Konsequenz nach Hanau

Islamfeindlichkeit: Bund richtet Expertengruppe ein

Nach dem Anschlag in Hanau möchte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Erscheinungsformen von Islamfeindlichkeit analysieren und gründet eine Expertengruppe. Diesen Schritt fordern Muslime seit Jahren.

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Moschee Islamfeindlichkeit
Symbolbild: Die beschädigte Eingangsfront der Moschee in Darmstadt (Mai 2017).

Der Bund hat die Einrichtung eines „Unabhängigen Expertenkreises Islamfeindlichkeit“ beschlossen. „Hassprävention und Förderung der Demokratie werden jetzt im Bundesinnenministerium weiter gestärkt. Wir werden den gesellschaftlichen Dialog intensivieren und die Einbindung von Stimmen der Migrantenorganisationen verbessern“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Samstag in Berlin. Der Expertenkreis soll ähnlich wie die Gremien zu Antisemitismus und Antiziganismus arbeiten.

Der Expertenkreis werde in seiner Arbeit auf mehrere Jahre angelegt sein. „Er soll aktuelle und sich wandelnde Erscheinungsformen von Muslim- und Islamfeindlichkeit eingehend analysieren und auf Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen sowie anderen Formen gruppenbezogener Vorurteile und Ausgrenzungen hin untersuchen“, hieß es aus dem Ministerium. Die Fachleute sollen Empfehlungen für den Kampf gegen antimuslimischen Hass und islamfeindliche Ausgrenzung erarbeiten.

Muslimische Vertreter begrüßen Expertengruppe

Der Islamrat begrüßt die Einsetzung einer Expertengruppe gegen Islamfeindlichkeit. „Wir sehen, dass der antimuslimische Rassismus in unserer Gesellschaft vielfältig geworden ist. Sie äußert sich in unterschiedlichen Facetten. Aus diesem Grund ist es begrüßenswert, dass man sich intensiv mit dem Phänomen beschäftigt und schaut wo überall antimuslimischer Rassismus herrscht und wie man dagegen angehen kann“, erklärt Islamrat-Vorsitzender Burhan Kesici auf Anfrage von IslamiQ.

Der antimuslimische Rassismus sei nicht nur ein Phänomen von Rechtsradikalen. Auch führen latente Aussagen von Politikern und Wissenschaftlern zum Teil dazu, dass Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft existiere. Diese Facetten müssen von dem Expertenrat aufgegriffen und angegangen werden, so Kesici abschließend.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) sieht ein Fortschritt in diesem Beschluss. „Wir sehen darin einen großen Fortschritt, weil nun ein Schlüsselministerium wie das Innenministerium unsere wie auch die zuvor der Integrationsbeauftragten Widmann-Mauz formulierten Vorschläge aufnimmt“, erklärt Aiman Mazyek im Tagesspiegel.

Auch die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) begrüßt diesen Schritt. „Weitere Schritte müssen folgen, auch in den Bundesländern. Islamfeindlichkeit bedroht uns alle, unsere gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame Zukunft“, heißt es in einer Mitteilung.

KRM: Politik verharmlost Islamfeindlichkeit

Nach dem rechtsterroristischen Angriff in Hanau hat der Koordinationsrat der Muslime (KRM) ihre Forderungen gegüber der Politik erneuert, damit Maßnahmen gegen Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus in Deutschland ergriffen werden. Dieses Problem müsse endlich anerkannt und dagegen angegangen werden, sagte der KRM auf der Bundespressekonferenz. Der KRM betonte, man verlange schon seit Monaten, „gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen.“ Der Terror bedrohe alle. Die Politik habe das Problem rechter Gewalt unterschätzt. Alle Akteure der Gesellschaft sollten ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern rechter Angriffe setzen, mahnte der KRM abschließend.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), fordert ebenfalls Gesellschaft und Politik zu mehr Einsatz gegen Rassismus und Muslimfeindlichkeit auf. „Wir dürfen im Alltag nicht hinnehmen, dass Menschen, nur weil sie verschiedenen Glauben haben oder aus einem anderen Land stammen, herabgewürdigt und beleidigt werden“, sagte Widmann-Mauz nach der Gewalttat von Hanau im ARD-Morgenmagazin am Freitag. Dagegen müssten aufgestanden werden – „am Stammtisch, am Arbeitsplatz und in der Schule“. Die Würde des Menschen sei unabhängig von Herkunft, Religion und Aussehen.

Seit 2017 werden islamfeindliche Straftaten erfasst

Islamische Religionsgemeinschaften haben fordern schon seit mehreren Jahren einen Beauftragten gegen Islamfeindlichkeit, um die steigenden Angriffe auf Muslime und muslimische Einrichtungen zu bekämpfen.

Seit 2017 erfassen die Behörden die Daten zu „islamfeindlichen Straftaten“ separat. Im ersten Jahr waren es 1069 islamfeindliche Straftaten im zweiten Jahr 813. Die dunkel Ziffer liege noch höher. „So schrecklich das Ausmaß islamfeindlicher Straftaten in Deutschland sind: Muslime sollten sich von diesen Übergriffen nicht einschüchtern lassen. „Die erschreckend hohen Zahlen, dass die Einführung eines Beauftragten für Islamfeindlichkeit zwingend erforderlich ist.“, forderte der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici, bereits im Jahre 2018. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen veröffentlichte der Islamrat die Analyse: mit dem Titel: „Antimuslimischer Rassismus und Diskriminierung in Deutschland – Ein Überblick“. (dpa, KNA, iQ)