Berlin

Gericht weist Klage von Kopftuch tragender Lehrerin ab

Die Klage einer Kopftuch tragenden Lehrerin am Arbeitsgericht Berlin wurde abgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht das Berliner Neutralitätsgesetz an. Die Meinungen sind gespalten.

15
04
2016
Wie neutral ist das Neutralitätsgesetz? © ComiQ by IslamiQ

Im Rechtsstreit um das Kopftuchverbot für Berliner Grundschullehrerinnen ist eine muslimische Lehramtsbewerberin vorerst gescheitert. Am Donnerstag wies das Arbeitsgericht Berlin ihre Entschädigungsklage gegen das Land Berlin zurück, das sie wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellt hatte. Gegen sein Urteil ließ das Gericht die Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu (58 Ca 13376/15).

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts verstieß die Ablehnung der Klägerin in dem Bewerbungsverfahren nicht gegen das Allgemeine Gleich-
behandlungsgesetz. Zur Begründung führte das Gericht das Berliner Neutralitätsgesetz an. Es untersagt Lehrkräften an öffentlichen Schulen, religiös geprägte Kleidungsstücke zu tragen. Die Berliner Regelung widerspreche nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2015 (1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10), so das Berliner Arbeitsgericht.

Die Karlsruher Richter hatten im Januar 2015 entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen nicht mit der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit vereinbar sei. Das Berliner Arbeitsgericht erklärte, dass diese Entscheidung auf Nordrhein-Westfalens Schulgesetz abgestellt gewesen sei. Im Unterschied dazu sehe die Berliner Regelung jedoch „keine gleichheitswidrige Privilegierung zugunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ vor.

Das Berliner Neutralitätsgesetz behandle alle Religionen gleich, urteilte das Arbeitsgericht. Außerdem gelte dessen Verbot religiöser Bekleidung nicht für die Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen. Auch für die Klägerin sei es möglich, dort mit Kopftuch zu unterrichten. Ein Vertreter des Landes Berlin hatte ihr zu Beginn der Verhandlung eine Einstellung nur für berufliche Schulen angeboten. Die Klägerin lehnte dies ab.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) begrüßten die Entscheidung. Henkel bezeichnete das Neutralitätsgesetz als „faire und ausgewogene Lösung“, die alle Religionen gleich behandle. Kolat betonte, angsichts von mehr als 250 Religionsgemeinschaften in Berlin sei „Neutralität die oberste Staatsmaxime“. Wörtlich fügte sie hinzu: „Um den Schulfrieden zu wahren, müssen wir die negative Religionsfreiheit garantieren.“

Kritik kam dagegen vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Der TBB erklärte, die pauschale Annahme, eine Lehrerin mit Kopftuch gefährde den Schulfrieden, habe mehr mit Vorurteilen zu tun als mit der Realität. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigten, dass die befürchteten Konflikte ausblieben. Die EKBO betonte, das generelle Verbot religiöser Symbole an Schulen entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Danach müsse der Schulfrieden konkret gefährdet sein, um das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. (KNA, iQ)

Wie hat sich der Kopftuchstreit in Deutschland entwickelt? Wir haben es in einem Video zusammengetragen.

Kopftuchkarte2

Leserkommentare

Andreas sagt:
Es wäre besser, wenn Muslime nicht für jedes Recht, das ihnen das Grundgesetz garantiert, hart kämpfen müssten. Da wird mit allen Mittel und Taschenspielertricks versucht, Muslimen ihre Grundrechte zu verwehren. Die Schule ist nicht weniger neutral, wenn sie akzeptiert, dass eine Lehrerin ihre Religion nicht am Eingang abgibt und dies bei Bedarf auch durch ihre Kleidung zeigt. Das Berliner Neutralitätsgesetz ist ein eher fragwürdiges Unterfangen. Im Grunde wird so unnötigerweise durch ein Gesetz versucht, die freie Religionsausübung und den Gleichbehandlungsgrundsatz auszuhebeln, mit dem Argument, dass andernfalls die staatliche Neutralität gefährdet sein. Das ist absolut fadenscheinig.
15.04.16
16:22
Manuel sagt:
Gute Entscheidung, schön das die Richter nicht vor den erzkonservativen aus dem islamischen Ausland finanzierten Islam-Verbänden wie anderswo eingeknickt sind. @Andreas: Fadenscheinig ist nur, dass es offenbar nur den Moslems nicht passt, wenn ein konseqauenter Laizismus angewendet wird, die anderen Religionen scheine keine Probleme zu haben. Und das Berliner Gesetz gilt für ALLE Religionen und nicht nur für den Islam, wie Sie hier suggerieren wollen.
15.04.16
23:21
Ute Fabel sagt:
Das Berliner Neutralitätsgesetz gewährleistet die Gleichbehandlung. Bei diesen und ähnlichen Klagen geht es in Wahrheit um den Wunsch nach religiöser Sonderbehandlung. Die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ist jedoch sehr ernst zu nehmen und erlaubt keine Extrawürste für unnachgiebige Einzelpersonen. Wer die Spielregeln nicht einhalten will, disqualifiziert sich selbt. Erfreulich, dass sich das Gericht nicht von reinen Lobbyinginteressen blenden ließ. Man sollte auch einmal über die vielen muslimischen Lehrerinnen in Berlin berichten, die kein Kopftuch tragen und kein Problem damit haben das Berliner Neutralitätsgesetz einzuhalten.
18.04.16
11:29
Andreas sagt:
@Manuel: Eine Religion, die keine Bekleidungsvorschriften kennt, kann natürlich auch kein Problem mit Verboten haben, die sie gar nicht betreffen. Ein Gesetz hingegen, das zwar scheinbar alle Religionen betrifft, am Ende aber eben doch nur Angehörige einer ganz bestimmten Religion trifft, verstößt gegen das Grundgesetz. Und Laizismus haben wir in Deutschland übrigens nicht so konsequent, wie Sie ihn sich wünschen. Abgesehen davon kann man einen Menschen nicht von seiner Religion trennen. Laizismus ist eine unsinnige Ideologie, die ganz offensichtlich gar nicht realisierbar ist. Abgesehen davon sind die Prediger des Laizismus unehrlich. Sie verstehen unter Laizismus oft nur eine Einbahnstraße, dass also zwar die Religion sich nicht in den Staat einmischen darf, umgekehrt soll aber der Staat sich sehr wohl in die Religion einmischen. Eine Trennung von Religion und Staat wäre das auch nicht, oder?
18.04.16
14:13
Ute Fabel sagt:
@ Andreas: Welches religiöse oder weltanschauliche Kleidungstück oder Symbol gerade im Vordergrund steht und von den Menschen gerade gerne getragen wird, hängt immer von gesellschaftlichen Trends ab. In den 1970er-Jahren wären wahrscheinlich marxistische Symbole auf weit mehr Interesse gestoßen als religiöse Kleidunggstücke. Es kann durchaus sein, dass plötzlich viele Männer Mustafa-Kemal-Atatürk-Hüte tragen wollen, wenn es in der Türkei einen Regierungswechsel gibt. Oder Parteiabzeichen der Kurdenpartei. Dass das Kopftuch das einzige wichtige Kleidungsstück sein soll, das Beachtung verdient, und das optische Neutralitätsprinzip eigentlich nur Kopftuchträgerinnen betreffen sollt, halte ich für doch ziemlich präpotent und diskriminierend allen anderen gegenüber.
19.04.16
8:29
Andreas sagt:
@Uta Fabel: Leider verstehe ich Ihre unsinnigen Anmerkungen nicht. Die muslimischen Frauen wollen doch gar keine besondere Beachtung für ihr Kopftuch. Diese Aufmerksamkeit wird ihnen doch von denen aufgedrängt, die unbedingt das Tragen von Kopftüchern verbieten wollen. Worin sehen Sie denn eine Diskriminierung, wenn Frauen Kopftuch tragen? Sie können doch für sich ebenfalls völlig frei entscheiden, ob auch Sie ein Kopftuch tragen möchten oder lieber nicht. Letztlich diskutieren wir über den Grad, in dem eine Frau sich verhüllen sollte. Übereinstimmung herrscht dabei, dass Scham und Busen bedeckt sein sollte. Muslimische Frauen glauben zum Teil zusätzlich, dass auch ihre Haare bedeckt sein sollten. Was daran präpotent sein soll, ist mir ein Rätsel. Was wollen Sie damit überhaupt ausdrücken?
19.04.16
11:10
Manuel sagt:
@Andreas: Unsinnig sind Ideologien, die keine Diskussion zulassen, kritikunfähig sind, engstringen Dogmatismus praktizieren und sich deshalb nicht in eine Gesellschaft einfügen wollen, weil ihnen mittelaterliche Gesetze wichtiger sind. Der Laizismus/Säkularismus hat dazu beigetragen, die Macht der Religionen zu brechen und uns ein Stück Freiheit gebracht, aber das scheint Ihnen offenbar nicht zu passen, Ihnen wären wohl voraufgeklärte Gottesstaaten lieber. Es gibt übrigens noch einige, die funtionieren alle nicht besonders gut.
19.04.16
12:23
grege sagt:
Man kann auch frei entscheiden, ein Burschenschaftskappe, eine Rockerklufft oder einen Trainingsanzug als Bankangestellter zu tragen. Ob diese Bekleidungsstücke ein religiöses oder weltanschauliches Gebot widerspiegeln ist, müßig zu diskutieren. Für einen Arbeitgeber sind diese Regelungen schlichtweg nicht von Belang, da selbst innerhalb von Religionsgemeinschaften solche Vorschriften umstritten sind und daher nur eine schwache Verbindlichkeit aufweisen. Wie ich schon mehrfach klarstellte: Wenn Abeitgeber nach der geltenden Rechtslage bereits jetzt bestimmte Bekleidungsformen aus optischen Gründen vorschreiben dürfen, sollte ein Verbot von Kopftüchern auch möglich sein. Eine Ausnahmeregelung für religiös motivierte Bekleidung würde schlichtweg Diskriminierung bedeuten
19.04.17
21:26