NSU-Ombudsfrau

„Viele Deutsche verstehen Einwanderung noch nicht“

Die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer warnt davor, das Thema Einwanderung zu missverstehen und politisch zu instrumentalisieren. Insbesondere die Politik der AfD sei ein Nährboden für Gewalt.

09
07
2018
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Barbara John: Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer des NSU © by Böll Stiftung auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

Wenige Tage vor dem Urteil im Münchner NSU-Prozess sieht die von der Bundesregierung beauftragte Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John, Defizite im Umgang mit dem Thema Migration. Politik und Bevölkerung hätten bis heute nicht voll verstanden, was es bedeute, ein großes Einwanderungsland zu sein, sagte John am Montag den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Das bedeutet, sich selbst zu ändern. Das ist für keinen leicht. In einer offenen Gesellschaft gehören kulturelle Unterschieden zum Alltag.“

Die Deutschen müssten lernen, was wirklich wichtig und was unwichtig sei im Zusammenleben mit Menschen aus anderen Kulturen: „Wenn wir das nicht lernen, entsteht auf vielen Seiten radikale Abgrenzung, Gewalt eingeschlossen.“

In diesem Zusammenhang bezeichnete John die Politik der AfD als Nährboden für rechte Gewalt: Die Partei erzeuge Feindbilder, und „Abgrenzungen beginnen mit Feindbildern von anderen und enden nicht selten mit gegenseitiger Gewalt“.

Wer Feindbilder schaffe, könne oft nicht mehr verhindern, dass einige das als Aufforderung zur Gewalt verstehen würden. Die AfD halte Einwanderung, insbesondere muslimische, für untragbar, sagte die Beauftragte der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer. „Das ist das Gegenteil von Zusammenhalt entwickeln. Politik heißt, ein System zu etablieren, wie unterschiedliche Menschen friedlich miteinander leben können.“

Die frühere Berliner Ausländerbeauftragte war nach dem Auffliegen des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) von der Bundesregierung zur Ombudsfrau für die Opfer der terroristischen Vereinigung ernannt worden. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte wegen der mutmaßlichen Beteiligung an zehn Morden, Raubüberfällen und Sprengstoffanschlägen läuft bereits seit Mai 2013. Am Mittwoch will das Münchner Oberlandesgericht sein Urteil sprechen. (KNA/iQ)