Flüchtlinge

Gerichte überprüfen Glaubenswechsel von Asylsuchenden

Flüchtlinge aus islamischen Ländern haben bessere Chancen auf Asyl, wenn sie zum Christentum übertreten. Gerichte überprüfen daher, ob der Glaubenswechsel echt oder nur vorgetäuscht ist. Doch gegen diese Verfahren regt sich Protest.

08
12
2019
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Taufe - Glaubenswechsel © Shutterstock, bearbeitet by iQ.
Taufe - Glaubenswechsel © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Darf der Staat über den Glauben von Christen urteilen? Diese Frage sorgt für Ärger. Denn immer häufiger müssen Richter die Frömmigkeit von Flüchtlingen überprüfen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind. Die Asylbewerber pochen darauf, dass ihnen als Christen bei einer Abschiebung in ihre Heimat Verfolgung drohe. Doch was, wenn der Glaubenswechsel nur vorgeschoben wurde?

Die christlichen Kirchen sehen diese Verfahren sehr kritisch. Sie betonen, dass sie niemanden leichtfertig tauften. Staatlichen Gerichten stehe es nicht zu, über die Ernsthaftigkeit eines Taufbegehrens zu entscheiden, betont der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm: „Was nicht geht, ist, dass durch Abfrage von sogenanntem Glaubenswissen, das zum Teil in sehr fragwürdiger Weise abgefragt wird, darüber entschieden wird, ob jemand ernsthaft glaubt.“

Der Streit dreht sich um Flüchtlinge, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind. Sie pochen darauf, dass ihnen bei einer Abschiebung in ihre Heimat wegen ihres Religionswechsels Verfolgung drohe. Verwaltungsgerichte überprüfen immer häufiger, ob der Glaubenswechsel nur vorgeschoben wurde.

Glaubenswechsel sei kein Asylgrund

„Immer wieder beobachten wir, dass in Gerichtsentscheidungen zu Asylverfahren absurde Fragen gestellt werden, die nicht vom Wissen über den Glauben gekennzeichnet sind“, kritisierte Bedford-Strohm. „So werden bisweilen höchst fragwürdige Urteile gefällt.“

Das baden-württembergische Justizministerium hält dagegen: Das Bekenntnis zum christlichen Glauben sei noch kein Asylgrund. Vielmehr müsse ein Gericht zur Überzeugung gelangen, dass dem Betroffenen in seinem Heimatland eine Verfolgung wegen seiner Religion drohe. „Ich habe ein großes Vertrauen darin, dass die Verwaltungsgerichte ihre Entscheidungen in jedem Einzelfall mit großer Sorgfalt treffen“, sagt Justizminister Guido Wolf (CDU).

Befragte mussten Fragen zum Kirchenjahr und zu Bibelversen beantworten. Sie mussten Christi Himmelfahrt erklären. Winterbachs evangelischer Pfarrer Joachim Scheuber war mit im Gericht und zeigt sich entsetzt: „Ein studierter Jurist überprüft mit muslimischen Dolmetschern, die manches gar nicht richtig verstehen, den Glauben eines getauften Christen und kommt am Ende zu einem höchst fragwürdigen Ergebnis.“

Konvertit wäre nur äußerlich und zum Schein Christ

Auch Fachleute schütteln mit dem Kopf. Der Staats- und Verwaltungsrechtler Prof. Horst Dreier erklärte in einem Interview der Zeitschrift „Publik Forum“: „Wer von einer Religionsgemeinschaft aufgenommen ist, gehört zu ihr. Wenn dies passiert, gehöre ich dazu, egal ob ich das Vaterunser aufsagen kann oder nicht. Alles andere ist völlig absurd.“ Vermutlich auch viele langjährige Kirchgänger geraten bei Prüfungsfragen zur Dreifaltigkeitslehre ins Schleudern.

Ein abgelehnter Asylantrag eines gelernten Goldschmieds zeigt das Problem. Das Verwaltungsgericht Stuttgart urteilte, der Konvertit sei nur äußerlich und zum Schein zum christlichen Glauben übergetreten. Daher drohe ihm im Herkunftsland keine Verfolgung. Seine Teilnahme an Gottesdiensten habe ebenso wie sein vielfältiges Engagement in der Kirche keine „ernsthaften, gefestigten religiösen Beweggründe“, sondern diene vor allem der „sozialen Aufnahme, die er dort erfährt“.

Erkenntniswert der Abfrage ist fragwürdig

Fälle wie die diese häufen sich, wie der katholische Kirchenrechtler Professor Thomas Schüller in „Publik Forum“ feststellt: „Sie zeigen eine fatale Entwicklung auf: Unabhängige Richterinnen und Richter maßen sich an, darüber zu urteilen, ob jemand zu einer Religionsgemeinschaft gehört oder nicht.“

Der Richter Benjamin Karras hat für die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie zu dem Thema verfasst. Er kommt zum Ergebnis: „Der Erkenntniswert der Abfrage religiösen Wissens ist fragwürdig.“ Richter seien zudem in der „Gefahr, eigene religiöse Vorstellungen beziehungsweise Erwartungshaltungen auf den Asylbewerber zu projizieren“. Die bisher unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe sollten vereinheitlicht werden. (dpa, iQ)