Halle/Saale

Muslime verurteilen Attentat auf Synagoge

Die jüdische Gemeinde in Halle entgeht nur knapp einer Katastrophe. Nach dem Attentat auf die Synagoge bekunden Muslime in Deutschland ihre Solidarität.

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2019
Muslime solidarisieren sich mit der jüdischen Gemeinde
Muslime solidarisieren sich mit der jüdischen Gemeinde

Die jüdische Gemeinde in Halle entgeht nur knapp einem Attentat. Ein Angreifer will das Gotteshaus stürmen, scheitert aber. Dann erschießt er zwei Menschen vor der Synagoge und in einem Döner-Laden. Es soll ein 27-jähriger Deutscher sein.

Es sind Stunden der Angst. Ein schwerbewaffneter Täter hat versucht, in einer Synagoge in Halle/Saale ein Blutbad unter rund 80 Gläubigen anzurichten. Die jüdische Gemeinde entging an ihrem höchsten Feiertag, Jom Kippur, nur knapp einer Katastrophe. Der mutmaßliche Rechtsextremist Stephan B. aus Sachsen-Anhalt wollte nach Angaben aus Sicherheitskreisen am Mittwochmittag die Synagoge mit Waffengewalt stürmen, scheiterte jedoch. Danach soll der 27-Jährige vor der Synagoge und in einem nahen Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen und mindestens zwei weitere verletzt haben. Er floh vom Tatort und wurde am Nachmittag festgenommen.

Erst nach langen Stunden nach dem versuchten Attentat wurde klar, dass es sich um einen Einzeltäter handelte. Innenminister Horst Seehofer (CSU) sprach am Abend von einem antisemitischen Motiv. Der Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen rasch an sich gezogen hatte, habe zudem „ausreichend Anhaltspunkte für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund“. Seehofer sagte weiter: „Der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur ist heute ein schwarzer Tag. Ein schwer bewaffneter Täter hat versucht, in eine Synagoge einzudringen, in der sich rund 80 Menschen aufhielten.“

„Dieser Terrorakt ist gegen uns alle gerichtet“

Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) verurteilt das Attentat aufs schärfste und bekundet der jüdischen Gemeinde in Halle sowie allen jüdischen Mitbürgern in Deutschland seine Anteilnahme. „Die Umstände der Tat erinnern stark an Christchurch: der Angriff auf ein Gebetshaus während die Gläubigen beten und Livestream der Tat im Internet“, teilte der KRM in einer Pressemeldung vom 10.10.2019 mit. Dies sei eine abscheuliche Tat und zeige, dass Terror weder einen Glauben noch eine Nationalität habe. „Dieser Terrorakt ist gegen uns alle gerichtet, er ist gegen unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt gerichtet“, sagte KRM-Sprecher Dr. Zekeriya Altuğ. Weiter fuhr er fort: „Wir werden eine breite Allianz gegen Hass und Terror bilden – eine Allianz der Toleranz und Vernunft. Den Opfern, ihren Angehörigen und der Stadt Halle sprechen wir unser Beileid aus, den Verwundeten wünschen wir alsbaldige Genesung. In unseren Gedanken und Gebeten sind wir bei ihnen.“

Die Türkisch-Islamische-Union der Anstalt für Religion (DITIB) wies „Einzeltäter-Theorien“ zurück. Sie dürften nicht davon ablenken, „dass das gesellschaftliche Klima zunehmend durch rechtes Gedankengut vergiftet wird“, so der DITIB-Vorstandsvorsitzende Kazım Türkmen. Es müsse spätestens nach dem Terrorangriff in Halle bewusst sein, „dass die Drohungen gegenüber fast 20 Moscheen allein in diesem Jahr sowie mehreren weiteren muslimischen Einrichtungen keine leeren Drohgebärden sind“.

Auch der Vorsitzende der SCHURA Niedersachsen, Recep Bilgen, ist entsetzt über den terroristischen Anschlag. „Meine Gedanken sind bei den Opfern und den Angehörigen. Meine Solidarität gilt allen jüdischen Freunden“, wurde der Vorsitzende ein einer Pressemitteilung zitiert. „Der Angriff auf eine Synagoge an einem der höchsten jüdischen Feiertage, Jom Kippur, trifft nicht nur unsere jüdischen Nachbarn und Freunde, sondern die gesamte Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass sich die Gesellschaft noch stärker gegen Antisemitismus und jegliche Art von Rassismus einsetzt“, so Bilgen weiter.

Islamrat besucht jüdische Gemeinde in Halle

„Die Nachrichten aus Halle haben uns erschüttert. Wir möchten unser aufrichtiges Mitgefühl, Anteilnahme und Solidarität an die Angehörigen der ermordeten Opfer und der jüdischen Gemeinde übermitteln“, teilte der Islamrat gegenüber IslamiQ mit. Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats, warnt vor einem Anstieg von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.

Kesici beschreit das Attentat als einen kaltblütigen Angriff auf die Synagoge. „Gerade in solchen Zeiten ist es notwendig, dass wir als Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammenkommen und zeigen, dass wir uns nicht spalten lassen“, sagte Kesici, der gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Islamischen Föderation Berlin (IFB), Murat Gül, und dem IGMG-Regionalverbansvorsitzenden Said Jurnal die Synagoge in Halle besuchte.

Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) ruft ihre Gemeinden dazu auf, die nächste Synagoge in ihrer Nähe zu besuchen und ihre Solidarität auszusprechen. „Die gegenseitige Anteilnahme stärkt unseren Zusammenhalt, setzt ein deutliches Zeichen gegen Hass und sensibilisiert die Öffentlichkeit in Bezug auf Angriffe auf Minderheiten und deren Gebetsstätten.“

Zentralrat der Juden kritisiert an mangelnden Polizeischutz

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte am Abend: „Die Brutalität des Angriffs übersteigt alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre und ist für alle Juden in Deutschland ein tiefer Schock.“ Zugleich erhob er schwere Vorwürfe gegen die Polizei. „Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös.“

Bei dem Attentat legte der Täter auch selbstgebastelte Sprengsätze vor dem Gotteshaus ab. Eine Frau wurde vor der Synagoge von tödlichen Schüssen getroffen. Etwa 30 Meter vor der Synagoge lag sie auf einer Straße mit einer blauen Decke bedeckt. Das Opfer aus dem Döner-Imbiss war ein Mann.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, bestätigte, dass sich der Angriff der Täter direkt gegen die Synagoge richtete. „Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen“, sagte Privorozki. „Aber unsere Türen haben gehalten.“

Erinnerung an Christchurch

Die Tat erinnert an den Anschlag im neuseeländischen Christchurch, bei dem Mitte März mehr als 50 Menschen getötet worden waren. Wie dieser Täter soll auch der Schütze von Halle eine Kamera auf dem Helm getragen haben. In den sozialen Netzwerken soll er ein Bekennervideo hochgeladen haben.

Darin ist ein junger Mann in Kampfanzug mit weißem Halstuch in einem Auto zu sehen. Der Mann gibt in vermutlich nicht muttersprachlichem Englisch extrem antisemitische Äußerungen von sich. In dem Video sind auch mehrere Schießszenen zu sehen. Unter anderem zeigt das Video, wie in einem Döner-Imbiss mehrfach auf einen Mann geschossen wird, der hinter einem Kühlschrank liegt. (dpa, KNA, iQ)

Leserkommentare

stratmann sagt:
Der Beitrag ist angenehm sachlich, die Anteilnahme wohltuend und ansteckend. Danke! In einem Punkt muss man der KRM-Presseerklärung leider, leider widersprechen: Auch Terror hat manchmal Glauben und Religion als Wurzel, zu unser aller Leidwesen.
10.10.19
23:12
Emanuel Schaub sagt:
das war zwar gerade ein Fehler ...drückt aber meine Hilflosigkeit aus! Nach dem Besuch in der Shoa Austellung konnte ich mir nicht vorstellen ,dass ein jg.Deutscher in der nachflger dieser Unmenschen sein könnte . Aber Hass ist eben nicht von Alter / Einsicht zu bändigen ;manche "menschen" sind UNHEILBAR..gruß emanuel
11.10.19
15:39
Kritika sagt:
L.S. In ChristChurch hat den Gläubigen gegen den Angriff eines Amokläufers kein Allah geschützt. Die Muslims mussten ernüchtert feststellen: Allah fordert gelobt zu werden, ( auch wenn man nicht weiss, wofür eigentlich ) sogar 5 x am Tag Aber, wenn man Allah mal braucht, dann lässt er einem im Stich, wo er doch bescheidener weise von sich behauptet, allmächtig und allwissend zu sein. ----- Die jüdische Gläubigen in Halle waren deutlich intelligenter als die naiven, gutgläubigen Muslims.in ChristChurch Sie vertrauten auf einer sicheren, sogar schusssicheren Tür. Als der Amokläufer kam waren sie unabhängig davon, ob es Jaweh gibt oder nicht, ob ihm gerade zumute ist zu helfen oder eben nicht. Diese Überlegenheit findet man auch beim Vergleich des Staates Israël, -- Technologisch auf Weltniveau -- Zu den umgebenden rückständigen MuslimStaaten, auf Mittelalter Niveau: Gaza Pakistan Jemen Afghanistan Bangladesch usw. Hoffentlich lernen die Muslims von den Israëlis und sichern ihre Moscheen fortan effektiv gegen Amokläufer dann wären sie von den Launen ihres Gottes nicht mehr abhängig. Denn der nächste Angriff kommt bestimmt, nur Allah weiss wann und wo. Aber Er schützt den Amokläufer und verrät die Seinen weder Ort noch Zeit. Gruss, Kritika
17.10.19
1:31
Kritika sagt:
An Emanuel Schaub Sie nennen die KZ -Verbrecher Unmenschen, ich auch. Von genau diesen Menschen wird widersprüchlicherweise berichtet, dass sie zärtliche Normal-Väter für ihre Kinder waren. Ihnen sind sicher pschycho-Experimente bekannt, in denen Prüfpersonen die Rolle von Gefängniswärter zugewiesen wurde und diese Rolle mit allen Consequenzen annahmen, sogar auf Befehl Ihre Gefangenen folterten (dass die Schreie nicht echt waren wussten sie nicht ) In diesem Oktober erzählt ein Präsident einigen Menschen ( wehrpflichtge? Soldaten ), dass sich einige km von Ihnen Menschen befinden, ( Dorfbewohner ), welche er Terroristen nennt und die deshalb getötet und vertrieben werden müssen. Diese erste Menschen laden ihre Panzerkanone, steigen in Jagdbomber und werfen Granaten und Bomben auf die zweiten Menschen. Viele töten sie, 100.000 vertreiben sie aus ihren Dörfern. Erste Menschen sowie zweite Menschen beten den selben ( untätigen ) Allah an. Es ist einfach, verehrter Herr Schaub, den Stab über die ersten Menschen ( und über den KZ-Sergen ) zu brechen, besonders wenn man nie Soldat war, aber ist es auch gerecht? Einige Soldaten handelten wohl aus eigener Todesangst. Ein Bundeskanzler sprach einmal von dem Segen der späten ( nach Kriegs ) Geburt. Die einzige Sekte, die consequent jegliche Kriegsbeteiligung rigorös verweigerte das sind die Jehova Zeugen. Sie haben dafür im KZ bitter bezahlt, und das wussten sie im Voraus. Auch den heutigen Jehova Zeugen ( denen ich nicht angehöre ) würden so handlen; deswegen bringe ich diese Menschen grosser Achtung entgegen. Als junges Kind, in einem besetzten Land, wurde ich von Deutsche Soldaten unter Gewehrfeuer genommen, mein Vater wurde getroffen, ich nicht. Selber bin ich Reserveoffizier in einer NatoArmee. Ich fühle mich daher ob dieses Tema kompetent. Über die Amokläufer von Christchurch und Halle habe ich oben nicht gesprochen, nur über ihre "Unmenschen " Herr Schaub Amokläufer sind vermutlich eher fehlgeleitete, geistig gestörte Menschen. Gruss, Kritika
18.10.19
1:44
Förster Mannes sagt:
Es ist eine wohltuende Nachricht wenn Vertreter islamischer Vereinigungen wie Herr Kesici, Herr Türkman sowie Herr Altug und Herr Bilgen den ersten Schritt auf die jüdische Gemeinde machen. Das zeigt wiederum die Anteilnahme und das Wohlwollen der islamischen Gemeinden. Dieser Schritt ist islamisch und menschlich gesehen der richtige und zeugt von Empowerment der muslimischen Bevölkerung zugunsten einer Völkerverständigung im Sinne Allahs und Mohammeds. Wer sich mit den koranischen Inhalten und Messages auseinandergesetzt hat, kennt die Wahrheit. Die Kommentate hier im Forum haben diesen überaus positiven Schritt der muslimischen Vertreter mit ihren teilweise Provinzialregierungen und infantilen „Gedanken“ versucht zu überstülpen. Wir wissen es wertzuschätzen. Danke!
19.10.19
14:53