Rückblick

Das war wichtig für Muslime im Jahr 2021

Wir geben einen Überblick über die – aus unserer Sicht – wichtigsten Ereignisse und Berichte aus dem Jahr 2021. IslamiQ wünscht einen guten Start ins neue Jahr und hofft auf ein schönes Jahr 2022.

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Symbolbild: Rückblick
Symbolbild: Rückblick © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Ein Jahr nach dem rassistischen Anschlag in Hanau, die Corona-Krise, der steigende Rassismus und unterschiedliche Urteil zum Kopftuch, eine neue Ausgabe des IslamiQ-Magazins, die Bundestagswahlen 2021 und der öffentliche Gebetsruf waren wichtige Themen in Politik und Medien im Jahr 2021.

Der 19.02.2020 geht als dunkler Tag in die Geschichte Deutschlands ein. An diesem Abend wurden Ferhat Ünver, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kalojan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu in Hanau von einem rechtsextremistischen Attentäter erschossen. Anlässlich des ersten Jahrestages am 19.02.2021 hatten viel Organisationen, Vereine und Religionsgemeinschaften Gedenkveranstaltungen und Aktionen wie Mahnwachen, Podcast, Filme, Magazine und Vortragsreihen durchgeführt. Zum Jahrestag des Anschlags in Hanau startete der Koordinationsrat der Muslime (KRM) einen Aufruf zum Gedenken an die Opfer des Terroranschlags. „Es fällt mittlerweile sehr schwer an all die Taten zu erinnern, die traumatische Ereignisse für einen Teil der Bevölkerung sind, der sich mehr und mehr im Stich gelassen fühlt“, wird der KRM in der Mitteilung zitiert. Die Motivation der Täter sei rassistischer Fremdenhass, aber die Opfer dieser Angriffe seien keine Fremden. „Sie sind Menschen aus unserer Mitte.“

In Gedenken an die Hanau-Opfer hatte IslamiQ ein umfangreiches Magazin zum Jahrestag vorbereitet. Unter dem Titel „(Antimuslimischer) Rassismus in Deutschland – Facetten, Folgen, Forderungen“ wurden rassistische Taten in Deutschland – früher und heute – thematisiert, insbesondere der Hanauer Anschlag. Zudem hatte IslamiQ Video-Interviews mit den Angehörigen und Überlebenden wie Filip Goman, Piter Bilal Minnemann, Armin Kurtović, Fatih Saraçoğlu und Çetin Gültekin geführt.

Die „Initiative 19. Februar Hanau“, ein Zusammenschluss von Hanauer Angehörigen, sprach ein Jahr nach dem Anschlag unter anderem von einem „Versagen der Behörden vor, während und nach der Tat“. Angehörige der Opfer hatten wiederholt Aufklärung gefordert, etwa zur Frage, warum der unter Wahnvorstellungen leidende Täter Waffen besitzen durfte oder es Mängel beim Hanauer Polizei-Notruf gab. Das gegen Unbekannt geführte Ermittlungsverfahren zu dem Anschlag wurde zudem eingestellt.

2021 – das Jahr der Kopftuchverbote

Der nordrhein-westfälische Landtag hatte im März ein Gesetz beschlossen, das Richtern, Staatsanwälten sowie anderen Justizbeschäftigten religiöse Kleidung verbietet. Dem Entwurf der Landesregierung stimmten die Regierungsfraktionen von CDU und FDP zu. Auch die AfD votierte dafür, während sich die SPD enthielt und die Grünen dagegen stimmten. Das Gesetz zielte darauf ab, die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit und Neutralität der Justiz zu sichern.

Außerdem wurde das Beamtengesetz aktualisiert, welches fortan muslimische Frauen das Tragen des Kopftuchs untersagt. Viele Aktivisten starteten eine Petition auf change.org gegen den neuen Gesetzesentwurf. Auch der Koordinationsrat der Muslime (KRM) zeigte sich enttäuscht über den Gesetzesentwurf und rief in einem offenen Brief die Mitglieder des Bundesrates auf, sich bei einer geplanten Abstimmung gegen ein Kopftuchverbot zu stellen. „Das Gesetz greift massiv in das Grundrecht der Religionsfreiheit ein geht weit über die vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Grenzen hinaus“, hieß es im offenen Brief. Mit der Verordnung werde nun nicht mehr das Verhalten einer Person, sondern ihre Bekleidung abgestellt. Nichtsdestotrotz passierte das neue Beamtengesetz nach dem Bundestag auch den Bundesrat.

Auch erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Entscheidung im Juli, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern das Tragen eines Kopftuchs verbieten können. Religionsgemeinschaften kritisieren das Urteil und warnen vor einer Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Juristin Maryam Kamil Abdulsalam schrieb über die Bedeutung und Auswirkungendieses Urteils.

Bundestagswahlen

Am 26. September 2021 wählte Deutschland Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler. Deutschlands erste rot-grün-gelbe Bundesregierung ist im Amt. Doch vor der Wahl stellten die Parteien ihre Wahlprogramme vor. Die Wahlprogramme sind meistens hunderte Seiten lang und widmen sich einer Vielzahl von Themen, von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Auch Themen wie Islam, Muslime und Integration kommen darin vor. In welchem Umfang und wie diese Themen behandelt werden, und welche Ziele hierbei verfolgt werden, sagt viel über die Grundposition der jeweiligen Partei aus. IslamiQ analysierte die Wahlprogramme für seine Leser und sprach mit den islamischen Religionsgemeinschaften und den religionspolitischen Sprechern über die Themen rund um Muslime in den Wahlprogrammen.

25 Jahre TOM – ein Jubiläum

Unter dem Motto „25 Jahre TOM – Moscheen gestern und heute“ hat der KRM zum Tag der offenen Moschee (TOM) eingeladen. Ein Jubiläum. Das Format ist seit 1993 als Möglichkeit des Dialogs zwischen Muslimen und Nichtmuslimen fest im Jahreskalender etabliert. Laut dem KRM hat der TOM mehr als zwei Millionen Menschen zusammengebracht. „Sie alle haben einen wichtigen Beitrag für ein gelingendes und friedvolles Zusammenleben in Deutschland geleistet“, so der KRM. Der TOM sei somit zum Sinnbild der offenen Moschee geworden. Sehr viele Menschen kennen und schätzen ihn als Zeichen für selbstverständliche Partizipation und Offenheit.

Zum 25. Jubiläum des TOM hat der KRM ein Magazin herausgegeben, das als Rückblick und als Ausblick dienen soll. Neben zahlreichen Reportagen über das Leben in der Moschee und den Beitrag des TOM wurden Interviews mit Kommunalpolitikern, Kirchenvertretern, Ehrenamtlern und Moscheebesuchern geführt.

Debatte zum öffentlichen Gebetsruf

In Köln dürfen seit Oktober 2021 Muezzine künftig zum Freitagsgebet rufen. Die Stadt kündigte ein entsprechendes und zunächst auf zwei Jahre befristetes Modellprojekt an. Vorausgegangen seien Gespräche mit ortsansässigen Moscheegemeinden und eine rechtliche Prüfung. „Ich freue mich, dass wir mit diesem Modellprojekt den berechtigten religiösen Interessen der vielen Muslim*innen in unserer weltoffenen Stadt Rechnung tragen”, erklärte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). Dies sei ein Zeichen der gegenseitigen Akzeptanz der Religion und ein Bekenntnis zur grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit. Das Modellprojekt entfachte eine Debatte über den Gebetsruf. Nichtsdestotrotz hielt die Stadt an ihrer Entscheidung fest. Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland lehnen einer Umfrage zufolge ab, dass der „Gebetsruf genauso selbstverständlich zu hören sein sollte wie Kirchenglocken“.

Neue Krise in Bosnien

Am 11. Juli 1995 wurde Srebrenica zum Schauplatz der grausamsten Tat in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als 8.000 muslimische Bosniaken wurden an diesem Tag zusammengetrieben und getötet. Jedes Jahr werden neue Opfer identifiziert. Erst vor kurzem wurde 200 km von Srebrenica entfernt ein neues Massengrab entdeckt.

Im Juni dieses Jahres wurde die Freiheitsstrafe vom serbischen Ex-General Ratko Mladić bestätigt. Seine Revision wurde abgewiesen. Auch wurde im August dieses Jahr ein Gesetz zur Leugnung des Völkermords verabschiedet. Künftig wird die Leugnung des Völkermords mit drei Jahren Haft bestraft. Dieses Gesetz sorgte für eine breite Diskussion, so dass die Gefahr eines neuen Kriegs aktuell real sei. Nach 26 Jahren hat sich das Parlament der serbischen Teilrepublik Srpska für eine Abspaltung aus den staatlichen Institutionen entschieden. Der bosnisch-serbische Führer Milorad Dodik, serbischer Vertreter in der dreigliedrigen Präsidentschaft, hatte immer wieder damit gedroht, sich aus den staatlichen Institutionen zurückzuziehen, und Bosnien als „ein Experiment der internationalen Gemeinschaft“ und ein „unmögliches, aufgezwungenes Land“ bezeichnet.

#IslamiQdiskutiert-Veranstaltungen

Aufgrund der Corona-Krise mussten auch wir in diesem Jahr unsere #IslamiQdiskutiert-Veranstaltungen online weiterführen. So haben wir mit unterschiedlichen Experten über die Themen Außenseiter oder Autoritäten? – Frauen in der Moschee, Politische Religion – religiöse Politik?, Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus – zwei Seiten derselben Medaille?, und der Kampf um islamische Begriffe diskutiert.

Passend zum letzten Thema startete die IslamiQ-Redaktion eine neue Serie mit dem Namen Glossar. In dieser Serie werden islamische Begriffe in ihrer ursprünglichen Bedeutung erläutert. Außerdem wurden die Chronologien bestimmte Ereignisse wie die Deutsche Islamkonferenz, der NSU, der Islamische Religionsunterricht in Deutschland und der Genozid in Srebrenica erfasst.

Für das nächste Jahr haben wir noch einiges vor und freuen uns drauf, es euch vorzustellen. An dieser Stelle möchten wir auch einen großen Dank an unsere Autorenschaft und an unsere Leserinnen und Leser aussprechen und wünschen allen einen guten Start ins neue Jahr.