Versuchter Militärputsch in der Türkei

Islamische Religionsvertreter verurteilen Putschversuch

Die Vertreter der islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland verurteilen den Putschversuch in der Türkei aufs Schärfste. Unter ihnen auch ein Vertreter der Hizmet-Bewegung.

16
07
2016
Türkei Flagge
Eine solche Fahne wurde von einer Moschee in Krefeld gestohlen © by Global Jet auf Flickr (CC BY- 2.0), bearbeitet islamiQ

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) hat den Militärputsch in der Türkei verurteilt. „Heute Nacht wurde seitens einer kleinen Juntagruppe ein Aufstand eines Militärputsches in der Türkei unternommen“,  „Wir verurteilen den Versuch dieses Aufstandes auf das Schärfste.“

Die Putschisten hätten versucht, die Demokratie und den Volkswillen in der Türkei außer Kraft zu setzen. „Wir hoffen, dass dieser illegitime Aufstandsversuch in kürzester Zeit beendet wird und erklären der Öffentlichkeit, dass wir die Demokratie unterstützen.“

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) ist der größte islamische Verband in der Bundesrepublik. Sie vertritt nach eigenen Angaben mehr als 900 formell selbstständige Mitgliedsvereine, deren religiöse, soziale und kulturelle Tätigkeiten sie koordinieren will.

IGMG zeigt uneingeschränkte Solidarität mit der Türkei

„Alle demokratischen Kräfte sind heute ohne Wenn und Aber aufgefordert, sich mit der Türkei und dem türkischen Volk zu solidarisieren“, erklärt der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Kemal Ergün, anlässlich des Putschversuchs in der Türkei.

„Putsche sind in Demokratien Schandflecke, egal von wem sie verübt werden und gegen wen sie sich richten. Die Putschisten haben vergangene Nacht nicht einmal davor zurückgeschreckt, mit Waffen des türkischen Militärs auf das türkische Volk zu schießen.“ so Ergün weiter. Die Nacht zum 16. Juli werde immer in Erinnerung bleiben, „als Sieg der Demokraten gegen skrupellose Putschisten.“

Ergün weist auch auf die hohe Zahl der vielen Todesopfer hin, die laut Medienberichten bei 250 liegen sollen: „Es bleibe zu hoffen, dass dieser Angriff auf die Demokratie ein schnelles Ende findet und die Haltung des türkischen Volkes ein Exempel statuiert für alle Zeiten. Möge Gott den Menschen beistehen. Hunderte haben bei den Auseinandersetzungen ihr Leben verloren. Unsere Gedanken sind bei ihnen, ihren Hinterbliebenen und dem gesamten türkischen Volk.“

ZMD nennt Putschversuch „Anschlag auf Demokratie“

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat den Putschversuch in der Türkei als Anschlag auf die Werte der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit verurteilt. Die türkische Regierung sei aufgefordert, Anführer und Unterstützer mit rechtsstaatlichen Mitteln zur Verantwortung zu ziehen, heißt es in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung. Gefragt sei „jetzt nicht Vergeltung und der erhobene Zeigefinger, sondern der Versöhner“, der Demokratie und Menschenrechte anerkenne und sich einer Spaltung im Lande entgegenstelle. Deutschland und Europa seien verpflichtet, der Türkei in „diesen schwierigen Zeiten“ beizustehen.

Der Zentralrat sprach den türkischen Bürgern, „die Zivilcourage bewiesen haben und sich den gewaltsamen Usurpatoren auf friedliche Weise entgegengestellt haben“ Respekt aus. Sie seien der Beweis dafür, dass die Mehrheit der Türken die gewaltlose, demokratische Austragung politischer Auseinandersetzungen bevorzuge und diese auch für vereinbar mit dem Islam ansehe.

Hizmet-Bewegung in Deutschland distanziert sich

Noch in der Nacht des Putsches hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan behauptet, der Putsch sei aus Pennsylvania von Fethullah Gülen angeordnet worden. Gülen selbst hat diesen Vorwurf zurückgewiesen. Die ihm nahestehende Hizmet-Bewegung und die in ihr organisierte Stiftung Dialog und Bildung hat am Samstagmittag nach der ereignisreichen Nacht den Putschversuch in der Türkei ebenfalls in einer Pressemitteilung abgelehnt. Auf der Webseite der Stiftung Dialog und Bildung erklärte der Geschäftsführer, dass „die schlechteste Demokratie“ besser sei „als jeder Putsch“.

Leserkommentare

Manuel sagt:
Klar, wird doch DITIB von den AKP-Islamisten beherrscht und finanziert, das Erdogan ein Islamist ist, der die Türkei in einen islamischen Gottesstaat umwandeln will, davon hört man natürlich nichts. Besonders demokratisch ist es auch nicht, wenn man politische Gegner und kritische Jouralisten einsperren lässt.
17.07.16
11:51
Andreas sagt:
Verurteilen DITIB und IGMG auch die Greueltaten von den Anhängern Erdoğans an Soldaten? Es ist zu Hinrichtungen von Soldaten, die sich ergeben hatten, durch Anhänger Erdoğans gekommen. Da es sich um wehrlose Männer gehandelt hat, die längst die Waffen gestreckt haben, kann man von Mord sprechen. Warum wird diese Lynchjustiz nicht verurteilt?
17.07.16
13:31
Manuel sagt:
@Andreas: Hier bin ich mal ausnahmsweise komplett Ihrer Meinung :-)
18.07.16
19:14
Rabia K. sagt:
Lieber Andreas, Die vermeintliche Hinrichtung des Soldaten war eine Falschmeldung, die in den sozialen Netzwerken kursierte. Desweiteren war das nicht nur ein Anschlag auf die demokratisch gewählte Regierung-die somit legitim ist- sondern auf das türkische Volk und die Demokratie schlechthin. Aus diesem Grund hat sich das gesamte Volk zusammengeschlossen und war auf den Straßen-also nicht nur AKP-Befürworter, sondern auch die Opposition. Kein_e Türk_in möchte je wieder unter der Herrschaft des Militärs leben. Es ist an einigen Orten zu Ausschreitungen gekommen, wobei Zivilisten, Polizisten und unschuldige Soldaten durch Putschisten umgekommen sind. Möge Gott ihren Seelen Frieden schenken. Ihrem Grundgedanken stimme ich zu: Ungerechtigkeit EGAL von welcher "Seite" sie kommt, darf auf keinen Fall toleriert werden.
19.07.16
13:09
Bernd sagt:
@Rabia K.: Der von Ihnen geliebte Präsident Erdogan mag zwar demokratisch gewählt sein, schafft aber sukzessive die Demokratie ab. Die Verfassung hat für ihn in Bezug auf seine Person ohnehin keine Bedeutung. Entsprechend hat er auch gleich am Tag nach dem Putsch damit anfangen lassen, seine Gegner (ohne Beweise) verhaften zu lassen, weil natürlich jeder, der Erdogan kritisiert, auch mit dem Putsch zu tun haben muss. Was gelynchte Soldaten angeht, so waren die "Falschmeldungen" immerhin mit Fotos geziert. Und im türkischen Fernsehen wurde ein Übergriff auf einen jungen Soldaten gezeigt, der in Tränen gerade noch von einem Polizisten vor einem AKP-Mob gerettet werden konnte. Tun Sie also bitte nicht so, als gäbe es solche Taten nicht. Außerdem gab es im türkischen Fernsehen einen verhafteten General, der vorgeführt wurde. Der hatte am rechten Ohr einen dicken Verband (wurde ihm das Ohr abgeschnitten oder das Trommelfell zertrümmert) und deutliche Spuren von Misshandlungen an den Oberarmen. Ebenso entspricht es nicht gerade einem Rechtsstaatsprinzip, wenn für die Putschisten nachträglich die Todesstrafe eingeführt werden soll, damit Erdogan sich mit aller Härte an seinen Widersachern rächen kann. Zudem werden sicherlich auch viele Erdogan-Kritiker, die mit dem Putsch gar nichts zu tun haben, mit einem Todesurteil zu rechnen haben. Die Türken ziehen offenbar eine islamistische Diktatur einer Militärdiktatur vor!
20.07.16
12:04
Enail sagt:
Naja, von Demokratie möchte ich in Bezug auf die Türkei nicht sprechen. Wo die Justiz auf Regierungskurs getrimmt wird, wo kritische Zeitungen von der Regierung übernommen werden, wo Journalisten angeklagt und weggesperrt werden, wo, wie jetzt nach dem misslungenem Putschversuch die wissenschaftliche Elite des Landes entlassen und teilweise verhaftet wird, wo unliebsame Beamte, Lehrer, Richter und Staatsanwälte ihrer Posten enthoben werden und wurden, ihnen die Reise ins Ausland verwehrt wird, wo Erdogan Kritiker generell weggesperrt werden, wo das Volk gegeneinander aufgehetzt wird, wo die Immunität von Politikern der Opposition aufgehoben wird um sie strafrechtlich verfolgen zu können, all das zeigt mir keine Ähnlichkeit mit einer Demokratie, eher mit einer Diktatur, so wie wir sie von 1933-1945 in Deutschland hatten, auch mit der demokratischen Mehrheit des Volkes im Rücken. Es ist einfach traurig, was Erdogan aus dem Staate des Mustafa Kemal Atatürk gemacht hat. .
20.07.16
22:26
Charley sagt:
die Gretchenfrage wird ja noch kommen: Wenn Erdogan dann schließlich die Todesstrafe eingeführt hat, wie stellen sich seine/die Islamverbände in Deutschland, Europa usw. zu diesem Vorgehen? Spätestens dann wird es Zeit, sich - hier in Deutschland! - zur Demokratie zu bekennen und sich von Erdogans Türkei zu distanzieren. Aber schon jetzt hätte man, wenn man denn so überzeugt auf dem Boden des GG stünde - genügend Anlass, zur Regierung der Türkei auf Distanz zu gehen!
23.07.16
10:28
Johannes Disch sagt:
@Rabia Falschmeldung in diesem Einzelfall hin oder her: Es ist unübersehbar, dass Erdogan die Demokratie abschafft! Er nutzt den Putsch, um auch noch den Rest der türkischen Opposition zu ersticken. Schon vor dem Putsch waren Grundrechte wie Pressefreiheit eigentlich bereits nicht mehr vorhanden. Erdogan ist ein institutioneller Islamist, und die AKP ist nicht "islamisch-konservativ" und auch keine "türkische CDU", wie Angie Merkel lange irrtümlich glaubte. Sie ist eine islamistische Partei. Erdogan ist schon seit Jahren dabei, die Türkei Stück für Stück in einen islamistischen Staat zu verwandeln und den Laizismus auszuhöhlen. Die religiösen "Imam-Hatip"-Schulen hat er gefördert, das Kopftuch im öffentlichen Dienst und an Universitäten wieder zugelassen, etc. Und die DITIB ist der verlängerte Arm Erdogans. Es zeugt von Blauäugigkeit der deutschen Politik, wenn sie den "Zentralrat" als Ansprechpartner ansieht. Da kann man sich auch gleich die Direktiven vom "Sultan himself" Erdogan holen und braucht nicht den unnötigen Umweg über Mazyek zu gehen. Cem Özdemir hat es klar zum Ausdruck gebracht: Ein EU-Beitritt der Türkei ist undenkbar, so lange Erdogan dort das sagen hat! Die EU sollte das der Türkei endlich klipp und klar sagen, statt diplomatische Schattenspielchen zu veranstalten. lg Johannes Disch
23.07.16
10:47
Manuel sagt:
@Johannes Disch: "...das Kopftuch im öffentlichen Dienst und an Universitäten wieder zugelassen...". Sorry aber eines verstehe ich jetzt nicht, wenn ich für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und an Universitäten bin, dann werfen Sie mir wieder Intoleranz vor und hier führen sie es sogar als Argument.
27.07.16
18:37