Drohnenangriffe

Amnesty International wirft USA Mord an unschuldigen Zivilisten vor

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft den USA vor, im Drohnenkrieg gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Selbst von Kriegsverbrechen wird mittlerweile gesprochen. Fakt ist: Die leidtragenden der Drohnenangriffe sind Zivilisten.

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10
2013
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Es ist eine harte Kritik an den USA und am Friedensnobelpreisträger Barack Obama. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat einen Bericht zum Leid von unschuldigen Opfern im US-Drohnenkrieg vorgelegt. Amnesty wirft den USA vor, mehrmals das Völkerrecht gebrochen zu haben und spricht sogar von möglichen Kriegsverbrechen.

Barack Obama und die USA würden zivile Opfer billigend in Kauf nehmen, sagt Amnesty. „Mit dem strikt geheim gehaltenen Drohnenprogramm gibt sich die USA eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert“, sagt Verena Harpe, Asienexpertin der deutschen Sektion von Amnesty International.

Zivilbevölkerung muss in Angst leben

Amnesty untersuchte 45 Drohnenangriffe, die zwischen Januar 2012 und August 2013 aus der schwer zugänglichen Zone Nordwaziristan an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan, bekannt geworden sind. Dort sollen sich Taliban und Qaida-Kämpfer verschanzt haben. Der Amnesty-Bericht belegt, dass die Zivilbevölkerung in der Region in ständiger Angst vor den Drohneneinsätzen leben muss.

Exemplarisch wird auch das Beispiel der 68-jährigen Mamana Bibi genannt. Im Oktober 2012 wurde sie vor den Augen ihrer Enkelkinder durch einen Drohnenangriff getötet. Sie arbeiteten zusammen auf dem Feld. Bei einem zweiten Drohnenangriff werden die Kinder schwer verletzt – sie überleben nur knapp.

Im Juli 2012 trafen US-Drohnen 18 Männer, die sich nach ihrem Arbeitstag zum Abendessen zusammengesetzt hatten. Sie wurden in den anschließenden offiziellen Berichten als militante Kämpfer bezeichnet – nach Erkenntnissen von Amnesty handelte es sich um Dorfbewohner, die keinerlei Bedrohung darstellten.

Mord an Helfern

„Die US-Regierung übernimmt nicht die Verantwortung für bestimmte Angriffe. Das heißt auch, dass Opfer und Hinterbliebene nicht zu ihrem Recht kommen können“, sagt Harpe. Besonders perfide sei die Praxis, einem ersten Drohnenangriff kurz darauf den nächsten folgen zu lassen, der dann diejenigen Menschen treffe, die den Verletzten helfen wollten.

Präsident Barack Obama hatte noch im Mai angekündigt, für das Drohnenprogramm klarere Regeln und mehr Transparenz zu schaffen. Das geltende Recht sollte eingehalten, Fehler eingestanden werden. Bis heute sind diese Ankündigungen aus Sicht von Amnesty jedoch nur leere Versprechungen geblieben. Die USA setzten die Praxis der geheimen Angriffe fort und brachen dabei regelmäßig das Völkerrecht, so die Menschenrechtsorganisation.

Deutschland unterstützt Angriffe

Die Bundesregierung habe laut Amnesty International die Drohnenangriffe der USA mit Geheimdienstinformationen unterstützt. Deutschland habe dem US-Geheimdienst CIA Daten wie Handynummern von späteren Drohnenopfern gegeben. Die Bundesregierung verließ sich laut Menschenrechtsorganisation bisher auch auf die Selbstauskunft der USA, dass das Völkerrecht eingehalten werde.

„Die Bundesregierung muss endlich öffentlich einfordern, dass auch die USA sich an das geltende Recht halten. Deutsche Behörden dürfen die rechtswidrigen Drohnenangriffe der USA nicht auch noch unterstützen“, sagt Maria Scharlau, Völkerrechtsexpertin bei Amnesty International.

Der Vizevorsitzende der Partei die Linke, Jan Van Aken, verlangte nach Bekanntwerden des Amnesty-Berichtes von der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „alle Fakten auf den Tisch“ zu packen und zu erklären, welche Daten und Informationen von der Bundesregierung für den „völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA“ geliefert wurden. Aken erklärte zudem, dass Deutschland Teile für Kampfdrohnen an die USA liefere. „Solche Lieferungen müssen ab sofort gestoppt werden, denn Deutschland darf diesen schmutzigen Krieg Obamas nicht unterstützen“, so Aken weiter.

Obama empfängt Sharif

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts ist auch politisch brisant. Heute empfängt US-Präsident Obama den pakistanischen Ministerpräsidenten Nawaz Sharif im Weißen Haus. Sharif kritisiert, ebenso wie viele pakistanische Politiker, die Drohnenangriffe der USA in seinem Land öffentlich. Auf der anderen Seite werden die Angriffe jedoch geduldet. Amnesty International wirft Pakistan vor, die Zivilisten in der Region Waziristan nicht ausreichend zu schützen.

Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind dennoch angespannt, weil die USA glauben, dass die pakistanische Führung die Taliban unterstützt. Trotz der Unruhe wird dennoch erwartet, dass die USA ein längere Zeit zurückgehaltenes Wirtschafts- und Militärpaket nun freigeben werden. 1,6 Milliarden US-Dollar könnten so nach Pakistan fließen.

Weißes Haus weist Kritik zurück

Weil der US-Drohnenkrieg im Geheimen stattfindet, gibt es keine verlässlichen Zahlen zu den Opfern. Die Einsätze werden von der CIA koordiniert und durchgeführt. Oftmals werden zivile Opfer bestritten und kleingeredet. Unabhängige Stellen werfen den USA daher auch Vertuschung vor.

Der Amnesty Bericht ist zudem nicht der einzige Bericht zum US-Drohnen-Krieg. Auch die Organisation Human Watch veröffentlicht heute einen Bericht. Darin geht es aber nicht um Pakistan, sondern den Drohnenkrieg im Jemen. Auch dieser Bericht dokumentiert Fälle von zivilen Opfern, durch die Angriffe der USA.

Das Weiße Haus wies die schweren Vorwürfe von Amnesty International und Human Rights Watch zurück. Die Einsätze im US-Drohnen-Krieg seien „präzise, rechtmäßig und effektiv“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Dienstag in Washington. Überprüfen kann man diese Behauptung nicht.