Umfrage

Muslime werten Hetze im Netz als sehr bedrohlich

Einer aktuellen Umfrage zufolge sehen Muslime in Europa Hass und Hetze im Netz als mindestens genauso gefährlich wie Angriffe auf der Straße.

07
07
2021
Hasskriminalität in sozialen Netzwerken gehört schon zum Alltag © Wolfgang Stief auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.
Hasskriminalität in sozialen Netzwerken gehört schon zum Alltag © Wolfgang Stief auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Hass und Hetze im Internet sind aus Sicht von islamischen Religionsgemeinschaften  in Europa eine zunehmende Bedrohung. In einer aktuellen Umfrage in acht Ländern hätten die meisten Hass und Hetze im Netz als mindestens genauso gefährlich wie Angriffe oder Übergriffe auf der Straße bewertet, sagte der Beauftragte des Europarats gegen Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit, Daniel Höltgen, am Dienstag in Berlin. Er sprach von einem gefährlichen Trend. Es handele sich oft um Morddrohungen, Aufrufe zu Gewalt und verrohte Sprache, die nicht durch freie Meinungsäußerung gedeckt seien.

Der überwiegende Teil der islamischen Religionsgemeinschaften gab an, entsprechende Beiträge würden meist anonym verfasst. Zugleich lasse sich aber beobachten, dass die Hemmschwelle sinke und etwa häufiger Klarnamen genutzt würden. Es sei fast schon akzeptabel in manchen Kreisen, Hassposts zu verschicken und damit die muslimische Gemeinschaft zu beleidigen, sagte Höltgen. Als häufigste erkennbare Verfasser seien Rechtsextreme, Rassisten und Einwanderungsgegner angegeben worden.

An der stichprobenartigen Umfrage waren unter anderem muslimische Gemeinschaften aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien beteiligt. Viele kritisierten, dass staatliche Stellen nicht genug für den Schutz von Muslimen täten, erklärte der Beauftragte. So würden muslimfeindliche Vorfälle unzureichend erfasst, und in Strafverfolgungsbehörden und anderen öffentlichen Stellen herrsche ein mangelndes Bewusstsein für dieses Problem. Auch fehle bei vielen Politikern weiterhin die Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Altaş: Politik muss Strafverfolgung der Bedrohungslage anpassen

Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), bestätigt auf Nachfrage Höltgens Einschätzung: „Im Netz bewegen sich die meisten Täter anonym und deshalb relativ frei. Sie können sich Straftaten erlauben, die im realen Leben mit viel höherer Wahrscheinlichkeit geahndet werden würde. Das Netz ist aber kein rechtsfreier Raum. Die Politik und Justiz sind dringend aufgefordert, die Strafverfolgung im Internet den Anforderungen und der Bedrohungslage anzupassen. Da ist noch sehr viel Luft nach oben.“

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, kritisierte ebenfalls, dass antimuslimischer Rassismus noch zu wenig erfasst und erforscht werde. Die Entwicklung sei besorgniserregend. So seien im vergangenen Jahr knapp 1.000 islamfeindliche Straftaten in Deutschland erfasst worden. (KNA, iQ)

 

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Wenn es "nur" bei Morddrohungen und Aufrufen zur Gewalt bliebe. Es wird psychische Gewalt mit all ihren Facetten zelebriert. Die Täter sind Menschen, die innerlich kaputt sind. Ist jemand in einer Beziehung mit so einem Menschen, geht er/sie auf Dauer selbst daran kaputt, weil psychische Gewalt auf Dauer einem selbst schadet. Die einzige Möglichkeit ist, dem Täter mit juristischen Konsequenzen zu drohen, sollte er seine Hasskommentare nicht unterlassen. Und im Zweifel den Täter anzuzeigen, weil der Täter auf solche Drohungen in der Regel mit Häme reagiert. Auf keinen Fall darf man sich aufgrund von unerträglichen Provokationen zu Morddrohungen hinreißen lassen, weil das dem Täter nur in die Hände spielt. Die Tötung von Menschen gehört schließlich nicht zur Selbstverteidigung. Wir sind nicht Israel.
07.07.21
14:17