









Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden: Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist unzulässig. Damit wäre eine Überarbeitung des Berliner Neutralitätsgesetzes eigentlich überfällig. Doch die Politik wartet.
Um das Berliner Neutralitätsgesetz ist es still geworden – zu still. Trotz klarer Signale aus der Rechtsprechung und politischer Versprechen zur Reform des Gesetzes herrscht weiterhin Unsicherheit. Die aktuelle Situation bleibt für viele Betroffene wie auch für Berliner Behörden untragbar.
Das 2005 eingeführte Neutralitätsgesetz untersagt unter anderem Lehrerinnen, Lehrern und Polizeikräften das Tragen „sichtbarer religiöser oder weltanschaulicher Symbole“. Das prominenteste Beispiel: das muslimische Kopftuch. Spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Jahr 2020, das einer abgelehnten Lehrerin mit Kopftuch eine Entschädigung zusprach, gilt das pauschale Verbot als rechtlich kaum haltbar. Auch der Versuch des Berliner Senats, sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil durchzusetzen, scheiterte Anfang 2023 vor dem Bundesverfassungsgericht.
In der Folge schickte die Bildungsverwaltung ein Rundschreiben an die Schulen: Ein generelles Kopftuchverbot sei nicht mehr zulässig. Nur bei konkreten Hinweisen auf eine Gefährdung des Schulfriedens könne das Neutralitätsgesetz noch Anwendung finden. De facto bedeutet das: Das Gesetz gilt – aber eben nur eingeschränkt. Eine juristisch wie politisch unbefriedigende Grauzone.
Diese Problematik haben auch die Regierungsparteien erkannt. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD aus dem Jahr 2023 heißt es noch vollmundig: „Das Neutralitätsgesetz passen wir gerichtsfest an die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts an.“ Geschehen ist seither: nichts.
Auf Nachfrage verweist die SPD-geführte Innenverwaltung lediglich auf laufende „Arbeits- und Abstimmungsprozesse“. CDU-Innenpolitiker Burkhard Dregger geht noch weiter und sieht keinerlei Reformbedarf: „Ich persönlich bin der Auffassung, man sollte das Gesetz nicht anfassen. Es wird rechtmäßig angewandt“, sagte er dem Checkpoint.
Ganz anders die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. In einem aktuellen Antrag fordert Abgeordnete Tuba Bozkurt die komplette Abschaffung des Neutralitätsgesetzes. Ihre Begründung: Es stehe im Widerspruch zu den Prinzipien einer „liberalen und vielfältigen Gesellschaft“.
Der politische Stillstand vergrößert die Verunsicherung – bei Schulen, Behörden und insbesondere bei den betroffenen Bewerberinnen. Für sie bedeutet das Gesetz, selbst in seiner abgeschwächten Form, oft Diskriminierung. Wie lange dieser Zustand noch andauert, bleibt offen. Klar ist nur: Eine juristisch saubere und gesellschaftlich tragbare Lösung lässt weiter auf sich warten.