zu 32 Stimmen bei 19 Enthaltungen stellten sich die Delegierten hinter das Ende 2012 vom Bundestag verabschiedete Gesetz, das die Knabenbeschneidung aus nichtmedizinischen Gründen unter bestimmten Bedingungen gesetzlich erlaubt. Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs ist unter anderem, dass er nach Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.

Nach Meinung der Juristen bedarf der entsprechende Paragraf 1631d des Bürgerlichen Gesetzbuchs allerdings einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend, „dass die Vorschrift nur einen auf ein ernsthaftes religiöses Selbstverständnis gestützten Eingriff rechtfertigt“. Hygienische oder ästhetische Vorlieben der Eltern oder kulturell tradierte Sitten reichten hierfür nicht aus.

Im Mai 2012 hatte das Kölner Landgericht die Beschneidung in einem Einzelfall als Körperverletzung gewertet. Das von der bisherigen Rechtsprechung abweichende Urteil führte zu einer tiefgreifenden Verunsicherung unter den Juden und Muslimen in Deutschland. Daraufhin sah sich der Gesetzgeber zum Handeln gedrängt.

NSU: Pläne von Heiko Maas abgelehnt

Plänen von Justizminister Heiko Maas (SPD) für schärfere Strafen bei Hassverbrechen erteilte der Juristentag hingegen eine deutliche Absage. Die gesetzlichen Bestimmungen sollten nicht um „rassistische, fremdenfeindliche oder sonst menschenverachtende Motive“ ergänzt werden, heißt es in einem weiteren Beschluss. Die Juristen vertreten die Auffassung, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen solche Motive bereits genügend berücksichtigen.

Justizminister Maas hatte hingegen aufgrund der Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eine entsprechende Gesetzesvorlage auf den Weg gebracht. Vertreter der Opposition und der Muslime sprachen bereits bei der Vorstellung der Pläne von bloßer „Symbolpolitik“.

Hintergrund: Deutscher Juristentag

Alle zwei Jahre findet der „Deutsche Juristentag“, eine Tagung des gleichnamigen eingetragenen und gemeinnützigen Vereins, statt, der als Kongress zu rechtspolitischen Themen mit bis zu 3.000 Teilnehmern (meist Juristen) veranstaltet wird. Der Juristentag beschäftigt sich meist mit aktuellen rechtpolitischen Fragen und gilt als größtes Treffen von Juristen in Europa.

In diesem Jahr feierte der Deutsche Juristentag sein 70. Jubiläum. Der Kongress findet alle zwei Jahre statt. Dem gleichnamigen Verein und Ausrichter gehören ungefähr 6.000 Mitglieder an. (KNA/iQ)