Offener Brief

Das geht raus an alle Hater!

Hass im Netz. Ein Problem für jedes Onlinemedium. Dementsprechend haben auch die IslamiQ-Redakteure die Hände voll zu tun mit Hasskommentaren. Esra Ayari hat einen offenen Brief an die Hater im Netz verfasst.

08
04
2018
Wieder Post von Hater bekommen. © flickr/ CC 2.0/Terry Johnston
Wieder Post von Hater n bekommen. © flickr/ CC 2.0/Terry Johnston

Liebe Hater, wie geht es euch? Mir geht es gut, obwohl ich die letzte halbe Stunde damit beschäftigt war, Kommentare freizuschalten und gefühlt 99 Prozent davon meine Religion „kritisiert“ haben.

Ich schüttle immer wieder den Kopf. Trotzdem schalte ich gefühlt 99 Prozent der Kommentare frei. Paradox, oder? Doch so steht es in unserer Netiquette: So lange keine explizit beleidigenden Begriffe verwendet werden, sind die Kommentare freizuschalten. Meinungsfreiheit bedeutet uns nämlich viel. Kaum zu glauben, oder?

Toleranz gegenüber der Kritik

Dass angesichts der „Kritik-Kultur“ am Islam und den Muslimen in Deutschland, die Toleranz zwangsläufig ausgeprägt ist, ist im Grunde eine traurige Feststellung. Muslime haben sich schlichtweg an Kritik gewöhnt.

Uns Muslimen wird oft nachgesagt, wir würden keine Kritik vertragen und keinen Spaß verstehen, aber der Schein trügt. Fast täglich sehen wir uns mit negativen Bildern über den Islam konfrontiert, sehen wie weiße Männer über unsere Religion plaudern als sei sie eine formbare Knetmasse in ihren Händen.

Selbst- und Außenwahrnehmung

Dem gegenüber steht, dass der Aspekt der Religion für manche Muslime eben nicht nur ein flüchtiges Bekenntnis ist, sondern eine zentrale Entität im Leben. Ein Zufluchtsort, identitätsstiftend und unvergleichlich wertvoll. Bei dieser extremen Differenz zwischen der Selbst- und Außenwahrnehmung ist es doch eigentlich eine reife Leistung, dass wir nicht alle depressiv werden.

Die „Salonfähigkeit der Islamfeindlichkeit“ härtet uns ab. Denn je salonfähiger sie wird und je fester ihr in die Tasten haut und die jahrtausendealte islamische Arbeit mit Forderungen nach Änderungen zu Nichte machen wollt, desto salonfähiger wird sie auch für Muslime. Anfangs führten eure Worte zur Entrüstung, jetzt vielleicht zu einem Schulterzucken oder höchstens zu einem Schmunzeln.

Danke für den Kaffee

Was ich euch sagen möchte ist: Vergeudet nicht weiter eure Zeit und Kraft, damit sich ein paar Muslime vor dem Licht ihrer Bildschirme in die Faust lachen können. Falls ihr euren Unmut aber weiterhin über die Kommentarfunktion kanalisieren möchtet, nur zu. Letztendlich ist das Freischalten der Kommentare ein Teil der redaktionellen Arbeit. Im Grunde finanziert ihr also meinen morgendlichen Kaffee. Danke dafür.  

Außerdem greift die Meinungsfreiheit. Ihr könnt sagen und denken was ihr wollt. Ein Gut, das von uns allen hochgehalten und zu Recht gepriesen wird. Apropos, ein paar Seiten weiter steht auch etwas von der Religionsfreiheit. Ebenfalls fest im Grundgesetz verankert. Wir werden also weiterhin sichtbar sein, Kopftücher tragen, Moscheen besuchen und Gebete verrichten. Weil wir es wollen und dürfen, und nicht um euch damit zu ärgern. Aber ihr tut es ja sowieso.

Im Grunde ist es doch genau das, was euch Hater stört, oder? Unsere Sichtbarkeit in Schulen, Universitäten, Gerichtssälen, Praxen und auch im Netz. Dagegen anzuwettern gleicht bei manchen Hatern schon einer Pflicht. Islamfeindlichkeit wird für euch also immer salonfähiger, Muslime hingegen nicht. Und wisst ihr was? Es kümmert uns nicht, dass ihr uns die Zugehörigkeit zu Deutschland absprecht. Die Deutungshoheit über unsere Identität überlassen wir euch nicht. Die Kommentarspalte jedoch sehr gerne. 

Also vielen Dank für’s Lesen und viel Spass beim Tippen.

Liebe Grüße

Esra Ayari

 

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Recht aufschlußreich dieser Artikel hier. Noch aufschlußreicher ist das neueste Interview mit dem 46-jährigen Politologen und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad mit der "Welt" am letzten Freitag. Seine Stimme redet Klartext: "Integration ist gescheitert" - Abgehängte der muslimischen Welt kommen nach Europa, Europa sei naiv gewesen und habe unter dem Banner der Toleranz Gettos und Parallelgesellschaften zugelassen. Dies habe vor allem den politischen Islam und die kriminellen Großfamilien gefördert, aber nicht die Integration. "Die islamische Kultur hat sich immer als eine Antrithese zum Westen gesehen." "Man kann nicght nur Appelle an Migranten und Flüchtlinge senden, sondern muß auch Sanktionierungs- und Kontrollmechanismen entwickeln. Integration mu0 zur Pflicht werden", meinte der fundierte Islamkenner. "Die Schule muß sich zu einem Ort entwickeln, wo die Schüler erfahren können, dass Freiheit viel attraktiver ist als das Korsett des Kollektivs in Migrantenmilieus." Die europäische Identität wurde noch nie aus Koranbuch-Texten oder durch predigende Imame gespeist. Und so wird es auch bleiben.
09.04.18
3:19
Johannes Disch sagt:
@Esra Ayari Wunderbar. Einer der amüsantesten und geistreichsten Artikel, den ich hier je gelesen habe. -- "Im Grunde finanziert ihr also meinen morgendlichen Kaffe." (Esra Ayari über die Islam-Hater) Lassen Sie sich ihn schmecken.
09.04.18
18:49
Ute Fabel sagt:
Hallo Esra! Ich empfinde absolut keinen Hass für Muslime und habe muslimische Arbeitskollegen und private muslimische Freunde. Ehrlichkeit ist mir in meinen zwischenmenschlichen Beziehungen aber immens wichtig. Ich will einfach kein Heuchler sein. Deswegen mache ich auch gegenüber gläubigen Muslimen keinen Hehl daraus, dass ich schon das Fundament des Islams absolut bescheuert finde, wonach ein Engel einem Mann im Frühmittelalter ewiggültige Wahrheiten diktiert haben soll und wir heute alle darüber brüten sollen, was damit gemeint war. Diese angeblichen Wahrheiten wurden dann vor allem durch Kriege verbreitet, wie ins heutige Istanbul im Jahr 1453. Ein allmächtiger Gott, gäbe es einen solchen, hätte doch edlere Möglichkeiten seine Wahrheiten an die Menschheit zu vermitteln. Analog bewertete ich im übrigen die Plausibilität der Glaubenslehren der christlichen und jüdischen Religion. Ich würde es respektlos finden, wenn ich Christen, Juden und Moslems vorgaukeln würde, dass ich Wertschätzung für ihre Religionen empfinde, die ich in Wahrheit für grotesk und auch chauvinistisch halte, sofern man sich nicht auf das bloße Rosinenpicken beschränkt, wie das nette Moslems, Chisten und Juden tun. Mein Credo ist jenes des griechischen Philosophen Epikur: „Mach dir deine eigenen Götter und beflecke dich nicht mit einer erbärmlichen Religion.“ Wirklich liebe Grüße ohne Hass! Ute
09.04.18
22:22
Johannes Disch sagt:
Natürlich, würde man die Integration als gelungen erklären, dann wären Kassandra-Rufer a la Abdel-Samad ja arbeitslos. Im TV kommen leider nur Marktschreier a la Abdel-Samad vor. Alle seriösen deutschen Migrationsforscher-- beispielsweise Klaus J. Bade oder Wilhelm Heitmeyer-- bescheinigen Deutschland, dass die Integration in Deutschland alles in allem gelungen ist und erfolgreich verläuft, auch und grade die Integration von Menschen islamischen Glaubens. Sicher gibt es Probleme. Aber diese sind lösbar. Von einem Scheitern der Integration zu sprechen ist unverantwortlicher Defätismus und hat mit der Realität nichts zu tun. Jeder, der es zum Thema "Islam" einmal in einen TV-Tal geschafft hat, gilt als "Experte." Und leider holen sich viele Menschen ihre Infos nur von solchen Sendungen und solchen Leuten. Die echten Experten tun sich solche Quassel-Runden nicht an. Ist vielleicht ein Fehler. Vielleicht sollten sich diese Leute tatsächlich mal überlegen, mehr in die Öffentlichkeit zu treten.
11.04.18
12:55
Harousch sagt:
Hallo Esra, Danke für die ehrlichen Worte und für die ganze Mühe, die Sie sich tagtäglich machen und die Geduld, die Sie aufbringen. Was jedoch ein noch wahnsinnig schwerer Akt sein muss, diejenigen Kommentare und Beiträge, welche in gewisser Weise auch Ihre Ideale und Vorstellungen an den Pranger stellen bzw. Sie und damit eine knappe Milliarde andere Menschen dieser Erde in denselben Topf mit Gaunern und Mördern werfen, dennoch stillschweigend zu ertragen und sogar der Öffentlichkeit freiverfügbar machen. Ich frage mich, wo diejenigen islamischen Hardliner bleiben, die einigen Armleuchten im Forum auf gleicher Ebene begegnen und mit Hetze gegen Nichtmuslime sich ebenfalls als faschistische Extremisten offenbaren? Wie es aussieht, gibt es hier im Forum nur vernünftige Muslime... Ich würde Ihnen gerne einen zweiten Kaffee spendieren, aber nicht indem ich mich auf dieselbe Ebene begebe wie manch ein Hetzer auf islamiq.de, denn dafür bin ich dann doch zu friedvoll. Salamaleikum!
11.04.18
15:49
Johannes Disch sagt:
@Frederic Voss (Ihr Post vom 09.04.18, 3:19) Aufschlussreich ist an dem von Ihnen zitierten Artikel nur eines: Dass Sie sich aus unseriösen und oberflächlichen Quellen informier -- "Die islamische Kultur hat sich immer als Antithese zum Westen gesehen." (Abdel-Samad) Das ist völliger Quatsch und zeigt, dass Hamed Abdel-Samad nach wie vor nur eines ist: Ein Westentaschen-"Wissenschaftler", der nur für dampfplaudernde Talkshows taugt. Dort kann er seinen Unsinn meist unwidersprochen loswerden, weil dort meistens Leute sitzen, die noch weniger Ahnung haben als er. Echte Experten zum Thema tun sich halt keine Talkshow an. Vielleicht wäre mal besser, sie würden es gelegentlich tun. -- "Die europäische Identität wurde noch nie aus Koranbuch-Texten oder durch predigende Imame gespeist." (Frederic Voss) Mal abgesehen davon, dass die inzwischen stark strapazierte Europäische (oder deutsche oder christlich-abendländische) "Identität" ein Thema für sich wäre: Die Beziehungen zwischen dem Islam und dem christlichen Abendland waren wesentlich differenzierter als Sie und Abdel-Samad es hier darstellen. Ich erinnere nur an Goethes "West-Östlichen Divan" (1819) Die Begegnungen des Karolingers Karl des Großen mit dem Kalifen Harun Al Rashid waren sehr fruchtbar für das in letzter Zeit so häufig beschworene und verklärte "Christliche Abendland." Auch die Grundlagen unserer Wissenschaften kommen zu einem großen Teil aus dem islamischen Kulturkreis: "Algebra", "Algorithmus"-- in beiden steckt die arabische Vorsilbe "al." Und die Mathematik ist beileibe nicht die einzige Disziplin, für die sich das zeigen lässt. - Wer entdeckte als erster das heliozentrische Weltbild? Der "christliche Abendländer" Kopernikus? Nein. Es war der Muslim Ibn Al-Shatir. - Wer war das erste Universalgenie? Der "christliche Abendländer" Da Vinci? Nein. Es war der Muslim Abu Rayan al-Biruni - Wer beschrieb als Erster den Blutkreislauf? Ein "Abendländer?" Nein. Es war der Muslim Ibn Al-Nafees. Die Reihe ließe sich problemlos erweitern. Sie sehen: Ohne den Islam-- ohne die arabischen Wissenschaften-- wäre es um das "Christliche Abendland" recht schlecht bestellt gewesen. Der Islam gehört also sehr wohl zu unserer Kultur. Sie sollten sich seriösere Quellen suchen als Marktschreier wie Abdel-Samad & Konsorten. Jedenfalls dann, wenn Sie tatsächlich ernsthaft am Thema interessiert sind.
12.04.18
2:13
Prinzessin Rosa sagt:
Witzig und traurig zugleich! Zwei Daumen hoch!
12.04.18
15:10
grege sagt:
Die Probleme sind signifikant. Diese zu ignorieren oder gar Erfolg umzudeuten, führen wir nicht weiter. Ebenso fehlt nachwievor die Bereitschaft von vielen Vertern der islamischen Vertern die Bereitschaft zur Auseinadersetzung mit Kritik. Diese permanente Vermischung von Kritik, Haß und Feindseeligkeit dient genau dem Zweck erstere zu unterdrücken. So fühlen sich muslimische Extremisten, die Juden oder sogenannte Islambasher brutal ermorden, in ihrem Denken bestätigt.
15.04.18
21:56
Johannes Disch sagt:
Probleme, die es bei uns selbstverständlich gibt, werden keineswegs ignorert. Die Talkshows, die sich in den letzten Jahren-- vor allem seit Herbst 2015-- dem Thema "Integration" gewidmet haben, sind kaum noch zu zählen. Aber die Integration (von Muslimen) ist in Deutschland alles in allem gut gelungen. Das bestätigen alle seriösen Fachleute.. Jedes dritte neue Unternehmen in Deutschland wird inzwischen von einem Menschen mit sogenanntem "Migrationshintergrund" gegründet. Aber erfolgreiche und völlig normal und unauffällig bei uns lebende Migranten sind natürlich zu langweilig für eine Talkshow oder eine Headline. Auch die Kriminalität sinkt seit Jahren. Was zunimmt, das sind exzessive Gewaltverbrechen, die natürlich erschrecken und die Schlagzeilen dann für eine Weile beherrschen. Aber das ändert nichts an der statistischen Wirklichkeit, dass Deutschland nach wie vor ein sehr sicheres Land ist. Es ist viel wahrscheinlicher, zu Hause beim putzen auf der Seife auszurutschen und sich schwere Verletzungen zu holen, als Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Was es gibt, das sind kriminelle Schwerpunkte, beispielsweise in NRW. Dort gibt es Gegenden, wo libanesische Clans sehr präsent sind. Das hat aber nichts mit der Flüchtlngswelle 2015 zu tun, sondern sind Versäumnisse der letzten ca. 25 Jahre. Diese Leute kamen in den Neunzigern im Zuge der Fluchtbewegungen aus dem Libanon wegen des dortigen Bürgerkriegs. Aber weder gibt es "Angsträume", noch "No-Go-Areas", und die wie die Panik-Vokabeln noch so lauten. Dass bei ca. 1 Million Flüchtlingen, die im Herbst 2015 kamen, nicht nur Lämmer dabei sind, sondern auch einige schwarze Schafe, das sollte nicht überraschen. Dennoch bleibt festzuhalten: Die meisten verhalten sich anständig. Leiden aber natürlich unter den wenigen schwarzen Schafen, da viele "Biodeutsche" Flüchtlinge inzwischen pauschal über einen Kamm scheren. Die meisten Probleme machen Flüchtlinge aus dem subsaharischen Raum. Das betrifft vor allem den Drogenhandel. Das ist kein Rassismus, sondern schlicht die Feststellung einer Tatsache. Grade in meiner Heimatstadt ist das signifikant. Unser OB hat vor einigen Monaten einen Brandbrief an das Innenministerium von BW geschrieben wegen dieser Probleme und wurde dafür absurderweise des Rassismus gescholten. Man hat aber glücklicherweise trotzdem reagiert. Die Polizeipräsenz in Nähe der kriminellen Schwerpunkte wurde erhöht, eine Containerwache eingerichtet, sodass die Einsatzkräfte inzwischen sehr schnell am Ort des Geschehens sind, einschlägige Kneipen werden oft und angemeldet kontrolliert, bekommen Auflagen (sie müssen Flüchtlinge am Eingang kontrollieren, ob diese auch reguläre Papiere dabei haben), werden wenn nötig auch geschlossen, etc. Das alles hat das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und das Vertrauen in den Rechtsstaat und das Vertrauen in unseren OB und seine Mannschaft in meiner Stadt wieder erhöht. Also, zur Panik besteht kein Anlass. Die Probleme sind lösbar. Ach, die geschilderte Problemklientel tut das ganze nicht aus religiösen Gründen. Diese Menschen aus dem subsaharischen Raum sind formal zwar in der Mehrheit islamischen Glaubens. Aber das spielt bei ihren Taten keine Rolle. Diese Leute sind einfach schlecht erzogen und sozial verwahrlost.
16.04.18
17:57
grege sagt:
@ Herr Disch In meiner Stadt ist die Integration von Muslimen genauso gut gelungen, wie von Heinz Buschkowsky in Neukölln beschrieben. Insbesondere das Wahlverhalten, der türksichen Migranten, die den Löwenanteil der Muslime hier ausmachen, spricht Bände...... Die meisten Biodeutschen sind auch friedlich, was auch seltenst in den Medien erwähnt wird, insbesondere in den muslimischen Medien! Tröstet Sie das?
18.04.18
21:38
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