Eine Rechtspraktikantin am Oberlandesgericht Linz darf wegen ihres Kopftuchs nicht auf der Richterbank sitzen – es sei denn, sie legt ihr Kopftuch ab.
Wegen ihres Kopftuchs durfte eine Rechtspraktikantin am Oberlandesgericht Linz (OLG) nicht auf der Richterbank Platz nehmen. Das OLG entschied, dass die junge Muslimin nicht als Vertreterin von Staat und Justiz auftreten könne, wenn sie das Kopftuch trage. Nur durch das ablegen des Kopftuchs, hätte die Praktikantin dem Verweis entgegenwirken können – was sie aber nicht tat.
In einem Bericht der „Kronen Zeitung“ heißt es, dass die junge Praktikantin aus religiösen Gründen aber auch als Ausdruck ihrer Persönlichkeit das Kopftuch trage und nicht bereit sei, den Anforderungen des Gerichtes nachzukommen. Daher dürfe sie, auf Anordnung des OLG, bei Prozessen nicht vorne beim Richter sondern nur im Saal unter den Zuschauern sitzen. Die Präsidentin des Linzer Oberlandesgerichts Katharina Lehmayer erklärte die Situation damit, dass es sich um ein heikles Thema handle und dies nach wie vor vom „Gesetzgeber ungeklärt“ sei.
Die Niedersächsische Landesregierung hatte im August auf Vorschlag von Justizministerin Barbara Havliza angekündigt, einen Gesetzentwurf zur „Anpassung des Rechts der richterlichen Mitbestimmung und zur Stärkung der Neutralität der Justiz“ im Landtag einzubringen. Der Gesetzesentwurf sehe ein Verbot religiöser, politischer und weltanschaulicher Symbole für Richter und Staatsanwälte vor.
Islamische Religionsgemeinschaften sehen den Gesetzesentwurf der Landesregierung kritisch. „Das Gesetz diskriminiert Personen, die aus religiösen Gründen ein bestimmtes Kleidungsstück wie die Kippa oder das Kopftuch tragen. Es wird ihnen unterstellt, in ihrer Amtsübung nicht neutral, unparteiisch oder unabhängig agieren zu können“, kritisiert der Vorsitzende der Schura-Niedersachsen, Recep Bilgen gegenüber IslamiQ. Außerdem liege hier eine Verletzung mehrerer Grundrechte wie die Religionsfreiheit oder die Berufsfreiheit vor. Das Verbot von religiösen Kleidungsstücken stelle für Musliminnen ein faktisches Berufsverbot als Richter dar, meint Bilgen weiter.
Der DITIB-Landesverband in Niedersachsen und Bremen sehe in dem Gesetzesentwurf eine „Symbolpolitik“ und eine „Scheindebatte“ der Landesregierung, die in Zeiten vermehrter Übergriffe auf Frauen mit Kopftuch unangebracht sei. „Fraglich ist, dass derzeit Debatten seitens der CDU in Niedersachsen geführt werden, für die es keinen Anlass gibt, erklärt die Geschäftsführerin Emine Oğuz auf Anfrage von IslamiQ. Probleme aus der Praxis seien derzeit nicht bekannt. Dies führe bei den Muslimen nur zu weiterem Vertrauensverlust in die Politik und weiteren Ausgrenzung von Muslimen in der Gesellschaft. „Die Ängste und Nöte werden nicht ernst genommen, sondern Themen der AfD werden für sich beansprucht“, erklärt Oğuz kritisch.
Auch die Vorsitzende der Frauenorganisation der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Aynur Handan Yazıcı äußerte sich kritisch zu dem Vorhaben der Landesregierung. „Das ist ein faktisches Kopftuchverbot mit verheerenden Folgen für die Betroffenen und unsere Gesamtgesellschaft. Damit gießt die niedersächsische Landesregierung Wasser auf die Mühlen der AfD“, so Yazıcı besorgt.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte im März ein Kopftuchverbot für Richterinnen und Staatsanwältinnen bestätigt. Er wies die Popularklage einer islamischen Religionsgemeinschaft ab, wie es in einer Mitteilung hieß. Aus Sicht der Verfassungsrichter sei ein Verbot für Richter, Staatsanwälte und Landesanwälte, in Verhandlungen religiös oder weltanschaulich geprägte Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen, rechtens. Die Staatsregierung hatte die Entscheidung begrüßt. Die Religionsgemeinschaft sah in der Regelung Verstöße gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie gegen den Gleichheitssatz. Denn während Kopftücher verboten seien, dürften weiterhin Kreuze im Gerichtssaal hängen. Ein Gesetz allein für eine bestimmte Religionsgruppe zu schaffen, verstoße gegen die Grundsätze der bayerischen Verfassung. (dpa/iQ)