Dreizehn Jahre nach Beginn des Syrien-Kriegs sind viele nach Deutschland geflüchtete Syrer im Land gut integriert. Die Debatte über eine schnelle Rückkehr in die Heimat halten Religionsvertreter für falsch.
Die jüngst entbrannte Debatte über die Rückkehr von in Deutschland lebenden Syrern nach dem Sturz des Assad-Regimes stößt auf scharfe Kritik von muslimischen und kirchlichen Vertretern. Sie sehen darin eine unangemessene und empathielose Diskussion, die die tatsächliche Lage in Syrien verkennt und potenziell gesellschaftlichen Schaden anrichtet.
Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) verurteilte die Rückkehrforderungen entschieden. „Die Wucht der Empathielosigkeit, mit der manche Politikerinnen und Politiker Menschen mit syrischen Wurzeln zur Heimreise auffordern, lässt tief blicken. Sie offenbart nichts Gutes“, erklärte Ali Mete, Generalsekretär der IGMG.
Mete wies darauf hin, dass viele Syrer bereits seit Jahren in Deutschland leben, hier beruflich und familiär verwurzelt sind und wichtige Beiträge leisten, insbesondere in systemrelevanten Berufen wie der Pflege oder dem Gesundheitswesen. „Anstatt diese Menschen langfristig an Deutschland zu binden, werden sie mit Rückkehrforderungen befremdet. Das ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch politisch unklug“, so Mete. Angesichts der weiterhin instabilen Lage in Syrien seien solche Forderungen rein populistisch und unrealistisch. Mete sieht hierin auch eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland: „Wer Rechtspopulismus sät, wird Rechtsextremismus ernten.“
Auch kirchliche Vertreter lehnen die Rückkehrdebatte entschieden ab. Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße warnte, dass die Lage in Syrien weiterhin unübersichtlich sei. „Wer aktuell die Erwartung nach schnellen Rückführungen schürt, blendet die Realität aus“, sagte Heße. Gemeinsam mit Paderborns Erzbischof Udo Markus Bentz appellierte er an die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft, humanitäre Hilfe zu leisten und die syrische Bevölkerung im Übergangsprozess zu unterstützen.
Ähnlich äußerte sich die Präsidentin von Brot für die Welt, Dagmar Pruin. Sie forderte, die Stabilisierung Syriens und den Aufbau einer friedlichen und demokratischen Zukunft in den Mittelpunkt zu stellen. Der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, bezeichnete die Rückkehrforderungen als „einen Schlag ins Gesicht“ für gut integrierte Syrer in Deutschland.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums leben rund 974.100 Syrer in Deutschland, von denen viele seit 2015 angekommen sind. Etwa 287.000 Syrer sind hier beschäftigt, 82 Prozent davon sozialversicherungspflichtig. Besonders hervorzuheben ist ihr Beitrag in systemrelevanten Berufen wie Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen. (KNA, iQ)