Statistik

Migrationsforscher: Deutschland wird bunter

Damit die Wirtschaftskraft nicht schrumpft, braucht Deutschland mehr Zuwanderer. Warum die kulturelle Vielfalt für die Wirtschaft so wichtig ist.

04
11
2019
Zuwanderer - Kulturelle Vielfalt © shutterstock, bearbeitet by iQ
Zuwanderer - Kulturelle Vielfalt © shutterstock, bearbeitet by iQ

In 20 Jahren wird laut Experten jeder dritte Mensch in Deutschland ein Zuwanderer sein. In Großstädten werde der Anteil der Migranten auf bis zu 70 Prozent klettern, sagte der Leiter des Forschungsbereiches Migration am bundeseigenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Herbert Brücker, in der „Welt“ (Montag). Um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken, müsse sich Deutschland künftig vielen Nationalitäten öffnen, so der Ökonom.

Deutsche immer als größte Gruppe

„Deutschland wird bunter werden“, sagte Brücker. „Derzeit hat etwa ein Viertel der Menschen in Deutschland Migrationshintergrund. In 20 Jahren werden es mindestens 35 Prozent, könnten aber auch über 40 Prozent sein.“ Frankfurt am Main sei ein gutes Beispiel. „Dort hat schon heute jeder Zweite Migrationshintergrund. In Berlin sind es etwa 35 Prozent. Was wir heute in den Großstädten sehen, ist künftig für das Land insgesamt normal. Und in einer Stadt wie Frankfurt werden wir dann Anteile von Zuwanderern zwischen 65 und 70 Prozent haben.“

Ein „falsches Bild“ sei es allerdings zu glauben, eine „Minderheit“ von Deutschen stehe künftig einer „Mehrheit“ von Einwanderern gegenüber, sagte Brücker, der außerdem Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt Universität ist. „Die Deutschen werden immer die mit Abstand größte Gruppe bleiben. Die Migranten sind ja ganz unterschiedlich, eben sehr bunt. Einige sind Muslime, andere Buddhisten, die Mehrheit Christen. Einige haben akademische Abschlüsse, andere sind Hilfsarbeiter.“

Zuwanderer fördern Wirtschaftskraft

Berechnungen des IAB zufolge braucht Deutschland bis 2060 pro Jahr netto 400.000 Zuwanderer, damit die Erwerbsbevölkerung und somit die Wirtschaftskraft nicht schrumpfen. „Wir sind bei der Migration im Wettbewerb mit anderen Ländern – und zwar sowohl bei den Hochqualifizierten als auch bei geringer qualifizierten Menschen“, sagte Brücker. Klar sei, dass immer weniger Arbeitskräfte aus der EU zu uns kommen würden. „Das Potenzial an Zuwanderern aus östlichen Beitrittsländern wie Rumänien und Bulgarien aber auch aus Spanien oder Portugal ist zunehmend ausgeschöpft“, so Brücker. Deshalb müsse sich Deutschland verstärkt anderen Ländern, etwa EU-Anrainerstaaten wie den Westbalkanländern oder der Ukraine öffnen.

In Deutschland leben nach Schätzungen der Bundesregierung 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime; davon haben rund 45 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit. Bei rund 82 Millionen Einwohnern beträgt der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung zwischen 4,6 und 5,2 Prozent. Deutlich mehr als 90 Prozent leben in den alten Bundesländern.

Laut Studie stellen die aus der Türkei stammenden Gläubigen mit rund 2,5 Millionen die größte ethnische Gruppe unter den Muslimen. Dies entspricht einem Anteil von rund 63 Prozent. Es folgen Menschen aus südosteuropäischen Ländern wie Bosnien, Bulgarien und Albanien (14 Prozent), dem Nahen Osten (8 Prozent), Nordafrika (7 Prozent) und dem Iran. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
"Die Migranten sind ja ganz unterschiedlich, eben sehr bunt. Einige sind Muslime, andere Buddhisten, die Mehrheit Christen." Buntheit kann man keinesfalls an der formellen Religionszugehörigkeit festmachen. Die allermeisten Menschen suchen sich ja eine Religion nicht aktiv aus, sondern werden in eine Religion faktisch hineingeboren. Die Buntheit entsteht vielmehr dadurch, dass Menschen ihre ganz persönliche Individualität entwickeln, was Religionen mit ihren Gebets-, Bekleidungs- und Ernährungsritualen behindern und nicht fördern. Ich habe Kontakt zu zwei syrischen Brüdern, denen 2014 in Österreich Asyl gewährt wurde. Einer geht wahnsinnig gerne mit Freunden aus, der andere genießt es, in seiner Freizeit lieber alleine am Computer zu sitzen. Beide sind hilfsbereit und freundlich. Obwohl in einer sunnitische Familie aufgewachsen, ist dem einen der Islam wurscht, der andere lehnt ihn sogar ab.
04.11.19
13:15
Ethiker sagt:
Menschen sind Buntstifte. Das bekräftigt die Dichotomie von beige und bunt nur noch mehr. Oder sind das soziale Kategorien wie der Rassismus? Hier die Bunten dort die Beigen.Die Reduzierung und Kategorisierung der Menschen auf Phänotype ist unsinnig und rassistisch. Man sollte mehr die klaren Verhältnisse ansprechen.
04.11.19
21:41
Brad Lewis sagt:
Kulturelle Vielfalt ist noch was ganz anderes als Glaubenswahn und religiöser Fanatismus mit Staatsvertrag-Forderungen.
07.11.19
11:26