Extremismus in Frankfurt

CDU-Politiker: Koran soll weg von den Straßen

Der Frankfurter CDU-Politiker Uwe Becker fordert ein Verbot der Aktion „Lies!“. Dabei verteilen Salafisten eine Übersetzung des Korans auf der Straße. Becker sieht in der Aktion ein Anwerbeprogramm für Extremisten. SPD-Politiker Turgut Yüksel wirft Becker Panikmache vor.

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10
2014

Er weiß noch nicht wie und ob das überhaupt möglich ist. Doch der Kreisvorsitzende der Frankfurter CDU, Stadtrat und Stadtkämmerer Uwe Becker, will den Koran nicht mehr auf den Straßen Frankfurts verteilt sehen. Der CDU-Politiker forderte in einer am Montag (13.10.2014) verbreiteten Erklärung die Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel, um die Koranverteilaktion „Lies!“ zu verbieten. Becker sieht die Aktion „LIES!“ der sogenannten Salafisten in Frankfurt als „handfeste Provokation unseres demokratischen Rechtsstaates, als Unterhöhlung unserer freiheitlichen Gesellschaft und als Gefahr für die öffentliche Ordnung.“ Es gebe laut Becker in Frankfurt keinen Platz für Extremisten.

Das geforderte Verbot für die Verteilung von Koranen in Frankfurt begründet Becker mit der gesellschaftlichen Akzeptanz von Muslimen. Man laufe Gefahr, dass die Akzeptanz von Muslimen Schaden nehme, wenn man nich mit vereinten Kräften den „extremistischen Auswüchsen“ konsequent entgegentrete. „Mit der Aktion „Lies!“ wird im Schafspelz der Koran in den Städten verteilt, während die Wölfe nur auf neue willfährige Lämmer warten“, so Becker.

Scharfe Kritik aus der SPD

Aus der Sicht des CDU-Politikers stellen Aktionen wie „Lies!“ ein Propagandainstrument der „radikal-islamistischen Szene“ dar, um neue Anhänger zu gewinnen. Diese könnten laut Becker später sogar als „Dschihadisten“ in den bewaffneten Krieg ziehen oder aber auch zur Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Deutschland werden. Deshalb gehöre neben Prävention auch die Festlegung von klaren Grenzen der Toleranz zu den notwendigen Instrumenten, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf Dauer zu sichern.

Der Frankfurter SPD-Politiker und hessische Landtagsabgeordnete Turgut Yüksel hat die Forderungen von Becker in einer eigenen Mitteilung zurückgewiesen und sie als Ausdruck von „Hilfslosigkeit“ bezeichnet. Beckers Äußerungen seien zudem „rechtspopulistisch“, sagte Yüksel. „Diese Verbotskultur löst keine Probleme, sondern verschärft Ressentiments. Das Verteilen des Korans unter Strafe stellen zu wollen ist bestenfalls eine Bankrotterklärung des eigenen politischen Gestaltungsanspruchs und Ausdruck völliger Hilflosigkeit. Schlimmstenfalls aber sollen diese Scheinlösungen islamophobes Gedankengut bedienen, um der AfD nicht den ganz rechten Rand zu überlassen“, heißt es in der Mitteilung.

Andere Verbotsforderungen nicht bekannt

Aus Sicht von Yüksel sollte sich Becker bei seinen „Parteikollegen in Berlin“ besser dafür einsetzen, dass bereits bestehende juristische und polizeiliche Mittel vollständig ausgeschöpft werden. Dies sagte Yüksel auch mit Blick auf eine Justizpanne in Offenbach. Dort war ein unter Hausarrest stehender junger Salafist, der eine sogenannte „kleine Fußfessel“ trug, einfach nach Syrien ausgereist – ohne das ihn die Behörden gestoppt hätten. Es wird vermutet, dass er sich den Kämpfern der Terrororganisation IS angeschlossen hat.

Ob Stadtkämmerer Uwe Becker neben dem Koranverbot auch Forderungen stellen wird, Rechtsextremen, Zeugen Jehovas oder der Scientology das Verteilen von Flugblättern und Literatur zu verbieten, ist nicht bekannt. Es gibt im Archiv allerdings bei Becker einen Vermerk. Im Sommer hatte der CDU-Politiker sich für ein Burkaverbot ausgesprochen – und dies auch mit dem angeblichen Schutz von Muslimen begründet. (as)

Leserkommentare

Burak sagt:
Die Ironie im letzten Absatz ist nicht zu überbieten, thumbs up! Interessant ist aber, dass Herr Becker den Drang verspürt, seine Forderungen mit dem angeblichen Wohl der Muslime in Deutschland begründen zu müssen. Ein Spagat zwischen islamfeindlichen Forderungen einerseits (Koranverteilungsverbot) und vermeintlich gut gemeinten Motiven andererseits ist nicht möglich. Herr Becker tritt vielmehr selbst als Wolf im Schafspelz auf, indem er so tut, als handle er aus rein freundschaftlichen Beweggründen. Entweder muss er klare Position beziehen und sich nicht hinter politischen Erklärungsmustern verstecken (die auch noch so konstruiert wirken, dass er nur belächelt werden kann), oder aber er sollte derartige Forderungen gänzlich unterlassen. Wenn ihm etwas an seiner Seriösität liegt, versteht sich.
17.10.14
14:51
Christopher sagt:
Also im Gegensatz zu meinem/r Vorredner/in muss ich sagen, dass ich den letzten Absatz außerordentlich unangemessen finde. Erstens ist Rechtsextremen jetzt schon das Verteilen von verfassungsfeindlichen Schriften untersagt. Zweitens sind Islamisten (auch wenn man gerne über den Begriff Islamismus streiten mag) - im Gegensatz zu den Zeugen Jehovas oder der Scientology tatsächlich eine breite und vor allem sich aktuell entwickelnde Gefahr für unsere Gesellschaft. Ganz davon abgesehen empfinde ich die Überschrift "Koran soll weg von den Straßen" als unangemessen reißerisch. Es wurde hier kein Koranverbot gefordert, wie das hier unterschwellig unterstellt wird, sondern es wurde ein Verbot der Aktion "Lies!" gefordert. Das ist schon ein erheblicher Unterschied. Ich stimme allerdings zu, dass ein Verbot grundsätzlich wenig bewirken würde, und eher hilfloser Aktionismus ist. Trotzdem: Einem Politiker auf der einen Seite Populismus vorzuwerfen, und auf der anderen Seite einen Artikel mit absichtlich-verfälschender Überschrift zu veröffentlichen, ist schon beinahe Realsatire.
17.10.14
19:13
Burak sagt:
@Christopher: Leider sind unsere Politiker bzgl. "Gefahren", die sich vermeintlich aus dem Islam speisen, von Populismus angesteckt. Um Beckers Forderung ernst nehmen zu können, müssten bspw. bei den aktuellen Demonstrationen in Deutschland für Kobane auch unterbunden werden, Fahnen verbotener und als Terrorvereinigungen gelisteter Organisationen zu schwingen oder Bilder des Anführers einer solchen Organisation aufzuhängen. In deutschen Innenstädten werden regelmäßig Flugblätter verteilt, die Propaganda für diese Organisation betreiben - oft unter Polizeiaufsicht. Im Vergleich dazu ist eine Koranverteilungsaktion wohl eher harmlos. Außerdem ist die Koranübersetzung, die diese Menschen verteilen, meines Wissens nach eine anerkannte und etablierte (und keine von Salafisten selbst übersetzte) Version. Ein Verbot würde daher letzten Endes in den Augen der Muslime als Koranverbot registriert werden - daher ist die Überschrift auch vollkommend zutreffend. Denn wenn sie gegen Salafisten vorgehen möchten, dann bitte gegen ihre Organisationsstruktur oder offen verfassungsfeindlichen Aktionen - nicht gegen die Verteilung des Korans. Daran ist nichts auszusetzen, solange der Inhalt nicht von Salafisten selbst übersetzt/verfälscht/für ihre Zwecke missbraucht wurde.
18.10.14
8:38
Christopher sagt:
@Burak: Danke für Ihre Antwort! Ich glaube aber, wir sind uns in der Sache einig, denn ich wollte hier eigentlich gar nicht den Ansatz von Herrn Becker verteidigen, den ich nicht teile. Aber ich möchte doch anmerken, dass die Forderung nach einem Verbot von "Lies!" sich ja nicht aus der Furcht vor Koranverteilungen oder gar dem Koran selbst speist, sondern aus dem Bestreben, Salafisten kein Forum in der Öffentlichkeit zu bieten - denn natürlich wird einem bei einer solchen Aktion nicht nur der Koran in die Hand gedrückt, sondern es wird auch das Gespräch mit Passanten gesucht. Sicherlich klatschten einige islamfeindliche Menschen freudig in die Hände, wenn ein Verbot duchgesetzt würde. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass die Forderung aus Islamfeindlichkeit gestellt wird. Aber das nur am Rande; Sie haben davon abgesehen aber völlig recht - ein tiefergehendes Vorgehen wäre sinnvoller. Mein Kommentar richtete sich aber nur gegen die journalistische Machart dieses Artikels. Und ich bleibe dabei: ich finde die Schlagzeile unzutreffend und reißerisch, weil sie nicht die tatsächlich gestellte Forderung widerspiegelt, sondern meines Erachtens eher Ausdruck von Empörungsjournalismus ist.
20.10.14
0:45
Moser sagt:
Genauso müsste man dann das Verteilen der Bibel verbieten, kann man dort doch auch extreme Statements finden. Selbstverständlich müssen diese Salafisten sich ans Grundgesetz halten und dies muss sichergestellt werden, aber anstatt verbieten, müsste das Gespräch gesucht werden...ein gesellschaftlicher Pluralismus hilft sicher Extremismus einzudämmen. Wenn alle Religionen/Politiker miteinander im Gespräch wären, würde dies sicher einige Hysterie auflösen..ganz egal ob man dann über Katholizismus, Muslims, Scientologen, Zeugen Jehovas etc. diskutiert.
22.10.14
14:03
Christopher sagt:
@Moser: aber bezüglich eines Bibelverteilungsverbotes ist da dann doch der kleine Unterscheid, dass es unter Christen hierzulande kein nennenswertes Radikalisierungsproblem gibt.
24.10.14
13:29
Andreas sagt:
Mit welcher Begründung möchte denn Uwe Becker ein Verbot der Aktion Lies! durchsetzen? In Frankfurt stehen diese Leute lediglich in einer (durchlässigen) Linie auf der Zeil (Frankfurts Haupteinkaufsstraße) und bieten passiv ihre Koranexemplare an. Etwas anderes ist es, mit den Möglichkeiten des Rechtsstaates gegen diese Gruppe ansich vorzugehen, wenn Hinweise auf Straftaten vorliegen.
30.10.14
13:52
Abdullah sagt:
Mir sind einige Muslime bekannt, die die Aktion „LIES!“ zur unverbindlichen und kostenlosen Verteilung einer Koran-Übersetzung für gut finden oder sogar selbst daran teilnehmen, ohne der Salafi-Richtung anzugehören. Was daran auszusetzen wäre, ist vielleicht, daß sie nur eine nahezu unkommentierte Übersetzung verteilen und keine anderen Schriften. Die Überschrift „Der Koran soll weg von den Straßen“ ist eine solche Provokation, daß man sich dagegen erheben sollte. - Wie wär`s im Gegenzug mit der Forderung: „Die CDU soll weg von den Straßen“, d. h. es darf auf der Straße keine Wahlwerbung mehr für sie geben?!
02.11.14
13:49
Harpya sagt:
Vordergründig mag die Koranverteilung eine kostenlose Sache sein. Die Aktion wird aber von der Lies GmbH durchgeführt, solch eine Firma muss gewinnorientiert arbeiten. Die Spender treten dann gegenüber der Firma als Käufer auf, deren erworbenes Gut dann kostenlos verteilt wird. DIe Rechnungsstellung könnte da sehr variabel sein. (Lies Verlags GmbH Pulheim) Na mit Insolvenzen hat Herr Nagie ja ausreichend Erfahrung
09.11.14
19:44
drusus sagt:
@Burak: "Im Vergleich dazu ist eine Koranverteilungsaktion wohl eher harmlos" Den Koran zu verteilen wäre sicherlich harmlos, aber die Leute hinter dem Tresen sind die europäischen Verbindungsleute zu den Extremisten. Es ist kein Zufall, dass viele IS-Fusstruppen aus Deutschland vor ihrer Ausreise mit dieser Szene in Verbindung stand. Dass hier aber mal wieder die PKK als "genauso schlimm" wie IS benannt wird spricht ja schon wieder Bände wes Geistes Kind hinter dieser Aussage steckt. Ich denke zwar auch, dass Verbote eigentlich nichts bringen, aber ich warte auf ein politisches Signal den Unfug einzudämmen und die Spielräume der Extremisten in Deutschland zu verkleinern. Bis jetzt warte ich darauf vergeblich...
19.11.14
13:58