Mobbing

Religion ist nicht das Problem

Kaum ist die Diskussion um die Frage „Gehört der Islam zu Deutschland?“ abgeklungen, kommt schon die nächste Islam-Debatte: „religiöses Mobbing“. Ali Mete erklärt, warum es niemandem hilft, wenn Probleme religionisiert werden.

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03
2018
Symbolbild: Einzigartiger Studiengang "Interfaith Studies" © Facebook Universität Luzern, bearbeitet by iQ.
Symbolbild: Einzigartiger Studiengang "Interfaith Studies" © Facebook Universität Luzern, bearbeitet by iQ.

Die Mobbing-Debatte hat einen schlechten Beigeschmack. Während sich die Republik über diesen Fall aufregt, sind im gesamten Bundesgebiet dutzende Moscheen beschmiert, beschädigt und sogar angezündet worden – die Politik äußert sich kaum. Schlimmer noch: Politiker wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) setzen keine klaren Zeichen gegenüber den Tätern, sondern betreiben verbale Ausgrenzung. Politiker, die zu diesen Moscheeanschlägen schweigen, melden sich in der „Mobbing-Affäre“ sofort zu Wort. Hier stimmt etwas nicht.

Mobbing: ein verbreitetes Problem

Mobbing ist in jedem Fall inakzeptabel, egal ob „antisemitisch“ oder „antimuslimisch“ motiviert. Eine solche Etikettierung ist für die Diskussion kontraproduktiv, denn sie führt das Problem auf eine einzige Ursache zurück: die Religion. Dabei ist Mobbing leider weit verbreitet unter Schülerinnen und Schülern, unabhängig von Alter, Schulform, Religion oder Herkunft. Deshalb wird die Problematik schon in der Grundschule behandelt, ob nun direkt als Thematisierung von Mobbing oder indirekt im Sinne der Förderung von Respekt und Toleranz. Das ist der einzig vernünftige Weg.

Viele Politiker scheinen das anders zu sehen. Für sie ist der Vorfall an einer Berliner Grundschule offenbar eine willkommene Gelegenheit, um das Narrativ vom religiös begründeten Antisemitismus unter Muslimen aufzugreifen. Außenminister Heiko Maaß (SPD) findet den Vorfall „beschämend und unerträglich“. Das scheint für die Moscheeanschläge nicht zu gelten, denn dazu hat er sich bisher nicht geäußert. Cem Özdemir (Grüne) fordert eine „Elternabend-Pflicht“ und eine Vereinbarung zwischen Lehrern und Eltern, die bis zum Schulverweis führen könne. Alexander Dobrindt (CSU) spricht sogar von „Schulhof-Islamismus“. Dieselben Politiker heben aber nicht den Zeigefinger angesichts von Dutzenden rechtsradikalen Provokationen, wie z. B. an Hessener Schulen. Auf diese Vorfälle sei dem hessischen Kultusministerium zufolge reagiert worden, indem sie im Unterricht thematisiert wurden. Wieso ist ein solcher, „normaler“ Umgang im aktuellen Mobbingfall nicht möglich?

Der falsche Weg: Religionisierung von Problemen

Keine Frage, rassistische und judenfeindliche Ansichten gibt es leider auch unter Muslimen. Das Phänomen ist Studien zufolge latent in der Mitte unserer Gesellschaft. Anzunehmen, dass Antisemitismus eine im Islam angelegte Einstellung sei, das Problem also zu islamisieren, ist genauso rassistisch wie Antisemitismus selbst. Denn hinter einem solchen Verständnis verbirgt sich folgende Annahme: Sie sind so, weil ihre Religion so ist. Sie können nicht anders, denn sie sind Muslime. Das aber stimmt weder historisch noch theologisch.

Wie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Anette Widmann-Mauz (CDU) richtig sagt: „Religion ist keine Frage von Toleranz, das ist ein Grundrecht.“ Religionsfreiheit gibt keinem das Recht, andere zu drangsalieren oder sogar zu bedrohen. Religionsfreiheit ist auch kein Entschuldigungsgrund für pubertierende Jugendliche. Aber genauso hilft die Religionisierung des Problems niemandem, sondern polarisiert nur noch weiter. So ist z. B. die Forderung nach einem Lagebild zur Gewalt an Schulen durchaus sinnvoll, aber nur wenn hier nicht Religion im Allgemeinen und der Islam im Besonderen als Problemursache gesehen wird. Rassismus ist Rassismus, egal wie er begründet wird. Dagegen hilft nur Aufklärung und die Förderung von gegenseitigem Respekt.

 

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Man sollte es überhaupt unterlassen, Minderjährige religiös zu indoktrinieren und etikettieren. Ich halte es unter Erwachsenen aber für äußerst wichtig weder vor Weltanschauungen noch vor Religionen unverdienten Respekt zu haben. Nicht Heilige Kühe, an denen Kritik tabuisiert wird, bringen die Menschheit voran, sondern vorbehaltsloses Hinterfragen. Einer praktizierenden Jüdin habe ich kürzlich unverblümt gesagt, dass ich koscheres Essen für abergläubischen Nonsens halte, da wir heute wissen, dass sowohl Milch als auch Fleisch aus Wasser, Proteinen und Fetten bestehen. Einer islamischen Bekannten habe ich ohne lange um den heißen Brei herumzureden klipp und klar gesagt, dass ich es abstoßend finde, dass das Opferfest einer der höchsten Feiertage im Islam ist. Einen Vater, der bereit ist seinen Sohn auf göttlichen Befehl umzubringen, halte ich für verabscheuungswürdig. Blinder Befehlsgehorsam ist für mich keine Tugend, sondern ein Laster. Nichtsdestotrotz bin ich mit den beiden Damen befreundet. Ich bin zwar der religiösen Tradition, in die sie hineinerzogen wurden, ablehnend eingestellt, dafür haben wir aber Gemeinsamkeiten in anderen Bereichen. Ich wünsche mehr Mut in unserer Gesellschaft mit Religionen auf intellektuellen Konfrontationskurs zu gehen.
31.03.18
16:03
Dilaver Çelik sagt:
Danke für diesen Beitrag. Armes Deutschland.
31.03.18
18:26
Bernd sagt:
Ich bin der Überzeugung, dass wir einen Ethikunterricht für alle Schüler gemeinsam durchführen sollten, wenn wir wirklich an einem friedlichen Miteinander der unterschiedlichen Menschen interessiert sind. Bin ohne die Einteilung in Religionen aufgewachsen und wünsche mir dieses Zustand wieder zurück. Wir haben dieses Problem doch erst, seit September 2011 und es ist religiös motiviert.
31.03.18
19:31
Ute Fabel sagt:
Die Überschrift sollte richtigerweise lauten „Religion ist das Problem“. Eltern ganz gleich welcher Religion verhalten sich völlig verantwortungslos, wenn sie ihren religionsunmündigen Kindern einhämmern, die religiöse Gruppenzugehörigkeit sei für sie identitätsstiftend.
01.04.18
19:25
Johannes Disch sagt:
@Bernd (31.03.18, 19:31) Das Problem des politischen Islam (Islamismus) ist älter als "9/11/2001." Es ist uns seit diesem Datum nur bewusster. Der Artikel stellt die richtige Frage: Ist das Mobbing religiös motiviert? Welchen vorschnellen Fehlschluss ziehen wir daraus? Mobben diese Jugendlichen aus religiösen Gründen? Mobben sie, weil sie Muslime sind und deshalb gar nicht anders können? Vor diesen voreiligen Schlüssen warnt der Artikel.
01.04.18
23:43
gregek sagt:
Wer nicht will, findet Gründe. Wer will findet Lösungen. Der erste Satz passt wie die Faust aufs Auge auf die Islamverbände. Islamisch motivierte Gewalltaten sollen gesondert erfasst werden, aber im Falle von Mobbing soll keine Unterscheidung vorgenommen werden. Das erinnert mich doch glatt an Pipi Langstrumpf, die so schön gesungen hat: Wir malen uns die Welt, trallalla, wie Sie uns gefällt.
02.04.18
0:49
Johannes Disch sagt:
- Was die Erfassung antisemitischer Straftaten betrifft: Man sollte sich nicht nur darauf festlegen. Erfreulicherweise hat sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Schuster, dafür ausgesprochen, alle rassistisch motivierten Straftaten zu erfassen, sei es gegen Juden, gegen Muslime, gegen Christen. Und darum geht es: Rassistische Straftaten generell zu erfassen, seien sie religiös oder ethnisch oder wie auch immer motiviert. Es besteht die Gefahr, bei rassistischen Straftaten von Muslimen, automatisch die Religion des Täters als Motivation heranzuziehen. Ist ja auch so einfach: Alles, was ein Mensch islamischen Glaubens tut, ist durch seine Religion motiviert. Auf diese Banal-Lesart haben sich hier inzwischen viele geeinigt. Deshalb ist dieser Artikel richtig und wichtig: "Religion ist nicht das Problem." Oder weniger verkürzt formuliert: Religion ist nicht immer das Problem und nicht immer die Ursache.
02.04.18
18:06
Ute Fabel sagt:
Was für eine Doppelmoral! Bei Mobbing gegen andere im Namen des Islams ist man plötzlich strikt gegen eine "Religionisierung von Problemen". Andererseits wird Islamverbänden gerade gebetsmühlenartig gefordert, Straftaten gegen islamische Einrichtungen unbedingt gesondert zu erfassen. Dabei handelt es sich meistens um Vandalismus, der häufig in klarem Zusammenhang mit dem einseitigen politischem Engagement der Islamverbände für die Syrieninvasion durch das Erdogan-Regime steht, also eindeutig politische und keine religiösen Hintergründe hat. Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) stuft derzeit rund 760 Menschen als islamistische „Gefährder“ ein. Mehr als die Hälfte von ihnen befindet sich im Land, wie das BKA in Wiesbaden mitteilte. 153 Personen seien in Haft. Insgesamt zählten die Sicherheitsbehörden mehr als 980 Menschen, die seit Beginn der Kämpfe in Syrien im Jahr 2012 aus Deutschland in die Krisengebiete ausgereist sind. Gefahr von rechts und links sei deutlich geringer. Mitte Februar 2018 ging das BKA noch von rund 750 islamistischen „Gefährdern“ im Bundesgebiet und etwa 970 Ausreisen aus Deutschland in die Krisengebiete aus. Während das islamistische Lager größer wird, wird die Terrorgefahr aus dem rechten und linken Spektrum vom deutschen BKA deutlich geringer bewertet: 26 Personen aus der rechten Szene seien derzeit als „Gefährder“ eingestuft, hieß es. Bei den Linksextremisten belaufe sich die Zahl auf zwei Personen.
03.04.18
12:26
grege sagt:
Wenn ein Verbrechen religiös motiviert ist, sollte diese Tatsache auch so kommuniziert werden. Mit Verschweigen oder Leisetreten erhalten rechtspopulistische Kreise erst recht Auftrieb. Die Erwähnung des Tatmotivs hat doch nichts mit Islamfeindlichkeit zu tun
03.04.18
21:06
Ute Fabel sagt:
@ Johannes Disch: Den Begriff des Rassismus sollte man auf die Herkunft und Abstammung eines Menschen beschränken und nicht auf religiöse und weltanschauliche Überzeugungen erweitern. Die pauschale Abneigung von Menschen aufgrund ihrer Abstammung ist wahrlich verwerflich, die ethnische Herkunft kann man sich weder aussuchen noch ablegen. Letzteres ist bei Religion und Weltanschauung aber gerade schon möglich. Es ist in einer pluralistischen Gesellschaft, die auf Meinungsfreiheit beruht, völlig legitim sowohl vor einer Gesinnungsgemeinschaft als auch ihren Anhängern pauschal die Nase zu rümpfen. Eine Abneigung gegenüber allen Chinesen zu haben ist rassistisch, dem Maoismus und Maoisten pauschal negativ eingestellt zu sein ist hingegen völlig ok und Ausdruck des Grundrechts auf Meinungsfreiheit.
03.04.18
21:40
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